Land gespalten
In weniger als einer Woche führt Großbritannien die “alte Normalität” wieder ein. Es bleiben staatliche Empfehlungen zum individuellen Schutz gegen Corona. Viele Bürger sind empört.
Wien/London, 13. Juli 2021 | In weniger als einer Woche, am 19. Juli, sollen in Großbritannien alle Covid-Maßnahmen fallen. Was zurückbleiben soll, sind Empfehlungen des Staates. Gewerbeeinschränkungen, Maskenpflicht oder der 3G-Pass sollen aber zur Gänze fallen. Clubs können etwa ohne Restriktionen wieder öffnen. Johnson rief zur Vorsicht auf, der Staat zieht sich aber zurück.
Zurück in die Normalität
Der Plan war bereits absehbar gewesen. Der neue britische Gesundheitsminister Sajid Javid, ein früherer hochrangiger Bank-Manager, hatte zuvor schon angedeutet, „mit dem Virus leben“ zu müssen. Eine Rückkehr zur Normalität habe allerdings auch eine positive Auswirkung auf die Gesundheit der Bevölkerung.
Zumindest über den Sommer bekommen die Briten also ihre alte Normalität zurück. Glücklich sind darüber aber bei weitem nicht alle. Stattdessen folgte auf die Johnson-Ankündigung ein Mega-Shitstorm auf Twitter unter #wearamask (Trag eine Maske, Anm.). Die Gesellschaft scheint tief gespalten, regelmäßig protestieren zehntausende Briten gegen die Corona-Maßnahmen. Auf Twitter machten aber die Maßnahmenbefürworter ihrem Ärger Luft. Die Regierung handle „kriminell“ und plane einen „Genozid“ heißt es da teilweise. Tausendfach kündigen Menschen an, ihre Maske auch weiter zu tragen, obwohl sie von der Regierung nicht mehr verordnet wird.
Maskenstreit
Die Journalistin Carol Cadwalladr vom „Guardian” zeigt sich alarmiert: „Die Fälle nehmen exponentiell zu. Krankenhausaufenthalte nehmen exponentiell zu. Doppelt geimpfte Menschen stecken sich an. 2,2 Millionen klinisch extrem gefährdeten Menschen wurde nichts gesagt.“
We cannot trust this government not to kill us.
Cases are rising exponentially. Hospitalisations are rising exponentially. Double vaccinated people are catching it. 2.2 million clinically extremely vulnerable people have been told nothing. https://t.co/wIG5H56SIA
— Carole Cadwalladr (@carolecadwalla) July 12, 2021
Passend zum neuen Maskenstreit in Großbritannien, ist diese Woche die „World Mask Week“ initiiert worden. Die von der WHO unterstütze Kampagne sieht den Sinn der Maske darin:
„Wenn Sie in der Öffentlichkeit eine Maske tragen, zeigen Sie, dass Sie sich um andere kümmern. Da wir uns dem Ende der Pandemie nähern, ist es wichtiger denn je, sich jetzt weiterhin zu maskieren – nicht nur für uns selbst, sondern für unsere Freunde, unsere Familien, unsere Gemeinschaften und die Welt.“
Kurven steigen
Tatsächlich steigt die Zahl an positiven Tests in Großbritannien erneut an. Sie liegt aktuell bei rund 30.000 täglich. So hoch wie zuletzt im Januar. Sie betreffen hauptsächlich jüngere Menschen. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle steigt ebenfalls, allerdings weitaus langsamer. Am Montag waren es sechs Todesfälle, am Sonntag 26.
Der Verlauf der Corona-Krise in Großbritannien, Schweden und Österreich. Bei den Briten steigt die Zahl der Infektionen wieder an. Quelle: ourworldindata.com
Auch die Intensivpatienten werden wieder mehr. Quelle: ourworldindata.com
Auf niedrigem Niveau befindet sich die Zahl der Toten. Quelle: ourworldindata.com
Experten beobachten die Entwicklungen in Großbritannien genau. De facto erfolgte bereits eine „Öffnung“. Die Fußball-EM ließ die Fans gemeinsam feiern. Die WHO zeigte sich besorgt. Ein erheblicher Sprung an Intensivpatienten und Toten konnte bisher nicht beobachtet werden, wie die Statistiken zeigen. Die Kurven gehen allerdings nach oben.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk