Höhere Infektionsgefahr
Die Zahlen in Großbritannien schießen – trotz Lockdown – seit Tagen in die Höhe, Krankenhäuser melden bereits Überlastungen. Hauptgrund für den dramatischen Anstieg sei die Corona-Mutation B.1.1.7., die um gut die Hälfte ansteckender als die bisherige Form sein soll. Nun wurde die neue Variante des Virus auch in Österreich bestätigt.
Wien, 04. Jänner 2021 | Vier Personen in Österreich, darunter drei Kinder, haben sich mit der britischen Variante des Coronavirus infiziert, eine Frau mit der südafrikanischen Mutation. Vor allem die britische Mutation, die seit Wochen als Auslöser für den massiven Anstieg der Infektionszahlen in Großbritannien vermutet wird, sorgt bei immer mehr Virologen und Experten für Unmut. Zwar würde die Mutation offenbar keinen schlimmeren Krankheitsverlauf auslösen, trotzdem sei sie rund um die Hälfte ansteckender und daher ernst zu nehmen, auch in Hinsicht auf die Situation in den Spitälern.
“Kriegsähnliche Zustände” in Londoner Spitälern
Am Sonntag verzeichneten die Briten 54.990 Neuinfektionen, weitere 454 Todesfälle wurden zudem gemeldet. Allein in London wurden am Sonntag 14.212 Fälle gemeldet, mehr als etwa in ganz Deutschland vermeldet wurden. Krankenhäuser würden in der britischen Hauptstadt bereits an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Patienten werden auf Fluren untergebracht oder müssen stundenlang in Krankenwagen warten, bis ein Bett frei wird, berichtet das renommierte Medizin-Fachjournal “British Medical Journal” (BMJ).
In einem aktuellen Artikel der BMJ heißt es genau: „Die Situation wurde mit Feldkrankenhäusern in aktiven Kriegsgebieten verglichen, in denen mehrere Patienten gesehen und behandelt wurden, während sie sich noch im Rücken eines Krankenwagens befanden, sich Kabinen in der Notaufnahme teilten oder die Korridore aus Platzgründen ausrichteten.”
Allerberger: “Es war zu erwarten”
In einer Pressekonferenz am Montagnachmittag bestätigten Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Franz Allerberger (AGES) und Andreas Bergthaler (CeMM) dann das, was schon viele heimische Virologen vermutet haben – die britische Variante wurde auch nach Österreich eingeschleppt. So wurden bis jetzt vier Fälle der britischen Mutation in Österreich registriert, drei davon sind Mädchen. Der vierte ist ein männlicher Österreicher, der mit dem letzten Flug von Großbritannien nach Wien gereist war. Alle vier Proben wurden am Flughafen Wien-Schwechat genommen, die betroffenen Personen daraufhin in Quarantäne geschickt.
Dass die britische B.1.1.7.-Mutation nun gefunden wurde, sei kein Zufall, vielmehr habe man “gezielt danach gesucht”. Rund 1.800 Sequenzierungen seien bisher in Österreich durchgeführt worden, sagte der Gesundheitsminister. Das solle nun intensiviert werden. Auch für Allerberger “war es zu erwarten”, dass die Variante auch in Österreich gefunden wurde.
(Bild: APA)
Virologin: “Gefahr wird nicht ernstgenommen”
Die Frage ist nun, wie sehr sich die Virus-Mutation bereits verbreitet hat. Zwar sei sie laut dem Immunologen und Leiter des Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM), Andreas Bergthaler, “noch nicht wahnsinnig verbreitet”, Virologen und Experten aus anderen Ländern warnen aber bereits eindringlich davor, die Mutation nicht zu unterschätzen. So wie die Virologin Isabella Eckerle von der Universität in Genf, sie ist an der Erforschung der Mutationen beteiligt. In einem Tweet schreibt sie:
„Es gibt keine Ausrede in ein paar Wochen/Monaten, dass die Ausbreitung der neuen Variante #b117 überraschend oder nicht vorhersehbar war, und nicht zu verhindern. Alle Informationen & zu ergreifenden Schritte sind glasklar.”
Ich retweete das gerade nochmal: es gibt keine Ausrede in ein paar Wochen/Monaten, dass die Ausbreitung der neuen Variante #b117 überraschend oder nicht vorhersehbar war, und nicht zu verhindern. Alle Informationen & zu ergreifenden Schritte sind glasklar. #SARSCoV2 #COVID19 https://t.co/Uu6ZlfelRQ
— Isabella Eckerle (@EckerleIsabella) January 3, 2021
Die Gefahr durch neue Virus-Varianten würde nicht ernst genommen werden, es würde wieder abgewartet werden, “bis es zu spät ist”, die Stimme der Wissenschaft würde “ignoriert werden”. Eckerle fordert einen europaweiten Lockdown, nur wenn alle Länder jetzt ähnliche Maßnahmen ergreifen würden, könne man das Virus eindämmen und Verhältnisse wie derzeit in Großbritannien verhindern:
“Das Virus respektiert keine Landesgrenzen. Dafür gibt es zu viel Mobilität. Wollen wir gut durch die nächsten Monate kommen, müssten jetzt alle Länder an einem Strang ziehen”
Angesichts der Entwicklungen in Großbritannien und der nun bestätigten Fälle der Mutation in Österreich, steigt bei immer mehr Österreichern der Unmut, was die Härte der aktuellen Lockdown-Maßnahmen der Regierung betrifft (Stichwort: Skilifte). Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die Zahlen in den kommenden Wochen des Lockdowns entwickeln. Die Auswirkungen der Weihnachtsfeiertage werden sich, so Anschober, erst zeigen. Auch erneute Diskussionen um eine Schulöffnung im Jänner bahnen sich angesichts dessen, dass vor allem Kinder von der neuen Variante betroffen seien, an.
(mst)
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