Hypo-Haider, Grasser-Schüssel, Benko-Kurz – es passiert immer wieder. Von Bankenaufsicht bis Zeitungen kann man sich bei Österreichs Kontrolle auf eines verlassen: dass sie versagt.
Es gibt die Geschichte vom Wilderer, der am Waldrand vom Jäger gestellt wird. Der deutet auf das Reh über der Wilderer-Schulter. Der Wilderer, entsetzt: „Jessas, a Reh!“ So entdecken jetzt plötzlich viele den Benko auf ihren Schultern. Nur – im Gegensatz zum Wilderer haben sie ihn nicht geschossen, sondern gehypt.
Viele Komplizen, ein Zwilling
Allein hätte Benko sein Kartenhaus nie aufbauen können. Seine Komplizen saßen in seinen Aufsichtsräten, an den Spitzen der Banken, in Finanzministerium und Finanzmarktaufsicht, in Parteien wie der ÖVP und in den Chefetagen von „Kurier“ bis „Presse“ und vielen anderen Zeitungen. Seine rechten Hände – das waren die verlässlichen Aufsichtsräte Alfred Gusenbauer, Ex-Raiffeisen-Bankchef Karl Sevelda, Ex-Unicredit-Chef Karl Samstag und Susanne Rieß-Hahn; Finanzministeriums-Sektionschef Eduard Müller, der als „Edi“ einiges richtete; Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek und seine OStA-Chefin, die Benko-Verfahren wie das rund um das „Chalet N“ am Arlberg „daschlogn“ ließen; und Thomas Schmid, der gleich unter dem Finanzminister alles für Benko richtete.
Sebastian Kurz war Benkos Zwilling in der Politik und damit mehr als eine Hand, die die andere wäscht. Beide standen an der Spitze ihrer Häuser, die sie Karte für Karte hoch gestapelt hatten. Dazu kamen die Mitläufer, die Groupies, die sich beim Törggelen drängten und Benko Kastanien und Erfolgsgeschichten aus der Hand rissen.
Sand in den Augen
Heute, wo Benko am Boden liegt, durchschauen ihn alle. Aber im Oktober 2020 waren sie blind, taub und begeistert. Damals veröffentlichte der Innsbrucker Universitätsprofessor Leonhard Dobusch bereits alles, was man über Benkos brandgefährliche Spekulationen wissen musste. Dobusch zeigte, wie Immo-Werte aufgeblasen wurden, damit neue Karten für das wackelige Benko-Haus gekauft und Hunderte Millionen ins Privatvermögen verschoben werden konnten.
Wer es wissen wollte, musste nur lesen. Statt dessen wurde Sand in die eigenen Augen gestreut und mitgejubelt.
Die erste Frage
Das ist die erste Frage, die noch offen ist: Warum haben von Bankenaufsicht bis Zeitungen und ORF alle versagt? Warum ist keine einzige Bremse rechtzeitig gezogen worden? Warum passiert das in Österreich immer wieder – bei Hypo und Haider, bei Grasser und Schüssel, bei Benko und Kurz?
Warum sitzt Eduard Müller als Beschuldigter Nr. 12 im großen CASAG-Verfahren der WKStA noch immer an der Spitze der Finanzmarktaufsicht? Warum ist für „Kurier“-Chefredakteurin Martina Salomon auch heute am Sonntag der Kurz-Absturz noch immer ein „erzwungener Abgang“? Warum können Jubel-Journalisten nach wie vor mit staatlicher Presseförderung und Regierungsinseraten alles, was türkis schillert, schönschreiben?
Verlorenes Pensionsgeld
Die Milliarden, die bei Benko investiert und verloren wurden, haben sich nicht in Luft aufgelöst. Sie finden sich im Privatvermögen von Benko und seinen Komplizen – und in den roten Zahlen der kleineren Anleger.
Das deutsche „Manager-Magazin“ beschreibt die erste Verlierergruppe: „Verwalter von Betriebsrenten und berufsständischen Pensionskassen haben das Geld ihrer Mitglieder mit hochriskanten Bauprojekten verspekuliert.“ Damit private Pensionskassen ihren Verpflichtungen nachkommen können, mussten sie schon vor dem großen Inflationsschub rund vier Prozent Rendite erwirtschaften. Die Privatisierung des Pensionssystems zwingt zur Spekulation.
Nicht wenige von ihnen haben auf hochgehypte Prestige-Immobilien gesetzt. Dort liegt jetzt das verlorene Pensionsgeld. Zu den Pensionisten kommen die Arbeitslosen von Kika/Leiner bis Kaufhof, die jetzt wissen, was passiert, wenn sich ein Immobilienhai eine Warenhauskette vornimmt.
Zeit der Opfer
Mit dem Zusammenbruch beginnt die Zeit der Opfer. Alfred Gusenbauer drängt sich mit seinen Forderungen über 6,3 Millionen Euro schon in die erste Reihe. Die Banken, die bereits an der Basel-Grenze zittern, werden kein Problem haben, es sich mit Hilfe ihrer Partei zu richten. Aber wer vertritt geprellte Pensionistinnen und verratene Mitarbeiter?
Wahrscheinlich wird auch im Fall „Benko“ nach dem Größenprinzip vorgegangen. Zuerst rettet man die Großen. Was übrig bleibt, kann dann an die verteilt werden, die immer verlieren: als Hauptopfer bei der Inflation, die keine Regierung so schlecht bekämpft wie die in Österreich; als Steuerzahler bei „Bankenrettungen“; und als Benko-Opfer letzter Klasse.
Daher ist die zweite Frage auch diesmal rein rhetorisch: Wer bezahlt am Ende die Rechnung?