Die Ausnahmen der neuen Covid-Verordnungen sorgen vielfach für Stirnrunzeln: Reisebüros, Waffenläden oder Tierversteigerungen sind vom Lockdown ausgenommen. Ob das bei der Reisebranche fürs Überleben reicht, ist fraglich.
Wien, 23. November 2020 | Im Vergleich zum ersten Lockdown dürfen jetzt viele Betriebe den Kundenverkehr aufrechterhalten. Die Wirtschaftskammer (WKO) stuft Reisebüros als „nicht körpernahe Dienstleistungsbetriebe“ ein und rechtfertigt so den Grund ihrer Öffnung. Die Covid-19 Notmaßnahmenverordnung definiert „körpernahe Dienstleistungen“ wie folgt:
„Als körpernahe Dienstleistung gemäß Abs. 1 Z 2 gelten insbesondere Dienstleistungen der
Friseure und Perückenmacher (Stylisten), Kosmetiker (Schönheitspfleger), hierbei insbesondere das
Piercen und Tätowieren, sowie der Masseure und Fußpfleger.“
Demnach gilt der Besuch eines Reisebüros als “zulässiges Betreten eines Kundenbereichs”, jedenfalls nach Definition der WKO. Die Sinnhaftigkeit ist insofern nicht erkennbar, als die Möglichkeit, touristische Reisen zu buchen, geschweige denn anzutreten, momentan gar nicht gegeben ist. In einem Satz sagt die WKO zudem, der Besuch von Reisebüros sei erlaubt, um im nächsten darauf hinzuweisen, die Dienstleistungen möglichst digital anzubieten. Es werden zwar einzuhaltenden Schutzmaßnahmen im Kundenbereich definiert, gleichzeitig wird klargestellt, dass “die Inanspruchnahme touristischer Reiseleistungen” nicht erlaubt sei.
„Fassungslos, entsetzt und mehr als verzweifelt“
Bei Reiseunternehmern verursacht die Ausnahmeregelung Unmut und Existenzsorgen. Trotz der starken Umsatzrückgangs haben Reisebüros keinen Anspruch auf Umsatzersatz, selbst wenn sie aufgrund ausbleibender Kunden schließen würden – da sie ja nicht schließen mussten.
In einem offenen Brief empört sich der „Österreichische Verein für Touristik“ über die Regelungen für Reiseunternehmen und appelliert an die Bundesregierung, diese mit Tourismus und Handel gleichzustellen. Gleichzeitig fordern sie die branchenspezifische Hilfe, die ihnen von Tourismusministerin Köstinger (ÖVP) versprochen wurde.
SPÖ und FPÖ üben Kritik
In einer Aussendung kritisieren auch SPÖ und FPÖ die Vorgehensweise der Bundesregierung: „Die Reisebüros sollen offen bleiben, ihre Kunden dürfen aber weder verreisen noch zum Zweck einer Urlaubsbuchung ihre Wohnung verlassen. Wie das funktionieren soll, muss der ÖVP-Kanzler mit seinem grünen Vize Kogler erst einmal erklären“, so FPÖ-Generalsekretär Schnedlitz.
In einem Entschließungsantrag ruft auch SPÖ-Mandatar Köllner die Bundesregierung auf, die Reisebranche zu retten: „Hier geht es um Existenzen, Arbeitsplätze, über Jahre aufgebaute Kontakte und Destinationen, die quasi innerhalb einer Saison vernichtet werden. Wie Gastro- und Tourismusbetriebe braucht auch die Reisebranche sofort einen umfassenden Umsatzkostenersatz, denn nur so können drohende Insolvenzen vermieden werden.“
(nb)
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