Skylla und Charybdis
“Am Ende steht allerdings schwärmerisch versunkene Selbstbetrachtung seiner eigenen Spiegelung im Wasser, so verlockend, dass der junge Mann schließlich kippt und stürzt” – Julya Rabinowich über einen Jüngling, der sich in sich selbst verliebte.
Julya Rabinowich
Wien, 09. Oktober 2021 | Heute widmen wir uns ein wenig der Mythologie und den in ihr enthaltenen Archetypen menschlichen Unbewussten. Sie alle bilden Abgründe und Höhenflüge ab und in ihnen allen kann man Spiegelbilder der Realität finden, auch der politischen, sogar wenn diese durch Wind und Wellen verzerrt scheinen können. Den politischen Wind machten des Kanzlers Anvertraute kurz bevor die Bombe mit den Hausdurchsuchungen platzte, die Wellen sollen schon lange zuvor zu Tage getreten sein- in Form von Umfragewellen. Diese Wellen, die mutmaßlich noch schöner als schön werden sollten, ja sogar zu schön um wahr zu sein, spiegelten den jungen Mann wider, der laut eigenen Angaben keinerlei Interesse daran gehabt haben soll und der jene, die ihn zu lieben versprachen, gar nicht näher kennen wollte. Das bringt uns der Mythologie noch ein kleines Stückchen näher.
Narziss, der schöne Jüngling, der vergeblich und unerhört von Männern und Frauen und auch von der Nymphe Echo geliebt wurde und dabei doch nur sich selbst begehrte, verloren in den Wellen der Wasserfläche, verspricht gewisse Parallelen zu den oben beschriebenen Vorgängen zu haben. Echo, vor allem das mediale, war auch Sebastian Kurz mehr als zugeneigt, vor allem zu Beginn. Am Ende steht allerdings schwärmerisch versunkene Selbstbetrachtung seiner eigenen Spiegelung im Wasser, so verlockend, dass der junge Mann schließlich kippt und stürzt. Interessanterweise lässt sich in dieser eher ungesund endenden Sogwirkung des eigenen Egos auch eine weitere Ebene finden- das narzisstische Versinken in sich selbst ist oft begleitet von der gleichzeitigen Projektion seiner Eigenschaften und Absichten auf andere. Da wird Respekt gefordert, während man selbst das Gegenüber respektlos behandelt. Da wird unterstellt, verschwiegene Zirkel hätten sich gebildet, um den Schwiegersohn der Nation zu Fall zu bringen- nachdem Kern, Mitterlehner und auch Strache aus dem Weg geräumt wurden. Da wird das Vertrauen in Institutionen untergraben, nachdem man selbst sich alles andere als vertrauensbildend gebärdet hat. Da wird eine Hexenjagd beklagt und gleichzeitig fröhlich gegen Minderheiten in den Krieg gezogen, werden Hilfsbedürftige und politische Gegner mit Dreck beworfen, während man mit zart gewölbter rosiger Lippe das böse Anpatzen durch die anderen beklagt. Einen großen Unterschied gibt es allerdings auch zwischen Kanzler und Narziss: letzterer ging allein unter. Zweiterer wird das nicht tun.
So. Und das nächste Mal widmen wir uns vielleicht auch einmal Gorgo, der Medusa. Auch ein Fall von Persönlichkeit, der die Spiegelung gar nicht gut bekam.
Titelbild: APA Picturedesk