Maßnahmen gefordert
Das Nachwuchsproblem innerhalb der österreichischen Ärzteschaft verschärft sich weiter. Am Mittwoch warnte Ärztekammerchef Szekeres. Für SPÖ-Kucher steuere man „sehenden Auges“ auf den Ärztemangel zu.
Wien, 30. Juni 2021 | Das Nachwuchsproblem bei Österreichs Ärzten verschärft sich weiter. Die Zahl neu ausgebildeter Ärzte reiche für den errechneten Nachbesetzungsbedarf nicht aus, warnte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres bei der Präsentation der Ärztestatistik am Mittwoch. Um einen Ärztemangel zu verhindern, brauche es Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen in den Spitälern für junge und erfahrene Ärzte. Außerdem müssten Kassenstellen attraktiver werden.
Ein Drittel der Ärzte am Weg in die Pension
Derzeit gibt es knapp 47.700 Ärztinnen und Ärzte in Österreich, davon sind rund 26.400 Fachärzte, 13.100 Allgemeinmediziner, fast 8.000 Turnusärzte sowie 142 approbierte Ärztinnen und Ärzte. Die Zahl der Vollzeitäquivalente liegt allerdings mit knapp 40.400 deutlich niedriger, betonte Lukas Stärker von der Ärztekammer. Immerhin würden flexiblere Arbeitszeitmodelle, Elternteilzeit oder eine Kombination aus Ordination und Spitalstätigkeit immer beliebter.
“Eine besondere Herausforderung” sei die Altersstatistik in der Ärzteschaft, so Szekeres: Ein Drittel ist über 55 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren werden 15.400 Ärzte das Pensionsalter von 65 überschreiten, allein zur Aufrechterhaltung des Status Quo bei der Kopfzahl entstehe dadurch ein Nachbesetzungsbedarf von 1.500 Personen pro Jahr. Berücksichtigt man, dass ein guter Teil der Ärzte Teilzeit arbeitet, Frauen typischerweise noch etwas früher das Pensionsalter erreichen und durch eine immer älter werdende Bevölkerung auch der Bedarf an Gesundheitspersonal steigt, liegt der Bedarf noch höher.
“Spitalsträger, Dienstgeber müssen ihre Angebote so attraktiveren, dass sie junge Kolleginnen und Kollegen anwerben können und sie konkurrieren mit einer Fülle von Spitälern im Ausland”, so Szekeres mit Verweis etwa auf Aktionen, bei denen Dänemark gezielt versucht, österreichische Medizin-Absolventen abzuwerben.
Mehr Flexibilität gefordert
Die Spitäler müssten flexibler werden, und das nicht nur bei den Jungen. Mit dem Alter sinkt nämlich der Anteil der ausschließlich angestellten Ärzte. Um zu verhindern, dass erfahrene Ärzte das System verlassen und ihre Erfahrungen nicht mehr an den Nachwuchs weitergeben können, brauche es flexible Arbeitszeitmodelle und eine Reduktion von Nachtdiensten mit dem Alter, fordert Szekeres.
Weiterhin Handlungsbedarf sieht die Ärztekammer außerdem im Kassenbereich. Hier werden rund 50 Prozent der Ärzte in den kommenden zehn Jahren in Pension gehen und schon jetzt würden Kassenstellen teilweise zehn, 20 oder gar über 40-mal erfolglos ausgeschrieben. Vor allem in der Allgemeinmedizin, der Kinder- und Jugendheilkunde und der Frauenheilkunde gebe es Mangel. Um Kassenstellen attraktiver zu machen, fordert Szekeres weniger Bürokratie sowie neue Arbeitszeitmodelle für junge Ärzte, die sich an der Lebensrealität orientieren.
SPÖ-Kucher appelliert an Regierung
Erschwerend komme jene Gesetzesnovelle hinzu, mit der nun die Verantwortung für die Ärzteausbildung zu den Ländern wandert. Szekeres befürchtet, dass die Spitäler glauben könnten, dass sie mit einer erleichterten Ausbildung schneller oder mehr Fachpersonal erhalten könnten.
SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher reagierte per Aussendung auf die Pressekonferenz der Ärztekammer. „Wir steuern sehenden Auges auf einen akuten Ärztemangel zu und die Bundesregierung schläft trotz jahrelanger Alarmrufe vonseiten der Ärztekammer, aber auch der Opposition“.
Neben einer Erhöhung der Medizinstudienplätze sehen die SPÖ-Vorschläge außerdem Stipendiensysteme vor, die darüber hinaus dem Verteilungsproblem der Ärzte in Österreich begegnen sollen. Er erinnert, dass auch der Pflegebereich mit demselben Problem konfrontiert sei. Die Regierung müsse endlich „munter“ werden.
(ot/apa)
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