Dienstag, Januar 14, 2025

Schallenbergs Kinderbetreuungsstätte bis jetzt nur Show – Lesbos

Lesbos

Weihnachtstag 2020: Außenminister Alexander Schallenberg verkündet grünes Licht für eine Tagesbetreuungsstätte auf Lesbos: „Wirksame Hilfe vor Ort ist ein ganz zentrales Anliegen dieser Bundesregierung“. Drei Monate später ist von der PR-Aktion noch nichts da.

 

Wien, 22. März 2021 | Weil die türkis-grüne Bundesregierung im Herbst 2020 keine Kinder aus den Lagern auf den griechischen Inseln holen wollte, kündigte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in den Tagen vor Weihnachten an, die Vorort-Hilfe zu erhöhen. Auf ausdrücklichen Wunsch von Bundeskanzler Sebastian Kurz, sollte in Kara Tepe II in Zusammenarbeit mit SOS-Kinderdorf eine Tagesbetreuungsstätte für 500 Kinder errichtet werden – die Kosten würde die Bundesregierung tragen. Laut „Standard“ deshalb, weil der Kanzler „gute PR“ brauche. Das Ganze habe rasch zu geschehen, hieß es damals. Vor Weihnachten 2020.

Schallenbergs Weihnachtsgag

Am Weihnachtstag dann die Nachricht Schallenbergs: die griechische Regierung habe grünes Licht gegeben. Der Betreuungsstätte stehe nichts im Wege. Schallenberg gab sich sichtlich erfreut: “Wirksame Hilfe vor Ort ist ein ganz zentrales Anliegen dieser Bundesregierung”. Allerdings: Das türkis-grüne Weihnachtsgeschenk bleibt bislang aus, drei Monate später ist von dem „zentralen Anliegen dieser Bundesregierung“ nichts im Lager angekommen.

Eine österreichische Betreuungsstätte sucht man vergebens. Bilder aus dem Lager, die der “Zeit im Bild” zugespielt wurden, zeigen ein verheerendes Bild im Lager. Für Journalisten und NGOs ist das Filmen von der Lagerleitung untersagt worden. Der Grund dafür ist auch der SOS Kinderdorf-Geschäftsführerin Elisabeth Hauser nicht klar, gegenüber der “ZIB” sagte sie, es gebe bislang keine Begründung.

Corona verschlimmert Situation

In den Lagern ist der Zustand weiter katastrophal. 2.000 Kinder leben derzeit in Kara Tepe II. Einen Container, wie ihn die Bundesregierung als Betreuungsstätte planen will, in das Lager zu stellen, sei laut Hauser unvorstellbar. Denn der Container würde aufgrund der feuchten und menschenunwürdigen Zustände schlichtweg versinken. Zwar habe man zwischenzeitlich 30 Kindern in ein anderes Lager gebracht – dort habe es zumindest Essen, Schule und ein funktionierendes WC gegeben. Damit ist jetzt aber Schluss, denn aufgrund der Covid-Situation darf niemand mehr das Lager verlassen. 7.000 Menschen leben insgesamt in Kara Tepe II. Hausers Vorschlag deswegen: Man könne stattdessen jederzeit 50 Kinder in Österreich unterbringen. Nach einiger Zeit auch bis zu 100, bekräftigte sie ein schon früher geäußertes Angebot in Richtung Bundesregierung, das die ÖVP aber bisher ablehnte.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erteilte dem Angebot auch diesmal wenig überraschend eine Absage. “Wir haben eine klare Linie, dass wir vor Ort helfen”, so Schallenberg am Montag am Rande des EU-Außenministerrates in Brüssel. Damit würden auch “sehr viel mehr Menschen erreicht” werden. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Situation auf Lesbos “unerträglich” sei und “in Wirklichkeit überhaupt keine Lager dieser Art auf europäischem Boden existieren sollten”.

Dass das Projekt noch lange nicht seinen Soll-Status erreicht hat, sei vor allem der Pandemie geschuldet. “Auch wir sind unzufrieden mit der Situation vor Ort”, so Schallenberg. Mit SOS-Kinderdorf arbeite man aber “sehr gut” zusammen.

Krisper nimmt Schallenberg in die Pflicht

NEOS-Asylsprecherin Stephanie Krisper sieht den Außenminister in der Pflicht: “Es braucht eine nachhaltige Lösung für diese menschenunwürdigen Zustände auf europäischem Boden. Als ersten Schritt muss sich Außenminister Schallenberg unbedingt für eine Erneuerung des EU-Türkei-Deals einsetzen. Denn nur so können wir die Situation weg von Chaos in Richtung Kontrolle bringen, in der auch das Recht auf Asyl und die Menschenrechte gewahrt werden.”

Auch die Inszenierung der Bundesregierung auf Kosten der Menschen in den Lagern stört die NEOS-Abgeordnete: “Gleichzeitig muss die Bundesregierung aber auch endlich aufhören auf Kosten vulnerabler Kinder Eigenwerbung zu betreiben und anfangen, wirklich zu helfen- durch die Aufnahme von Kindern und Familien aus größter Not von den Insellagern und das Einmahnen humaner Zustände.“

(bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

72 Kommentare

72 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Kanzler Kickl?

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!