Montag, März 17, 2025

Deutsche Großstudie: Fast die Hälfte weiß nichts von Covid-Infektion

Deutsche Großstudie

Fast die Hälfte der Infizierten stellt die Corona-Erkrankung nicht fest. Vor allem ökonomisch Schwächere sind betroffen. Kinder sollen keine Treiber und weniger gefährdet sein, stellt eine deutsche Großstudie fest.

Wien/Mainz, 12. Juli 2021 | Die Mainzer Universitätsmedizin und die Johannes-Gutenberg-Universität haben seit Herbst 2020 eine groß angelegte Corona-Studie durchgeführt. Mehr als 10.000 Probanden haben daran teilgenommen. Vergangene Woche wurden die Ergebnisse präsentiert.

43 Prozent unwissentlich infiziert

Die zentrale Erkenntnis: Mehr als 43 Prozent der Corona-Infizierten wissen nichts von ihrer Infektion. Das habe auch eine soziale Dimension. “Menschen mit einem höheren gesellschaftlichen Status wissen dabei häufiger von ihrer Infektion. Sie führen auch häufiger Tests durch“, hieß es bei der Präsentation der Studie. Es ist auch altersabhängig, ob jemand die Infektion erkennt: Ältere Menschen seien häufiger unwissentlich infiziert als jüngere Personen. Die Dunkelziffer bei den Infektionen dürfte jedenfalls relativ hoch sein. Jüngere gehen in Deutschland deutlich öfter testen als Ältere.

“Jüngere Menschen nehmen mehr am gesellschaftlichen Leben teil und nutzen daher die Tests auch öfter”, interpretierte Professor Philipp Wild die Zahlen. Zudem sind Ältere als Erste geimpft worden. Menschen mit vollständigem Impfschutz lassen sich seltener testen.”

Kinder weniger gefährdet und keine Treiber

Auch zur kontrovers diskutierten „Schulfrage“ liefern die Wissenschaftler Antworten. Kinder seien demnach „keine Treiber“ der Infektionskrankheit. Um dies festzustellen, untersuchte man 2.200 Personen aus Familien mit Kindern. “Immer wieder wird spekuliert, dass Kinder die Viren stark verteilen. Sie können den Abstand nicht einhalten oder waschen sich nicht so häufig die Hände. Wir sehen aber insgesamt kein höheres Risiko, sich bei Kindern anzustecken.”

Auch innerhalb der Familie würden Kinder das Virus nicht überdurchschnittlich oft weitergeben, sie seien auch weniger anfällig, sich anzustecken. ”Es gibt etwa Fälle, bei denen die Eltern eine Corona-Infektion hatten, ihre Kinder dagegen nicht. Dabei haben Mütter und Väter ihre Kinder auch in den Arm in den Arm genommen oder geküsst.” Trotzdem gebe es hier oftmals keine Infektion. Ein mutmaßlicher Grund: Kinder hätten im Gegensatz zu Erwachsenen eine bessere Immunabwehr.

Soziale Dimension der Krise

Statt Kinder dürfte laut Studie der wahre Treiber der Pandemie der soziale Status sein. Wie stark sich das Virus in einer Gruppe ausbreitet, liegt der Studie zufolge vor allem daran, wie viele Personen in einem Haushalt zusammenwohnen. Je mehr Menschen in einem Haushalt leben, desto größer sei auch das Risiko einer Infektion, so Wild. Menschen mit niedrigem Einkommen und beengten Wohnverhältnissen sind demnach besonders durch Corona gefährdet.

Dies liege aber nicht daran, dass sich diese Menschen weniger an die Hygienebestimmungen halten würden: “Es ist allerdings ein Vorurteil, dass sich diese Gruppe nicht so sehr an die AHA-Regeln halten würde. Nach unseren Daten ist sogar das Gegenteil der Fall. Diese Menschen waschen sich etwa öfter die Hände und halten auch die Abstände ein“, so Wild. Geringer seien jedoch Test- und Impfbereitschaft.

Die Wissenschaftler erinnern daran, dass ökonomisch Schwächere auch die größten Verlierer der Krise sind. Sie tragen die finanzielle Hauptlast, weshalb man sich staatliche Zuschüsse für Selbsttestungen oder Maske tragen vorstellen könnte.

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), will diese Erkenntnisse umsetzen:

„Wir planen stärker dahin zu gehen, wo die Impfquote niedrig ist und viele Menschen zusammenkommen. Dort wollen wir unbürokratisch, unkompliziert und schnell Schutzimpfungen anbieten.”

Studie soll weiterlaufen

Die nützlichste Maßnahme sei laut der Studie der Mindestabstand. Auch die Maske führe zur Verringerung des Infektionsrisikos, und zwar sogar mehr als Homeoffice. Wild plädiert dafür, dass auch Geimpfte weiter testen gehen. So können man das Infektionsgeschehen besser unter Kontrolle halten.

Die Studie zählt zu denen mit den größten Bevölkerungsgruppen im Bereich der Pandemieforschung. Man untersuchte von Oktober 2020 bis Juni 2021 10.250 Menschen im Alter zwischen 25 und 88 Jahren aus der Stadt Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen. Es wurden Covid-Daten zu jeweils zwei Zeitpunkten, mit vier Monaten Abstandn erfasst. Die breite Datenbasis habe für eine „sehr gute Analysegrundlage“ gesorgt. Die Studie soll fortgeführt werden.

Hier gehts zur Studie.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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