Am Donnerstag kündigte Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) an, dass es einen neuen Nationalen Aktionsplan Behinderung geben soll. Inklusion am Arbeitsmarkt stehe dabei im Fokus. Was die Corona-Pandemie betrifft, sollen Risikogruppen angehörende Menschen mit Behinderung in der österreichischen Impfstrategie priorisiert berücksichtigt werden.
Wien, 18. Dezember 2020 | Höchste Zeit: Österreich soll einen neuen Nationalen Aktionsplan Behinderung für die Jahre 2022 bis 2030 bekommen. Das teilte Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit. Jedes Ressort soll dafür verantwortlich sein. Sozialträger und Menschenrechts-Organisationen hoffen auf dringend notwendige Verbesserungen für die rund 1,3 Millionen Österreicher, die mit einer Form der Beeinträchtigung und oft prekär in Österreich leben.
Volksanwaltschaft: Situation rund um Arbeitsmöglichkeiten „Unbefriedigend und unzulässig”
Der Nationale Aktionsplan soll sich auch Kritikpunkten aus dem Sonderbericht „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung” der Volksanwaltschaft annehmen: Darin wird die Situation von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt als „unbefriedigend und unzulässig“ beschrieben. Der Bericht zeigt die prekären Arbeitsbedingungen für Menschen mit Behinderung auf und fordert „Lohn statt Taschengeld” in Behindertenwerkstätten, sowie einen eigenen Anspruch auf Sozialversicherung, vor allem auf Pensionsversicherung.
Sicherung der Arbeitsplätze, “Lohn statt Taschengeld”
Mit der Sicherung der Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung habe man sich auch vorrangig auseinandergesetzt: Diese bleibe auch 2021 ein Schwerpunkt, kündigte der Gesundheitsminister an. Mittelfristig sollen auch zwei seit Jahren ungelöste Probleme beseitigt werden, darunter der von zahlreichen NGOs und der Volksanwaltschaft geforderte „Lohn statt Taschengeld” in Tagewerkstätten sowie bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für die persönliche Assistenz, für die 2021 ein Pilotprojekt geplant sein soll.
Impfstrategie soll alle Risikogruppen berücksichtigen
Die Corona-Krise bringt zusätzliche Probleme mit sich, und das insbesondere für Menschen mit Behinderung: Abgesehen vom schwierigen Arbeitsmarkt seien auch Einsamkeit und psychische Belastungen gestiegen, so Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates.
Zahlreiche Menschen mit Behinderung gehören auch der Corona-Risikogruppe an, was wiederum in der österreichischen Impfstrategie berücksichtigt werde: Behinderte Menschen seien eine prioritäre Zielgruppe für die Corona-Impfung für Risikogruppen, meinte Rudi Anschober in der Pressekonferenz.
Eine große Gruppe hatte im Vorfeld allerdings erst auf sich aufmerksam machen müssen: Martin Ladstätter, Sprecher der NGO „BIZEPS“ – Zentrum für ein selbstbestimmtes Leben, kritisiert im Gespräch mit ZackZack, dass auf zu Hause lebende Menschen mit Behinderung, soweit sie zur Risikogruppe gehören, vergessen worden sei:
„Es war leider wieder einmal notwendig, auf den Tisch zu hauen, damit etwas passiert. Ich kann nicht reinschreiben, Hochrisikopersonen müssen zeitnah zur Schutzimpfung kommen, und dabei auf den gesamten Bereich von zu Hause lebenden Menschen mit Behinderung vergessen.“
BIZEPS hatte dem Gesundheitsministerium zuletzt in einer Aussendung vorgeworfen, in der Impfstrategie versagt zu haben – denn nur Menschen in Pflegeheimen wurden mitgedacht. Die Kritik fiel auf fruchtbaren Boden, wie es scheint.
Volkshilfe fordert barrierefreie Impf-Infos und Einbindung in Krisenstäbe
Fast 1,3 Millionen Menschen leben in Österreich mit einer Form der Beeinträchtigung. Auf deren individuelle Situation gilt es, Rücksicht zu nehmen. Die Lebenshilfe Österreich forderte in einer Aussendung am Mittwoch die Einbindung von Menschen mit Behinderungen in die Krisenstäbe der Regierung. Darüber hinaus brauche es “umfassende, barrierefreie Informationen zu den Impfungen, damit Menschen mit intellektuellen Behinderungen selbstbestimmte Entscheidungen treffen können.”
(lb/apa)
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