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Löger & Mahrer trafen ÖVP-Großspender bei Edelrotwein – Wie Privates mit Geschäftlichem vermischt wurde

Eine gepflegte Abendrunde im Anwesen von „Falstaff“-Herausgeber Wolfgang Rosam bringt Amtsträger in Erklärungsnot. War es eine private Weinprobe unter Freunden oder ein offizielles Event? Die Beteiligten sind sich uneins. Brisant ist auch die Konstellation aus ÖVP-Vertretern und deren Financiers.

Benjamin Weiser und Hans-Martin Tillack

Wien, 27. April 2021 | Drei Tage vor Weihnachten 2018 bittet Wolfgang Rosam, der Herausgeber des Genussmagazins „Falstaff“, zu Tisch. Eine Wein-Jury soll für das Magazin teure Tropfen bewerten. Die illustre Runde besteht nicht aus Profi-Sommeliers, sondern aus politischen Amtsträgern, Managern und Investoren. Komisch nur, dass die „Falstaff“-Leser nichts davon erfahren werden, wie hochkarätig die Jury in diesem Fall besetzt ist. Sie werden nur von Chefredakteur Peter Moser lesen.

Großspender und Spendennehmer als Wein-Jury

„Lieber Markus!“, schreibt Rosam an Markus Braun, ÖVP-Großspender und mittlerweile inhaftierter Wirecard-CEO. „Ich freue mich sehr über Deine fixe Zusage bei meiner WEIHNACHTSDEGUSTATION ‚Bordeaux-Granaten‘ & ‚Taste of California‘ am Freitag, 21. Dezember um 19.00 Uhr bei mir zu Hause in Wien 13, (…)“. Für Braun ist das praktisch, er lebt nur wenige Gehminuten von Rosams Schloss-ähnlichem Anwesen entfernt. Auch Alexander Schütz, ebenfalls ÖVP-Großspender und im Zuge der Wirecard-Affäre später unter Druck geraten (Schütz an Braun wegen der „Financial Times“-Berichte: „Macht diese Zeitung fertig!!;-)), ist eingeladen.

Rosam und die beiden ÖVP-Großspender Braun und Schütz kennen sich bestens. Mal waren die drei zum entspannten Grill-Nachmittag eingeladen – „Kinder und Kindermädchen“ seien willkommen; mal bat man zum Abendessen mit Champagner der Marke Dom Perignon und anderen Getränken, die zumindest teilweise “der Alex aus seinem Keller mitnehmen wird“. Offenbar handelt es sich um einen festen Freundeskreis, wie auch Berichte von „Stern“ und „Capital“ über diese Treffen zeigen. Ein ehemals enger Mitarbeiter von Braun erzählt ZackZack von „mindestens sechs bis sieben Treffen“ bei Rosam mit Braun und Schütz. Immer dabei: Wein. Fast nie dabei: Frauen. So auch am Abend des 21. Dezember 2018.

Teil der „Falstaff“-Jury sind neben Managern wie Siemens-General Wolfgang Hesoun auch Amtsträger der Republik: der damalige Finanzminister Hartwig Löger sowie Nationalbank-Präsident Harald Mahrer, der gleichzeitig auch Präsident der Wirtschaftskammer (WKO) und des ÖVP-Wirtschaftsbundes ist. Mit Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, Trump-Botschafter Trevor Traina und weiteren Herren teilen sie offenbar die Vorliebe für luxuriöse Getränke.

Rosam verteidigt Lögers Teilnahme

Laut Suchplattform „Wine Searcher“ ist eine Flasche Château Margaux 1900 um knapp 10.000 Euro weitweitem Durchschnittspreis erhältlich.

Heikel ist das vor allem für Löger. Ließ sich der damalige Finanzminister bei der Weihnachts-Degustation „anfüttern“? Immerhin verkostete er unentgeltlich Weine zu einem pikanten Zeitpunkt: der „Falstaff“, das ergab eine Anfrage von SPÖ-Politiker Philip Kucher, bekam von Lögers Finanzministerium ausgerechnet im 4. Quartal 2018 Inserate in Höhe von 13.708 Euro. Löger war für eine Stellungnahme nicht erreichbar, ebensowenig das Finanzministerium.

Auf ZackZack-Nachfrage geht Rosam in die Offensive: „Ich mache seit 15 Jahren Weinverkostungen in unterschiedlichsten Runden, das ist auch Teil meines Jobs als Herausgeber des Falstaff.“ Darauf sei er stolz, er habe sich etwas aufgebaut, ohne Medienförderung und mit eigenem Geld. Immerhin sei der “Falstaff” im deutschsprachigen Raum das bedeutendste Wein-Medium. Der “Falstaff” bezahle die Weine, allerdings nicht zum auf einschlägigen Websites angegeben Preis. Teilweise beziehe man die Weine von Händlern, der “Falstaff” sei ja dazu da, um die Tropfen zu bewerten. Davon hätten auch die Händler was. „Compliance-mäßig ist das alles in Ordnung, wir haben das auch mit dem Finanzministerium vor Jahren geklärt“, sagt Rosam, angesprochen auf die Teilnahme von Hartwig Löger.

Theoretisch sei man ohne entsprechende Klärung immer über der Compliance-Grenze, deshalb werde das im Vorhinein besprochen. „Ich will meinen Gästen ja keinen Ärger bereiten.“ Rosam beruft sich darauf, dass ihm vor circa zehn Jahren der damalige Sektionschef im Finanzministerium, Wolfgang Nolz, die Unbedenklichkeit der hochpreisigen Weinverkostungen bescheinigt habe. Sicher ist: Nolz ist vom Fach. Bereits im Jahr 2001 nannte der „Standard“ den Beamten einen „gourmetsinnigen Bordeaux-Sammler“, dessen „Weinkeller über die ganze Stadt verstreut seien”. Autor des Artikels: Wolfgang Rosam.

Ähnliche Degustationsevents wie im Dezember 2018 veranstaltete Rosam offenbar auch im Dezember 2019, wie auch in den jeweiligen Weihnachtstagen der Vorjahre. „Falstaff“-Chefredakteur Peter Moser erwähnte bereits im Dezember 2013 auf seiner Facebook-Seite eine Verkostung von Weinen, die „fast alle unerschwinglich“ seien – für „eine Runde von versierten Bordeaux-Kennern“.

Privat und offiziell

Merkwürdig ist, dass Rosam einerseits betont, bei der Weihnachts-Degustation im Dezember 2018 habe es sich um eine offizielle Veranstaltung gehandelt. Andererseits spricht er davon, dass die Teilnehmer als „Privatpersonen“ teilnehmen. Die ehrenamtliche Jury bestehe aus Menschen, „die etwas von Wein verstehen“. Und: „Unsere Leser interessiert nur das Resultat und nicht die Jury. Deshalb haben wir diese auch nicht veröffentlicht“, so Rosam auch Nachfrage.

Bei Weinkenner Harald Mahrer scheint es so, als hätte er den offiziellen Charakter der Veranstaltung nicht ganz mitbekommen. Seine WKO-Sprecherin ließ wissen: „Harald Mahrer hat an diesem compliancegeprüften Termin als Privatperson auf Einladung des Falstaff-Herausgebers als Jurymitglied teilgenommen.“ Aus der Presseabteilung seines anderen Arbeitgebers, der Nationalbank, sind noch etwas weniger Compliance-Bedenken zu vernehmen: „Mit der OeNB hatte die Teilnahme unseres Präsidenten des Generalrates bei dem genannten Event nichts zu tun. Es handelte sich um eine private Einladung des Herrn Rosam an Herrn Dr. Mahrer.“ Damit seien alle Fragen beantwortet.

Siemens-Chef nahm „offizielle Repräsentationsaufgaben“ wahr

Der österreichische Siemens-Manager Wolfgang Hesoun sieht sich ebenso mit Compliance-Fragen konfrontiert. Ist die Konsumation derart teurer Weine mit den sogenannten Business Conduct Guidelines von Siemens vereinbar? Immerhin wird Hesoun im Einladungsschreiben als CEO Siemens CEE aufgeführt. Auf der Siemens-Webseite steht: “Wir tolerieren keine Form der Korruption im Rahmen unserer Geschäftstätigkeit.” ZackZack hat daher auch an den globalen Siemens-Chef Roland Busch und die weltweite Verantwortliche für Compliance, Martina Maier, Anfragen gerichtet. Hesoun muss als angestellter Generaldirektor an die deutsche Konzernspitze berichten.

Laut Siemens Österreich-Sprecherin Katharina Swoboda, vorher im Kabinett von ÖVP-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, habe Hesoun an der Weinverkostung in Wahrnehmung seiner offiziellen Repräsentationsaufgaben als Generaldirektor von Siemens teilgenommen: “Die Teilnahme an Veranstaltungen zählt grundsätzlich zu den Aufgaben eines jeden CEOs, wie auch die Diskussion mit Entscheidungsträgern und Stakeholdern.” Offenbar betrachtet Siemens die Luxus-Weinverkostung anders als Mahrer nicht als Privatrunde. Durch die „sehr strengen Compliance-Richtlinien“ stelle man sicher, „dass unser Geschäft in vollem Umfang mit Recht und Gesetz, sowie unseren darüber hinaus gehenden internen Prinzipien in Einklang steht. Die Business Conduct Guidelines gelten ohne Einschränkungen für alle MitarbeiterInnen des Siemens-Konzerns.“ Unsere Nachfrage zu möglichen Geschäftsbeziehungen zwischen Siemens und Rosam blieb unbeantwortet. Rosam dementiert: er habe für Hesoun nur zu dessen Zeit bei Porr ein Mandat gehabt.

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Ben Weiser

    Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4

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