Samstag, Dezember 14, 2024

Not a Bot – Alternative Konzentrationslager

Not a Bot

Jeden Samstag kommentiert Schriftsteller Daniel Wisser an dieser Stelle das politische Geschehen. Dabei kann es durchaus menscheln – it’s a feature, not a bug!

 

Daniel Wisser

Wien, 21. August 2021 | Die österreichische Bundesverfassung hat es schwer. Als das ungelesenste Buch aller Zeiten überholt sie den Mann ohne Eigenschaften, den Ulysses und Stifters Witiko. Und wer nicht schon aller einen Eid auf sie abgelegt hat! Zum Beispiel Karl Nehammer, der gar nicht einmal den Versuch macht, seine Missachtung der Verfassung zu verhehlen. In von Trump direkt entlehnter Rhetorik will er laut seinem eigenen Tweet (der heute – am 21.8.2021 – immer noch online ist) auf die Suche nach »Alternativen« zur Europäischen Menschenrechtskonvention gehen.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist in der Österreichischen Bundesverfassung verankert. Das heißt also mit einem Wort: »Für mich, Karl Nehammer, gilt die Österreichische Bundesverfassung nicht. Ich werde mir etwas anderes überlegen.« Auf dieselbe Weise könnte man auch das Verbot zu Töten oder jedes andere gesetzliche Verbot aushebeln, um immer für seine eigenen Interessen eine Ausnahme zu finden. Man nennt das Faschismus.

Aber das Wort wollen wir ja nicht verwenden, weil es zu oft verwendet wird. Nennen wir es also Nehammerismus. Die sogenannten Reichsbürger sind Vertreter dieser Richtung. Es mag Gesetze oder Verfassungen geben, aber für sie gibt es sie eben nicht, denn sie haben »Alternativen«.

Alternative Modelle

Karl Nehammer muss angezeigt und angeklagt werden. Ein Gericht soll über seine Missachtung der Bundesverfassung entscheiden. Er ist nicht der erste Minister der grün-schwarzen Regierung, der sich nicht an die Österreichische Bundesverfassung hält.

Dass ein Mensch wie Karl Nehammer noch Minister sein kann, zeigt nicht nur seine Schwächen auf. Er kann es sein, weil er einer feigen, tatenlosen Zivilgesellschaft, einer von der großen Regierungspartei mit Schmiergeldern gekauften Medienwelt und einem lahmen, die Volkspartei und alle ihre Gesetzes- und Verfassungsverletzungen stets exkulpierenden und verniedlichenden Bundespräsidenten gegenübersteht. Was soll man da machen? Was kann man da machen? Nix! Das gute alte österreichische Achselzucken geht durch alle Sender, auch durch den ORF, in dem heute noch Rosamunde Pilcher, bald aber schon Weißmann und Rotgesicht läuft.

Die Alternative

Inzwischen düpieren sogar die Polen, die Slowakei und Tschechien, die die Volkspartei doch so gerne als Verbündete hat, die Realitätsverweigerung der Österreichisch Alternativen Volkspartei. Sie haben afghanische Familien aufgenommen. Nur die Volkspartei sucht immer noch nach alternativen Möglichkeiten der Abschiebung nach Afghanistan und hat angedacht, in den Nachbarländern »Deportationszentren« (also alternative Konzentrationslager) zu errichten.

Die Grünen, der Koalitionspartner der alternativen Partei des alternativen Volks, grummeln zwar manchmal ein wenig dazwischen, klare Worte, dass Abschiebungen nach Afghanistan in der jetzigen Lage verfassungswidrig sind, findet bei ihnen aber niemand, auch nicht Parteichef und Vizekanzler Kogler. Sie werden sich dafür darum kümmern, dass die illegalen Abschiebungen klimaneutral durchgeführt werden.

Omi

Der unergiebige Sommer mit all seinen politischen und humanitären Rückschritten hat auf der Fassade des Hauses, das meiner Wohnung gegenüberliegt, ein Sgraffito mit Wortlaut Omi hinterlassen. Vor ein paar Monaten waren überall die Mutti-Graffiti aufgefallen. Ich dachte damals, es habe damit zu tun, dass Kanzler Kurz den Medien gegenüber gesagt hat, seine Mutter mache sich große Sorgen um ihn.

Jetzt wird die Mutti ja Omi, wie wir aus der Boulevardpresse wissen. Sonst äußert sich der Kanzler kaum, ist wahrscheinlich mit der alternativen Vaterschaft beschäftigt und will bestimmt so lange regieren, bis auf den Hausmauern Urli steht.

Recht bleibt Recht

Der Recht-bleibt-Recht-Schmäh der Volkspartei ist wohl bald nicht mehr glaubwürdig. Auch durch neue Abschiebungen von der Diskussion über Abschiebungen abzulenken, ist wohl keine gute Strategie. Momentan haben sich alle ins Sommerloch verkrochen. Das liegt nicht auf der Balkanroute, allerdings muss es irgendwo bei Kroatien liegen, wo unlängst ein Journalist ein Foto machen durfte, wie jemand vom Kanzler und der Mutter seines Kindes ein Foto machen durfte. Was da wohl im Urlaub abends gelesen wird? Der Mann ohne Eigenschaften, der Ulysses, Stifters Witiko oder doch die Österreichische Bundesverfassung?

Die Zukunft ist jedenfalls klar: Karl Nehammer wird, auch für den Fall, dass er wegen Übertretung der Verfassung angeklagt wird, sicher nicht zurücktreten. Er wird bleiben. Bleiberecht für alle! Auch für Gernot Blümel. Er bleibt Parteichef der Volkspartei Wien. Und alle freien Medien, die den mit dem Geld von Waffenhändlern, Konzernchefs und Arisierungsgewinnlern gekauften Ruhm der Regierung schädigen, werden durch Klagen, die mit eben diesen Geld finanziert werden, eingeschüchtert.

Optimistisch

Wie lange das so weitergeht? Nicht ewig. Ich bleibe optimistisch. Es werden sich Alternativen auftun. Koalitionen, die die vormals konservativen Parteien in Deutschland und Österreich aus dem Regierungsamt drängen könnten, sind nicht unmöglich.

Ich bin dafür, dass die Verfassung Verfassung bleibt, Gesetze Gesetze bleiben und dass Recht Recht bleibt. Ohne Alternativen. Dann müssen Karl Nehammer und Gernot Blümel vor Gericht.

Titelbild: APA Picturedesk

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