Nach Gerichtsurteil gegen Tomaselli
Infolge einer Anzeige im Kontext des Ibiza-U-Ausschuss muss der Grüne Klub 7.000 Euro Entschädigung wegen übler Nachrede zahlen. Die ÖVP nützte das nicht rechtskräftige Urteil, um eine Attacke zu lancieren.
Wien, 19. Mai 2021 | Der grüne Parlamentsklub wurde am Dienstag am Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen übler Nachrede verurteilt. In dem medienrechtlichen Verfahren wurde den Grünen vorgeworfen, bei Aussendung einer Pressemitteilung die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. Markus Braun, Vorstand der Sigma Investment AG und Schwager von Ex-Casinos-Vorstand Peter Sidlo, bekam 7.000 Euro Entschädigung zugesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Bankendeal
Markus Braun, der bis zur Veröffentlichung des Ibiza-Videos in mehreren FPÖ-Vereinen Funktionen bekleidet hatte, klagte eine Presseaussendung der grünen U-Auschuss-Fraktionsführerin Nina Tomaselli, in der eine Anzeige gegen Braun angekündigt wurde. Nach seiner Befragung im U-Ausschuss am 12. Jänner 2021 zeigte Tomaselli Braun wegen Falschaussage an. Es sei die Unwahrheit, wenn er eine FPÖ-Involvierung rund um den Deal einer Wiener Privatbank bestreite.
Unter Verweis auf Chat-Verläufe zwischen dem früheren FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und Peter Sidlo erklärte Tomaselli, es bestehe der begründete Verdacht, dass eine FPÖ-Beteiligung “sehr wohl der Fall gewesen sein könnte und dass auch Braun davon Kenntnis gehabt haben könnte”.
Für Gericht kein konkreter Tatverdacht
Tomaselli bzw. der Grüne Klub hätten “einen sehr konkreten Tatverdacht kommuniziert. Der war in diesem Zeitpunkt aber nicht vorhanden”, stellte dazu nun Richterin Nicole Baczak fest. Wenn man jemandem eine wissentliche Falschaussage vorwerfe, bedürfe es einer konkreten Verdachtslage. Die Grünen hätten mit ihrer Presseaussendung überdies auch gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen, meinte Baczak.
Zuvor hatte Braun der Richterin geschildert, die Aussendung habe für ihn und sein im Wertpapiergeschäft tätiges Unternehmen eine existenzielle Bedrohung dargestellt: “Die Unbescholtenheit ist ein ganz wesentliches Kriterium für die Erhaltung der Konzession.” Indem man ihm ein strafbares Verhalten unterstellte, habe er den Entzug der Konzession durch die Finanzmarktaufsicht befürchten müssen.
Noch deutlicher wurde Brauns Rechtsvertreter Oliver Scherbaum: “Mittlerweile ist es gang und gäbe, politisches Kapital daraus zu schlagen, indem man Auskunftspersonen im U-Ausschuss verleumdet”. Sein Mandant habe “niemals die Unwahrheit gesagt”, die von den Grünen behauptete Verdachtslage sei “frei erfunden.“
Den Ball nahm der ÖVP-Parlamentsklub direkt auf, um den Koalitionspartner zu attackieren. Während die Grünen medienrechtlich wegen übler Nachrede verurteilt wurden, rückte die ÖVP Nina Tomaselli in ein strafrechtlich relevantes Licht. Indirekt verlangte man aufgrund der Fehlinterpretation gleich den Rücktritt von der grünen Abgeordneten. Denn diese habe am Sonntag im ORF „Im Zentrum“ „die Grenze in der Politik“ beim „Strafrecht“ gesetzt, so der Tenor. Strafrechtlich wurde der Grüne Club, anders als vom ÖVP-Klub kommuniziert, nicht verurteilt.
Abgeordnete verteidigt Vorgehen
Für Tomaselli sei die Aussage “Anlass genug gewesen, dass es seitens der Staatsanwaltschaft überprüft werden könnte”. Für sie habe die Verdachtslage bestanden, “dass die Angaben Brauns nicht mit dem übereinstimmen, was die Akten hergeben könnten”. Eine mögliche Intervention von FPÖ-Funktionären in den Banken-Deal sei aus den Chat-Protokollen abzulesen, bei “lebensnaher Betrachtung” sei davon auszugehen, dass Braun davon gewusst habe. Die Grünen haben Berufung angekündigt.
(ot/apa)
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