Samstag, März 16, 2024

Kronzeugenregelung steht vor dem Aus

Das ist ein Unterüberschrift

Mit Jahresende läuft die Kronzeugenregelung aus, sofern sie nicht vom Parlament verlängert wird. Wird Österreich in zehn Wochen überhaupt noch eine Kronzeugenregelung haben?

Wien, 15. Oktober 2021 | „Es soll die Möglichkeit geben, dass einer die Karten auf den Tisch legt.“ So beschreibt Walter Geyer, ehemals Leiter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, das Ziel einer Kronzeugenregelung. Wer der Staatsanwaltschaft hilft, ein Verbrechen aufzuklären, kann selbst straffrei davonkommen.

Seit 10 Jahren gibt es eine solche Möglichkeit im österreichischen Strafrecht. Bald nach Einführung war sie überarbeitet worden, denn die Vorgaben des ursprünglichen Gesetzes waren so streng, dass es einfach nicht zur Anwendung kam. Am 31. Dezember 2021 läuft das Gesetz aus. Es enthält eine sogenannte Sunset-Klausel, endet also zu einem vorgegebenen Datum, wenn es nicht verlängert wird.

Der Grund: Man habe sich die Regelung erst einmal ansehen wollen, wie Experten sagen – für Österreich war das ganze Konzept völlig neu gewesen. In knapp zehn Wochen könnte Österreich also wieder ohne Kronzeugenregelung dastehen. Wird sie auf den letzten Metern noch verlängert? Und bleibt sie, wie sie ist, oder wird sie ausgeweitet?

Experten wollen Ausweitung

Genutzt wird der Paragraf 209a der Strafprozessordnung nämlich bis heute kaum. Er besagt, dass Personen, gegen die ermittelt wird, mit der Staatsanwaltschaft einen Deal aushandeln können. Wer hilft, eine besonders schwere Straftat aufzuklären oder eine kriminelle Vereinigung auffliegen zu lassen, kann ohne Strafe davonkommen. In Anspruch nehmen kann das, wer von sich aus seinen Beitrag zu solchen Straftaten gesteht und Informationen oder Beweise liefert, die neu sind und einen „wesentlichen“ Beitrag zur Aufklärung leisten.

Aber die Regelung habe bisher „keine entscheidende Rolle gespielt“ erklärt Geyer. Er ist, wie Richter Oliver Scheiber, einer der Proponenten des Antikorruptionsvolksbegehrens. Die Initiatoren des Volksbegehrens wünschen sich „auf jeden Fall eine Verlängerung“, aber auch eine Ausweitung der Regelung, sagt Scheiber.

Ein Problem besteht für Walter Geyer darin, dass häufig weder Ermittler noch Verteidiger über den jeweiligen Nutzen der Regelung nachdächten. „Die Kronzeugenregelung ist in der Kultur des österreichischen Strafrechts noch nicht verankert.“ Das sei beispielsweise in Italien anders, wo sich eine Kronzeugenregelung in Mafiaprozessen bewährt habe. Die Parlamentsparteien sollten also ausländische Experten beiziehen, um eine Reform der Regel in Österreich anzugehen.

Opposition geschlossen für Verlängerung, Ausgang offen

Für SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim ist „selbstverständlich“, dass die Regelung verlängert werden soll und zwar diesmal „unbefristet.“ Auch Yildirim geht die derzeitige Regelung nicht weit genug, weil sie kaum angewendet wird. Unter den Justizsprechern der Parlamentsparteien sei aber bisher nicht einmal die Verlängerung Thema gewesen.

Harald Stefan, FPÖ-Justizsprecher, drängt auf eine Evaluierung des Gesetzes. Er kann sich eine Flexibilisierung vorstellen, damit die Regelung attraktiver würde. Stefan möchte das Thema auch gegenüber Justizministerin Alma Zadic ansprechen. Die ist am Dienstag zu einer allgemeinen Aussprache im Rahmen des Justizausschusses eingeladen.

Bleibt bis Jahresende denn überhaupt genügend Zeit für eine Reform? „Wenn der Wille da ist, wenn allen Parteien Korruptionsbekämpfung ein ehrliches Anliegen ist, dann geht sich das aus,“ ist Selma Yildirim überzeugt.

Johannes Margreiter, er ist Justizsprecher bei den NEOS, sieht das ebenso. „Wenn ein übereinstimmender Wille da ist, geht es sich aus.“ Aktuell sei die Regelung totes Recht. Margreiter wünscht sich, dass sie „in die Praxis überführt und verlängert“ wird, aber: „Knackpunkt ist die ÖVP.“ Wenn die sich querlege, sei nichts zu machen. Justizsprecherin Alma Zadic (Grüne) wäre laut Margreiter „sicher im Boot“.

Von Grünen-Justizsprecherin Agnes Sirkka-Prammer und – noch entscheidender – ihrem Pendant bei der ÖVP, Michaela Steinacker, war am Freitag kurzfristig keine Stellungnahmen zu bekommen.

Das Schicksal der Kronzeugenregelung ist also inmitten der Inseratenaffäre völlig offen.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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30 Kommentare

  1. Was in anderen Ländern funktioniert, geht in Österreich natürlich nicht. Wir sind anders!
    Bei uns klappt nur Bestechung und Korruption hervorragend, da können alle von uns lernen.

  2. Die Beinschab wurde nicht zur Gaude entlassen ! Beobachtung und Überwachung rund um die Uhr ! Jeder macht Fehler…..

  3. Ich verstehe die Frau Beinschab nicht, warum die nicht auspackt. Dann auch noch zu versuchen Daten zu löschen, was ja fast so etwas wie eine Schuldeingeständnis ist. Das sie, falls die Gerichte sie für schuldig erachten, dann nicht die Hauptschuldige ist, das scheint doch auch ziemlich sicher. Kooperation mit der Justiz wirkt sich immer strafmildernd aus. Sehr ungeschickt ihr Verhalten.

  4. Die Justiz muß mit aller Härte und Strenge bei Verstößen des Pöbels gegen die geltenden Rechtsnormen agieren. Dafür braucht man doch keine Kronzeugenregelung….
    Bei den höheren “Tieren” werden die geltenden Rechtsnormen interpretiert, da kommen dann Ergebnisse heraus, die den Pöbel nur staunend zurücklassen.
    Gerade in diesem Milieu ist aber die Kronzeugenregelung von essentieller Bedeutung und das schärfste Argument, um organisierte Kriminalität (egal ob im politischen oder wirtschaftlichen Bereich) und ihre Dabeis zu entlarven und auch zu überführen.
    Siehe OK Ermittlungserfolge in den USA und Italien, die ohne dieses Instrument nie möglich gewesen wären.
    Da es aber in Österreich, wie wir an der türkisen Familien, den Dabeis und diversen Präsidenten sehen, keine Organisierte Kriminalität gibt, brauchen wird dieses Instrument auch nicht…………………………………………………………………
    Gute Nacht Österreich!

  5. Gut so. Das sich so ein Araxhloch die Freiheit erkaufen kann weil er eingesteht betrogen zu haben, sehe ich sowieso nicht ein.Hurnkinder sollen die volle Härte bekommen, IST SO

  6. Die Verlängerung und Ausweitung der Kronzeugenregelung und die Anwendung des Mafia-Paragrafen. Dann hätte die türkise Korruptionssumpfmafia von und um Kurz nichts mehr zu lachen.

  7. Da könnte Kurz noch eine Chance nützen um zur tatsächlichen Aufklärung aller gegen die Familie gerichteten Vorwürfe aktiv beizutragen!

    Nachfolgend ein Hinweis auf einen sehr interessanten Artikel im heutigen DerStandard
    “Was für ein Blödsinn”: Ein Staatsverweigerer und sein “Wien der Herzen”
    https://www.derstandard.at/story/2000130478849/was-fuer-ein-bloedsinn-ein-staatsverweigerer-und-sein-wien-der?ref=article
    Mich persönlich erinnert der gesamte Sachverhalt an dieses Projekt Ballhausplatz.

    • Ui ui ui…. ^^
      Nicht wissend, dass die Gefahr für den Staat ganz woanders lauert.

  8. Die Kronzeugenregelung greift nur, wenn sie zur Wahrheitsfindung beiträgt. Bei Hochegger hat es im Buwog-Prozess zwar nicht geklappt, aber er konnte abschließen und ist mental frei. Das ist eine andere Lebensqualität, als wenn ich mit Lügen leben muss. Mit oder ohne Regelung: Ich empfehle allen Beteiligten ein Geständnis in vollem Umfang, das macht sich immer bezahlt: Fußfessel, vorzeitige Entlassung…

    • Im Fall Hochegger kann man sehen, dass die Kronzeuge Regelung bei uns nicht funktioniert!
      Man hat alles, was Hochegger angegeben hat, einfach so in die Anklageschrift übernommen, ohne deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen!
      Bei der Revision wird die Urteils Schrift auseinander genommen werden.
      Bei zwei wesentlichen Punkten gibt es jetzt schon Beweise, dass er gelogen hat!

  9. Ach, das finde ich jetzt super, dass das publik wird, dass die Kronzeugenregelung noch bis Ende des Jahres gilt. Also, alle Unentschlossenen: Jetzt ist Zeit, Gelegenheit und Motiv vorhanden diese Regelung in Anspruch zu nehmen. Am 1.1. kann es schon zu spät sein.

    Die ÖVP muss einer Verlängerung nolens zustimmen, alles andere wäre ein Schuldeingeständnis. Zudem könnte das Auslaufen der Regelung ja doch noch einige motivieren, die Regelung in Anspruch zu nehmen.

    Aber so wie ich das sehe, gilt die Regelung ja nur für große Fische. Die kleinen Fische bringen ja nicht genug neue Beweise zusammen, deren Gestaltungsradius ist wohl zu klein.

  10. Das Problem hierzu Lande ist, dass diese Kronzeugenregelung nur greift, wenn man vor Ermittlungen gesteht. Laufen allerdings Ermittlungen, liegt es in der Hand von Richtern dieser Regelung zuzustimmen.
    Wenn, dann müsste man die Italienische Variante einführen, bzw. die jetzige Regelung erweitern.

  11. Die Intention dahinter ist sonnenklar: Wer auspackt ist (mindestens) genauso dran wie alle anderen.

  12. Also wenn man bedenkt, dass sich diese Regelung in Italien bei vielen Mafia-Prozessen bewährt hat, kann sie auch in Österreich durchaus hilfreich sein. Besonders die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte, wenn die umfassenden Kriminalfälle “Die neue ÖVP, Sebastian Kurz und die Beidlbuam, das schwarze Netzwerk, welches seit Jahrzehnten die Öst. Republik systematisch ausraubt”. Ich warte darauf, dass hier endlich unser Mafia-Paragraph zur Anwendung kommt. U-Vermutung inkl.

    • Wenn es Krimi wäre, würden sich die Ermittler jetzt das schwächste Glied im System Kurz vorknöpfen, bis es heulend zusammenbricht und unter der Kronzeugenregelung richtig auspackt.

  13. Wieder ein kleines Schäufelchen Justizstaub für Kurzens Waagschale bei Justitia. Ich rufe die Säulenheiligen der Verbrechensbekämpfung Kommissar Keller, Harry Callaghan und als Notnagel noch Mr. Majestyk an, damit der kindliche Neuabgeordnete nicht durchkommt diesmal.

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