Mit Verspätung lenkte ÖVP-Europaministerin Edtstadtler nun zwar ein, doch der Schaden ist da: Österreich ordnete sich zuerst bei jenen Staaten ein, die die jüngsten Anti-LGBTQ-Gesetze in Ungarn nicht verurteilen.
Florian Bayer
Wien, 23. Juni 2021 | „Eine außenpolitische Bankrotterklärung“ war es laut SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner, dass zwar alle westeuropäischen EU-Staaten die neuen LGBTQ-feindlichen Gesetze Ungarns veurteilen, nicht aber Österreich. Das letzte Woche in Ungarn beschlossene Gesetzespaket stellt an Jugendliche gerichtete, „homosexuelle“ Darstellungen und Informationen unter Strafe – alles unter dem Vorwand, Kinder vor Pädophilen zu schützen.
Erst nach vehementer Verurteilung der EU-Kommission – Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einer „Schande“ – ist am Mittwochvormittag auch Europaministerin Karoline Edtstadtler (ÖVP) umgeschwenkt. „Nach sorgfältiger Abwägung und Prüfung der Faktenlage“ werde man die Erklärung nun auch unterstützen, hieß es verspätet aus dem Kanzleramt.
Der Imageschaden Österreichs ist freilich da, denn vor einer Woche hatten ÖVP und Grüne gegen eine entsprechende Resolution im Nationalrat gestimmt. Gestern verkündeten die 14 unterzeichnenden Staaten ihre Aufforderung zum Handeln an die EU-Kommission – eben ohne Österreich, sehr zu Verwunderung vieler Beobachter im In- und Ausland.
Europe’s #LGBT divide.
With Italy’s late signature, these are the 14 EU countries that signed today’s statement condemning Hungary’s new law banning ‘displaying or promoting” homosexuality to people under 18.
Portugal didn’t sign because it currently holds the EU presidency. pic.twitter.com/OtttcMUsz7
— Dave Keating (@DaveKeating) June 22, 2021
Bei der ÖVP, die schon länger einen Kuschelkurs mit dem ungarischen Autokraten Viktor Orbán fährt, verwunderte das wenig. Bei den Grünen schon. Noch am Wochenende hatten Parteispitzen bei der Regenbogenparade mitgefeiert. Danach waren sie lange stumm. Dass es jetzt nicht die Grünen, sondern die ÖVP ist, die letzten Endes auf den westeuropäischen Kurs umgeschwenkt ist, mutet umso pikanter an.
Die #viennapride setzt ein Zeichen gegen Diskriminierung, für Chancengerechtigkeit & eine Gesellschaft der Vielfalt. Als Sozialminister ist mir der Einsatz für ein diskriminierungsfreies Leben für alle & für die Rechte von #lgbtiq Menschen wichtig! (1/2) pic.twitter.com/ZGNKtTTLMk
— Wolfgang Mueckstein (@WolfgangMueckst) June 19, 2021
Wir haben bei den grünen Spitzenpolitikern, die am Samstag noch am Ring feierten, nachgefragt: Vizekanzler Werner Kogler, Klubobfrau Sigi Maurer, Justizministerin Alma Zadic, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, Menschenrechts- und LGBTQ-Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic. Warum stimmten sie zunächst nicht für die Verurteilung und wie haben sich für ein Einlenken der ÖVP eingesetzt? Bis Redaktionsschluss erhielten wir keine Antwort.
Auch vom Kanzleramt und vom Büro der Europaministerin Karoline Edtstadler erhielten wir kein Statement auf die Frage, warum der Kurswechsel nun doch noch erfolgte. Auf Druck der Grünen laut Beobachtern eher nicht, wohl eher infolge der heftigen Kritik in zahlreichen Medien und auf Social Media.
Zwar forderte bereits zuvor Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, Orban und seine Politik „klar in die Schranken zu weisen“. Dennoch stimmten die Grünen erst vor einer Woche gegen eine Teilnahme an der internationalen Erklärung. „Wir stellen uns klar auf die Seite der ungarischen LGBTIQ-Community“, heißt es heute von der grünen LGBTQ-Sprecherin Eva Ernst-Dziedzic.
Titelbild: APA Picturedesk