Samstag, April 27, 2024

Hebein tritt aus Grüner Partei aus – ÖVP »begeht Vetragsbruch«

ÖVP »begeht Vetragsbruch«

Mit einem lauten Knall trat die ehemalige Vizebürgermeisterin Birgit Hebein am Sonntag aus der Grünen Partei aus. Die Koalitionsmitverhandlerin warf den Türkisen „Vertragsbruch“ vor, von den Grünen zeigte sie sich enttäuscht.

Wien, 23. August 2021 | Trotz Rekordergebnis bei der Wien-Wahl 2020 ist es um Birgit Hebein ruhig geworden. Nach der Wahl hatte die Grünen-Spitzenkandidatin ihre Funktionen zurückgelegt.

Doch am Sonntag meldete sich Hebein über Facebook mit scharfer Kritik an der türkis-grünen Bundesregierung zurück. Hebein, die Anfang 2020 den Koalitionsvertrag zwischen ÖVP und Grünen mitverhandelt hatte, trat als Konsequenz aus der Grünen Partei aus. Sie ist die erste hochrangige Grüne, die aufgrund der Regierungsbeteiligung aus der Partei austritt.

“Türkis-autoritäre Richtung”

Anlass ist die Flüchtlingspolitik der türkis-grünen Bundesregierung – und hier nun vor allem die Weigerung, Menschen aus Afghanistan zu holen, wie sie betonte. Das Land gehe in eine “türkis-autoritäre Richtung”, warnte sie.

“Wie auch zuletzt auf der Demonstration ‘Leben retten jetzt’ – an der sehr viele junge Menschen und afghanische Familien teilgenommen haben – auf die kursierenden Gerüchte angesprochen, stelle ich klar: ja, es stimmt: ich habe vor einigen Tagen meinen sofortigen Austritt aus der Grünen Partei bekanntgegeben. Die grüne Politik mit all den Argumenten und Nichthaltungen erreichen nicht mehr mein Herz”, ließ sie in ihrem Posting wissen.

Viele Menschen würden auf das Kämpfen der Grünen für den Klimaschutz bauen, gab sie zu bedenken. Als Mitverhandlerin der türkis-grünen Koalition erkenne und kritisiere sie jedoch, “dass dabei unsere Demokratie, der gesellschaftliche Diskurs, der Rechtsstaat, das Parlament und die Medien sich in eine türkis-autoritäre Richtung entwickeln und der türkise Weg weitergeht, als wäre nichts gewesen”.

ÖVP “begeht Vertragsbruch”

Gefragt wären “klare grüne Haltungen und nicht Passivität”, bekrittelte die ehemaligen Kommunalpolitikerin. “Wenn wir es ehrlich betrachten, sind wir mit dem ohnehin gewagten Versuch der Strategie, mit einer Regierungsbeteiligung für eine Kurskorrektur zu sorgen, an Grenzen angelangt. Damit haben wir Hoffnung zerstört. Zumindest habe ich diesen Punkt erreicht und ziehe daher die Konsequenzen.”

Die ÖVP begehe Vertragsbruch, zeigte sich Hebein überzeugt. Denn sie handle aktuell im Widerspruch zu der Vereinbarung bei den Koalitionsverhandlungen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe zugesichert, dass Österreich “nie vorpreschen wird um Flüchtlinge aufzunehmen, aber er ist gesprächsbereit, wenn andere Länder vorangehen”.

Diese Zusage sei bereits bei der Aufnahme von Menschen aus Moria torpediert worden. Nun würden andere Länder wie Deutschland “selbstverständlich” vorangehen und zumindest versuchen, gefährdete Menschen aus Afghanistan zu holen. Der türkise Weg werde aber unbeirrt fortgesetzt. “Vielleicht unterstützt dieses Statement das Engagement von diejenigen in der Partei, wie u.a. Ewa Dziedzic und Vicky Spielmann, die für Menschenrechte einstehen”, hielt Hebein fest.

Bundes-Grüne schweigsam

In der Wiener Landespartei kommentierte man den Schritt der Ex-Chefin am Sonntag folgendermaßen: “Wir respektieren den formalen Austritt von Birgit Hebein aus der Grünen Partei, für die sie viele Jahre als Aktivistin, Abgeordnete und Vizebürgermeisterin aktiv war.” Über ihre Beweggründe könne sie selbst am besten Auskunft geben, hieß es in der an die APA übermittelten Stellungnahme.

“Für uns Wiener Grüne war und ist immer klar: Wien ist Menschenrechtsstadt. Dafür setzten wir uns auch gerade jetzt ein. Die Menschenrechte und ihre Erklärung sind unteilbar und unantastbar. Sie sind unmissverständlich, alternativlos und die größte Errungenschaft unserer Gesellschaft. Dafür treten wir als Wiener Grüne ein”, wurde betont. In Bundespartei und Parlamentsklub gab es auf APA-Anfrage keine Reaktion.

Die Wiener SPÖ äußerte Genugtuung über die ihrer Ansicht nach späte Einsicht. “Spät, aber doch hat Hebein eingesehen welch Geistes Kind Kurz in Wahrheit ist. Rund um die Koalitionsverhandlungen 2019 sah es noch anders aus. Aber dazulernen ist etwas Positives”, postete die Partei auf Twitter. Klar sei jedenfalls, so hielt man fest, dass Wien auch in Zukunft das Gegenmodell zur “inhumanen Bundesregierung” bleibe.

Hebeins Statement im Volltext:

Wie auch zuletzt auf der Demonstration “Leben retten jetzt” – an der sehr viele junge Menschen und afghanische Familien teilgenommen haben – auf die kursierenden Gerüchte angesprochen, stelle ich klar: ja, es stimmt: ich habe vor einigen Tagen meinen sofortigen Austritt aus der Grünen Partei bekanntgegeben. Die grüne Politik mit all den Argumenten und Nichthaltungen erreichen nicht mehr mein Herz.

Viele Menschen bauen auf das Kämpfen der Grünen für den Klimaschutz, für ein Überleben unseres Planeten. Als Mitverhandlerin der türkis-grünen Koalition erkenne und kritisiere ich, dass dabei unsere Demokratie, der gesellschaftliche Diskurs, der Rechtsstaat, das Parlament und die Medien sich in eine türkis-autoritäre Richtung entwickeln und der türkise Weg weitergeht, als wäre nichts gewesen. Eine Entwicklung, wo klare grüne Haltungen und nicht Passivität, sowie mangelnder Einsatz für Menschenrechte aufgrund der Machtverhältnisse gefragt wären. Wenn wir es ehrlich betrachten, sind wir mit dem ohnehin gewagten Versuch der Strategie, mit einer Regierungsbeteiligung für eine Kurskorrektur zu sorgen, an Grenzen angelangt. Damit haben wir Hoffnung zerstört. Zumindest habe ich diesen Punkt erreicht und ziehe daher die Konsequenzen. Das ist nichts, was nach meinem Rückzug aus der Parteipolitik vor fast 8 Monaten öffentlich interessant wäre.

Gäbe es da nicht einen Punkt, der durch die Gespräche wieder deutlich geworden ist: Die türkise Partei begeht Vertragsbruch. Die türkise Partei handelt im Widerspruch zu der Vereinbarung bei den Koalitionsverhandlungen: Bundeskanzler Kurz hat zugesichert, dass Österreich “nie vorpreschen wird um Flüchtlinge aufzunehmen, aber er ist gesprächsbereit, wenn andere Länder vorangehen.” Diese Zusage wurde bereits letztes Jahr im Herbst bei der Aufnahme von Menschen auf der Flucht aus Moria (intern heftig diskutiert und mit Hoffnung, dass es zu Weihnachten gelingt) und wird jetzt wieder gefährlich populistisch mit dramatischen Folgen durch Innenminister Nehammer torpediert. Andere Länder, wie Deutschland, gehen selbstverständlich voran, um zumindest zu versuchen, gefährdete Menschen aus Afghanistan zu holen (an den militarisierten Grenzen werden seit Jahren Menschen brutal ohne Verfahren zurückgeschoben), der türkise Weg wird unbeirrt unter grüner Regierungsbeteiligung fortgesetzt. Verdeutlicht auch durch die Abschiebung von SchülerInnen, obwohl im Koalitionsvertrag festgehalten wird, dass unter türkis-grün “kein Kind zurückgelassen wird”. Vielleicht unterstützt dieses Statement das Engagement von diejenigen in der Partei, wie u.a. Ewa Dziedzic und Vicky Spielmann, die für Menschenrechte einstehen.

(bf/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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42 Kommentare

  1. Pilz sollte selbst wissen, dass Hebein nicht die erste Grüne war, die ausgetreten ist … auch ich war einmal bei diesem Verein, doch bereits unter Glawischnik war es für mich Zeit diese Gruppierung zu verlassen …

  2. Birgit, ich darf dich duzen.
    Recht hast. Das ist keine Grüne Partei mehr.
    Ich möchte Dir danken für so viele Denkanstösse – Gürtelpool, Radwege, die Stadt grüner machen und kühlen.
    Sie haben dich ALLE, auch deine nunmaligen “Regierungswappler” unterschätzt.

  3. Ob Fr. Hebein wirklich so ein großer Verlust für die Grünen ist? Da gibts einige denen würde ich eher nachtrauern. Fr. Felipe ist auch so ein Fall bei dem ich mich frage, was die an der Spitze zu suchen hat. Zum Glück ist wenigstens die Fr. Glawischnig in Richtung Karriere in der Privatwirtschaft abgebogen, die war auch kein Ruhmesblatt für die Grünen…

  4. Ich halte Fr. Hebein zwar für eine verantwortungslose Traumtänzerin*
    aber immerhin steht sie zu ihrer Linie. (Was man jetzt als mildernd oder erschwerend werten kann.)

    *Wer zusammen mit anderen Hardcore-Feministinnen die Abschiebung von rechtskräftig verurteilten Sexualstraftätern verhindern will (Sperre der Flughafenautobahn im Frühling dieses Jahres)
    – bei dem fährt der sprichwörtliche Aufzug mit Garantie auch nicht bis ganz nach oben.

  5. Und gibt das den Grünen zu denken? … Na, wir san supersaubergscheid …

    • Die Grünen versuchen nur noch sich die Taschen vollzustopfen
      und bestens dotierte Versorgungsjobs für “die Zeit danach” zu organisieren.

      Vassilakou war nicht die Ausnahme – sie was nur die 1. mit dieser “Taktik”.

      • Wo steht, dass Hebein oder ein anderer Grüner einen gut dotierten Versorgungsjob bekommt…oder existiert das nur in ihrer Fantasie?

      • Na na, Grün ist an vorderster Front in Gestalt von Veltliner und Stinkefinger voll dabei.

          • Die Parteifarbe eben!
            (sonst eh nix, natürlich)

            “Grüner Veltliner, die Rache der Wiener” sagte Roland Neuwirth immer.
            Ist wohl zum Bumerang geworden….

        • Nein, ich will keinen Standrad-Link anklicken. Nicht auch das noch….
          Bitte seien Sie ausnahmsweise so lieb und verraten Sie es uns…….ich habe grad gefrühstückt (Wiener)…….;))

          • Stand 17:22
            Ja, absolut. 11%
            Eher schon. 18%
            Eher nicht. 24%
            Nein, gar nicht 47%
            Abgegebene Stimmen 3438

            oiso eh ned soo schlecht fia so a “leistung” 😉

          • Sicher nicht die zuverlässigste Umfrage, aber eben! Wo kommen also diese 12 % her wenn nicht vom Standard,… aus dem Zauberhut?!

  6. Ich finde es toll, wie die GrünInnen mit ihrer Politikerführung umgeht. Und wie sie die Grünen Prinzipien hoch halten. Weiter so.

  7. Die Grünen werden sich fragen müssen: “Wollen sie in Zukunft *vor allem* eine Umweltpartei, oder *vor allem* eine ‘linke’ Partei sein.”

    Momentan steht der Zeiger auf Umweltpartei, lässt vielleicht bei zukünftigen Wahlen Platz für eine LINKE wie in Deutschland?

    • Gegen eine Umweltpartei ist ja nichts zu sagen, die Grünen sind aber eine “Klimapartei” und da hats einzig ideologischen Aktionismus statt ganzheitlichem Durchblick.

    • wann waren die Grünen eine linke Partei? Man sieht doch immer wieder, mit wem sie lieber eine Koalition eingehen,

    • Für eine erfolgreiche LINKE in Österreich fehlt uns aber schmerzlich eine Sahra Wagenknecht…

      • Es gibt genug fähige Leute bei den Grünen aber leider sind die nicht in der vordersten Reihe.

    • Die jetzigen vermeintlich Grünen in Österreich und auch Deutschland muss man systematisch einordnen, nämlich in Richtung Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot, Maduro, Castro etc. (wenn man sie ließe…). Das trifft,s schon eher…..Die ehemaligen Socken – und Pullover-Stricker haben sich derart radikalisiert, dass einem schier die Spucke wegbleibt. Hoffentlich machen die bald den Abflug, so wie Hebein. Niemand weint ihr nach…..

    • Definiere “links”.
      Bis Anfang der 1990er-Jahre war es eine linke Kernforderung die Zuwanderung Richtung null zu drosseln.

      Bürgerliche und freiheitliche Parteien liebten z.B. die Massenzuwanderung aus der Türkei
      Stichwort: Lohndumping

    • So was funktioniert eben auch nur in einem Land aus Debilen.

      Es ist ein symbiotischer Kreis.

    • Thomas Bernhard hat vieles durchschaut und benannt. Der “Dank”. Er galt als “Nestbeschmutzer” wie andere auch. Fazit: dem Österreicher ist immer wohl in seiner Haut. Weil: “gewusst” hat er ja nichts.

  8. Es gibt ja viele Leute, die in der Politik nicht abgehen würden, aber derartig niemandem abgehen, wie de Hebein, wird ned bald jemand.

    • Ich glaube die fehlt nicht einmal den Grünen selbst……

      Als Wiener habe ich sie nur sporadisch wahrgenommen. Aber jedes einzelne Mal war mit einem lauten “HAAAAH?????” verbunden. Um ein Schleudertrauma präventiv zu umgehen habe ich daher rasch begonnen, nicht mehr über sie nachzudenken.

  9. Irgendwie haben grüne Parteiaustritte aus Protest immer so ein komisches Mascherl.

    Im letzten Wahlkampf um den BGM von Innsbruck zeigte der Grüne Kandidat Willi Verständnis für Menschen, die mehr damit zu tun haben ihr Dach über dem Kopf finanzieren zu können, als dass sie sich für Gender-Sprache engagieren. Denn wer am Existenz-Minimum lebe, der habe eben andere Sorgen.

    Eine Partei-Kollegin trat daraufhin aus der Partei aus und warf Willi “rechten Sprachgebrauch” vor. Sie wolle sich für keine Partei engagieren, die immer weiter nach rechts drifte……

    Wirkt auf mich fast so, wie wenn für Stalinisten die Trotzkisten zu arge Nazis wären……

    Schön, dass Ihnen die Rechte der Afghanen etwas Wert sind, Frau Hebein. Das Corona-Regime eines GRÜNEN Gesundheitsministers verletzt nur leider dieselben Rechte, die Sie hier für Afghanen einfordern. Warum gelten sie also für uns Österreicher nicht? Warum setzen Sie sich nicht auch für unsere Rechte ein?

    • Weil sie ein (vielleicht auch schon alter) weißer Mann sind, also haben sie nach grüner Auffassung kein Recht, Rechte zu fordern… Als schwule behinderte farbige Frau, die vor einer Geschlechtsumwandlung steht, schon eher (Achtung nicht PC konforme Ironie!)

      • Scheisse, Sie haben völlig Recht mit meiner Person!

        Was nützt mir nun der freundschaftliche Respekt eines internationalen “Testimonials” der Queer-Bewegung bei der Teepause am Küchentisch, wenn mir nun die Grünen sagen was ich wirklich bin.

        Dann habe ich mir meine Verdienste um eine “urgrüne” Agenda eben nur eingebildet.

        (Also falls sich noch wer wundert – ich habe etliche auch persönliche Gründe, die Grünen von heute zu verachten – aber nicht das Testimonial wohlgemerkt!….;)))

    • der wird gar nix schwurbeln weil es ihm am a**** vorbei geht, maximal die türkise maurer wird wie gewohnt ihren senf dazu geben

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