Das ist ein Unterüberschrift
Es ist ein Abbild der türkisgrünen Koalition im Kleinen: Die zögerliche Justizministerin macht einen winzigen Schritt in die richtige Richtung, der lautstarke Innenminister jubelt ihr eine rechtspopulistische Maßnahme unter.
Thomas Walach
Wien, 28. Mai 2021 | Die Reform des Maßnahmenvollzugs weckt Erinnerungen an jene der Strafprozessordnung. In dieses Gesetz hatten das Innenministerium und Beamte aus der Legistik-Sektion des suspendierten Christian Pilnacek ein de facto-Verbot von Hausdurchsuchungen bei Behörden geschmuggelt. Ohne die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft wären sie damit auch durchgekommen.
Nun steht eine Reform des Maßnahmenvollzugs an – endlich. Was mit psychisch kranken Rechtsbrechern in Österreich passiert, ist eines Rechtsstaats unwürdig. Menschen sitzen für Bagatelldelikte Jahre oder Jahrzehnte hinter Schloss und Riegel, ohne zu wissen, ob und wann sie wieder frei sein werden. Therapie gibt es praktisch nicht.
Schon Justizminister Wolfgang Brandstetter hatte eine Reform geplant, sie blieb auf der Strecke. Nun will seine Nachfolgerin Alma Zadic wenigstens ein Reförmchen wagen. Auftritt Nehammer: Der ÖVP-Innenminister will, was auch sein Amtsvorgänger Kickl wollte, Sicherungshaft nämlich. Die steht auch im Koalitionsabkommen, hätte aber keine Chance auf Umsetzung. Jemanden auf Verdacht jahrelang einzusperren – das gibt Österreichs Verfassung nicht her.
Also legt Nehammer seiner grünen Amtskollegin Zadic ein Kuckucksei ins Nest. Er will “Gefährder” künftig bis zu zehn Jahre lang einsperren und rechtfertigt das mit dem Terroranschlag vom 2. November. Dass seine eigene Untersuchungskommission und sämtliche Strafrechtsexperten des Landes Nehammer davon abraten, und ihn auffordern, stattdessen doch erst einmal die bereits bestehenden Mittel anzuwenden, kümmert ihn nicht – ebensowenig wie offenbar Alma Zadic.
Observationen zu aufwändig
Nehammer sagt, es sei zu aufwändig, Terrorverdächtige zu observieren. Das ist ein Armutszeugnis für Österreichs Behörden. Ein richtiger Sicherheitsapparat würde Terrorverdächtige beobachten, ihre Netzwerke infiltrieren, Beweise für Anklagen sammeln. Unserem Verfassungsschutz ist das zu mühsam. Statt zu ermittlen und etwaige Komplizen und Hintermänner auszuforschen, will der Innenminister Verdächtige einsperren, damit eine Ruhe ist.
Die Ergebnisse der Untersuchungskommission zum Allerseelenanschlag sind eindeutig: Dass der Attentäter sich ungehindert vernetzen und bewaffnen konnte, war Staatsversagen – in persönlicher Konsequenz Nehammers Versagen. Dass er sich nun hinstellt und mit dem Finger auf andere zeigt, um den starken Mann zu markieren, ist typisch. Dass Zadic dieses Spiel mitspielt und zugunsten der Koalitionsräson den eindeutigen Rat der Experten vom Tisch wischt, ebenso.
Titelbild: APA Picturedesk