“Wir wollen Gleichbehandlung”
Sexarbeiterinnen sind wegen der Coronakrise in einer zunehmend prekären Lage. Shiva Prugger arbeitet als Domina und will nicht länger zusehen, wie ihr Geschäft zerbricht.
Wien, 20. April 2021 | Die Rotlicht-Branche leidet unter den Corona-Maßnahmen. Bordelle und Laufhäuser sind seit November durchgehend geschlossen. Auch das Geschäft mit Hausbesuchen und Escort-Service, das auch während der Lockerungen aufgrund mangelnder Geschäftsreisenden und geschlossenen Hotels nur sehr schlecht anlief, ist durch den harten Lockdown seit Ostern nicht mehr erlaubt.
Branchenvertreterin fordert rasche Impfung
Seit dem Sommer des letzten Jahres haben Österreichs Sexarbeiterinnen eine Interessensvertretung, die “Berufsvertretung Sexarbeit Österreich” (BSÖ). Diese forderte am Montag via Twitter, dass die etwa 8.000 Personen, die offiziell in der Branche in Österreich tätig sind, so bald wie möglich eine Möglichkeit zum Impfen bekommen sollen.
Warum können sich nicht jetzt schon Sexarbeiter*innen impfen lassen, damit wir dann in einigen Wochen als körpernahste nicht-med. Dienstleister safer arbeiten können? Das wären "nur"
ein paar tausend Dosen. @WolfgangMueckst @mariodujakovic pic.twitter.com/uZ2WrfnmR7— Berufsvertretung Sexarbeit Österreich (BSÖ) (@SexarbeitBso) April 19, 2021
“Warum können sich nicht jetzt schon Sexarbeiter*innen impfen lassen, damit wir dann in einigen Wochen als körpernahste nicht-med. Dienstleister safer arbeiten können?”,
heißt es darin. Verlinkt wurden dabei der neue Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und der Sprecher vom Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, Mario Dujakovic.
Verfasserin des Postings ist die Obfrau des BSÖ selbst, Shiva Prugger. Sie betreibt ein eigenes Domina-Studio in Wien und hatte nach dem ersten Lockdown die Idee, sich in der schweren Zeit für ihre Branche stark zu machen.
“Man sieht ja, dass die, die am lautesten schreien, wahrgenommen werden. Und das war in unserer Branche bis jetzt weniger der Fall”,
sagt Prugger zu ZackZack.
Immer mehr arbeiten illegal
Die Branche drifte nach und nach in die Illegalität ab, so Prugger weiter. Die Situation der zu 90 Prozent aus dem Ausland stammenden Sexarbeiterinnen sei bereits derart prekär, dass viele keine andere Möglichkeit sehen, als ihre Dienste illegal anzubieten.
“Nach mehreren Monaten Lockdown ist natürlich davon auszugehen. Bevor sie sich Essen oder Miete nicht mehr leisten können, müssen sie das machen. Auch wenn sie sich davor an die Regeln gehalten haben.”
Möglichkeiten für Freier, auch im Lockdown zu illegalen Dienstleistern zu kommen, gäbe es zuhauf.
Ein großer Teil der Sexarbeiterinnen in Österreich sei aus Mangel an Jobaussichten zurück in die Heimat gefahren. Einige hätten sich komplett aus der Branche zurückgezogen.
Shiva Prugger ist Domina und betreibt ihr eigenes Studio in Wien. Die Vertretung der ganzen Sex-Branche nimmt sie aus Mangel an Alternativen nun selbst in die Hand. (Bild: Shiva Prugger)
“Brauchen nur paar Tausend Dosen”
Mit dem immer länger andauernden Lockdown spitzt sich die Situation nach und nach zu. Prugger will deshalb nicht länger warten und fordert eine Gleichbehandlung mit anderen körpernahen Dienstleistern. Schließlich sei die Branche “die körpernaheste, nicht-medizinische Dienstleistung”. Dass also Friseure wie zuletzt für bestimmte Zeit unter strengen Auflagen aufmachen durften, Prostitutionslokale jedoch nicht, findet sie ungerecht. Das war bis jetzt darauf zurückzuführen, dass die Arbeitsplätze von Sexarbeiterinnen, also Bordelle, Studios, etc., als Freizeiteinrichtungen gelten und daher geschlossen bleiben mussten.
Damit die vielen Sexarbeiterinnen sobald wie möglich wieder sicher ihrem Geschäft nachgehen können, fordert Prugger eine schnelle Impfung für jene Dienstleisterinnen, die das möchten. Der Aufwand wäre laut Prugger überschaubar, man benötige nur ein paar Tausend Dosen.
Auch Prugger selbst bekommt regelmäßig Anfragen ihrer Kunden. Illegal ihr Studio aufzusperren, ist für sie jedoch kein Thema. Bevor sie nicht geimpft ist, sei es ihr ohnehin zu riskant, ihre Dienstleistungen als Domina anzubieten.
Körpernahe Dienstleister ab Ende Mai dran
Sowohl das Gesundheitsministerium als auch die Stadt Wien haben bereits zur Forderung Stellung bezogen. Das Ministerium verweist darauf, dass derzeit jene Personen, die ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben, also Personen über 65 Jahren und Risikogruppen, Vorrang haben. Körpernahe Dienstleister und Personen in Arbeitsverhältnissen oder Betätigungsfeldern, die eine Virusübertragung begünstigen, können ab Ende Mai priorisiert werden, heißt es. Aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Hacker heißt es, dass man derzeit noch die Impfstofflage abwarte. Man müsse anhand des vorhandenen Impfstoffs priorisieren.
Aufgrund der prekären Lage fordert Prugger, dass die Sexarbeiterinnen spätestens gemeinsam mit den anderen körpernahen Dienstleistern geimpft werden, spricht sich aber gegen einen Impfzwang aus. Dieser könnte, wie sie befürchtet, jedoch indirekt für viele in der Branche kommen. Denn Bordell- und Laufhausbetreiber könnten in Zukunft beschließen, nur noch geimpfte Damen bei sich arbeiten zu lassen.
(mst)
Titelbild: APA Picturedesk