Haltung zeigen
In der Redaktion von ZackZack ist immer etwas los. Den wöchentlichen Einblick gibt diesmal Julia Zander.
Wien, 10. April 2021 | Haltung zeigen ist wichtig. Dafür stehen wir bei ZackZack. Doch mindestens genauso wichtig seid auch ihr, unsere Leserinnen und Leser. Wir freuen uns sehr darüber, dass ihr uns eure klare Meinung sagt, das sieht man vor allem in unserer mittlerweile etablierten Kommentarfunktion.
In der heutigen Krisenmodus-Ausgabe möchte ich etwas persönlicher werden. Es geht um ein Thema, das mich diese Woche sehr beschäftigt hat: Sexuelle und körperliche Gewalt an Frauen. Ja, kein schönes, sondern ein sehr bedrückendes Thema. Dennoch dürfen wir das Thema nicht einfach von uns wegschieben und wegsehen.
Letzten Mittwoch ging ich zu der Demonstration gegen Femizid. Zuvor war diese Schlagzeile durch die Medien gegangen: “Trafikantin in Wien angezündet. Täter: Ihr Ex-Mann”. Des Weiteren wurde erwähnt, dass es sich bei dem Ex-Mann um einen 47-jährigen Ägypter handle, klassische Berichterstattung. Doch habe ich mich danach gefragt: Was passiert, wenn man die Herkunft dieses Mannes nicht erwähnt, weil es um etwas anderes geht?
Der von mir geschriebene Artikel über Femizid und sexuelle Gewalt gegen Frauen stieß auf viel Kritik – ganz legitim, denn wie schon gesagt: Die Meinung frei äußern können, ist uns wichtig. Im Vordergrund der meisten Kritik stand die Frage, warum die Herkunft des Mannes weggelassen wurde.
Auf der Demonstration hat mir eine Aktivistin einen wichtigen Gedankenanstoß gegeben. Bei jeder Medienberichterstattung über häusliche Gewalt und Femizid ginge es immer primär darum, woher der Mann komme, der seine (Ex-) Frau verprügelte oder gar tötete. Wenn der Mann dann aus einem südeuropäischen oder nordafrikanischen Land stamme, werde sehr schnell Rassismus geschürt. Es ginge dann fast nur darum, dass der Mann aus einer anderen Kultur stamme.
Warum die Herkunft weggelassen wurde
Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Straftäter stellt sich jedoch immer die Frage, worin der Nachrichtenwert für die Öffentlichkeit liegt.
Ein kleiner Exkurs: Leitsätze für die Nennung der Herkunft bietet der österreichische Presserat. Bei der Berichterstattung über Straftaten ist für uns Journalistinnen und Journalisten darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt.
Der Senat des Presserates mahnt daher zu mehr Zurückhaltung und Sensibilität. Die bloße Nennung der Herkunft von Straftätern kann bei manchen Lesern eine negative Einstellung und Rassismus gegenüber der betroffenen Gruppe hervorrufen – wodurch also Vorurteile geweckt oder verstärkt werden können.
Ich hatte mich also bewusst dazu entschieden, die Nennung der Herkunft wegzulassen. Aus einer Motivation: Die Aufmerksamkeit auf das eigentliche Problem zu lenken.
„Eifersuchtsdrama“
Letztes Jahr tötete ein Mann in Deutschland seine Ex-Partnerin in ihrer Wohnung mit 29 Messerstichen. Die sechsjährige Tochter der Frau war zur Tatzeit in der Wohnung. Die Schlagzeile: „Eifersuchtsdrama“. Medien oder Politik verharmlosen Femizide so jeden Tag. Das Wort „Drama“ ist aus meiner Sicht stark verharmlosend. In einem Drama kommt der Held oder der Protagonist unverschuldet in eine Misere. Dieser Mann, der seine Frau tötete, ist nicht unverschuldet in diese Misere geraten. Er verhielt sich aktiv gewaltvoll.
Täter kommen mit der Drama-Argumentation oft mit milderen Strafen davon. Dadurch, dass der Täter mit der Frau in einer Beziehung war, wird die Ursache der Tat in die vier Wände des Paares geschoben – und mit der ethnischen oder religiösen Herkunft quasi begründet. Anschließend heißt es dann: „Das habt ihr davon, Ausländer aufzunehmen.“
Sexuelle und körperliche Gewalt passiert überall
Auch ich habe sexuelle und körperliche Übergriffe erfahren – auch von westeuropäischen Männern. Es passiert überall, in allen Formen. Wenn ich mit Frauen aus meinem Bekanntenkreis spreche, hat jede zweite sexuelle und körperliche Übergriffe erfahren. Es ist mir ein persönliches Anliegen, nicht mehr zu schweigen und einfach wegzusehen. Ich bin daher froh, in einer Redaktion arbeiten zu können, die klare Haltung zeigt:
Wir schauen nicht weg.
Titelbild: APA Picturedesk