“Parteitaktik” habe Pandemiebekämpfung behindert
Rudi Anschober trat am Freitag Vormittag vor die Presse. Der Gesundheitsminister gab seinen Rücktritt bekannt.
Wien, 13. April 2021 | Gesundheitsminister Rudi Anschober trat am Dienstag um 09:40 im Ministerium am Stubenring vor die Presse. Der Grünen-Politiker gab seinen Rücktritt als Minister bekannt. Seine 15 Monate im Amt hätten sich angefühlt wie 15 Jahre, sagte Anschober. “Ich habe mich dazu entschieden, meine Funktion als Minister niederzulegen”, erklärte Anschober. Werner Kogler wird ihn vertreten, bis sein Nachfolger angelobt sei.
Die Coronapandemie habe “unser aller Leben völlig verändert – auch meines”. Das Gesundheitsministerium sei über Nacht zur Steuerungszentrale der Pandemiebekämpfung geworden. Viele geplante Vorhaben rückten dadurch in den Hintergrund. “Ich habe alles gegeben”, sagte Anschober – mehr, als an Kraft da gewesen sei.
“Ein Team von Freundinnen und Freunden”
Anschobers Gesundheitszustand ist angeschlagen, zuletzt musste er mehrmals im Krankenhaus behandelt werden. Es gäbe keine organischen Schäden. Anschober sprach aber über seine “Burnout-Erkrankung” vor neun Jahren. Das sei mit der jetzigen Situation nicht vergleichbar. Nun sei er schlicht so überarbeitet, dass er beschlossen habe, die “Notbremse” zu ziehen.
Die Republik brauche derzeit einen Gesundheitsminister, der “zu 100 Prozent fit ist.” Die Pandemie mache keine Pause, also könne auch der Gesundheitsminister keine machen. Anschober bedankte sich sehr emotional bei seiner Mitarbeitern. Sie seien ein “Team von Freundinnen und Freunden” gewesen.
Kritik an Türkisblau
“Weder die Europäische Union, noch irgendein Mitgliedsstaat waren auf die Situation vorbereitet”, sagte Anschober – “auch Österreich”. Das gelte insebsondere für das eigene Minsiterium. Die “vorvorige Regierung”, also das Kabinett Kurz I habe ein Haus hinterlassen, das nicht “krisenfit” gewesen sei. Anschober habe zunächst das Ministerium umstrukturieren müssen.
Der Grünen-Minister hatte in den vergangenen Monaten auch mit Angriffen des Koalitionspartners ÖVP zu kämpfen, zuletzt besonders im Zusammenhang mit der vom Finanzministerium auferlegten Obergrenze beim Impfstoffbudget.
“Parteitaktik”
Am Höhepunkt der Coronakrise ware Anschober laut Umfragen zeitweilig das beliebteste Regierungsmitglied gewesen. In den den vergangenen Monaten nahm die Zustimmung zu seiner Arbeit jedoch stark ab. Anschober wurde vorgeworfen, sich nicht gegen den Koalitionspartner und die mächtigen Landeshauptleute durchsetzen zu können.
Zu diese Kritik nahm Anschober Stellung. Er habe stets das Einvernehmen gesucht. Der scheidende Minister deutete aber auch innerkoalitionäre Konflikte an. In seinem Handeln sei er dadurch beschränkt gewesen, innerhalb der Regierung Übereinstimmung schaffen zu müssen. “Parteitaktik” habe die Krisenbekämpfung behindert.
Lob für Ludwig
“Jeder macht Fehler” erklärte Anschober und nahm sich selbst nicht aus. Österreich sei gut durch die erste Welle gekommen. In der zweiten hätte der Zusammenhalt aber abgenommen, die Pandemie hätte das Land zunehmend gespalten. In der dritten Welle seien die Interessenkonflikte sehr stark geworden. Das habe Anschober viel Kraft geraubt. “Ich habe mich oft alleine gefühlt”, sagte Anschober. Ausdrücklich bedankte er sich jedoch bei Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Er sei eine “sensationelle Unterstützung” gewesen.
Anschober freue sich darauf, “irgendwann” einen politischen Roman schreiben zu können.
(tw)
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