Das deutsche Innenministerium will aus „Staatswohlgründen“ keine Auskunft über eine mögliche Kooperation des BND mit Österreichern aus dem Wirecard-Umfeld geben. Es geht um Ex-Mitarbeiter der ÖVP-Minister Strasser und Spindelegger.
Wien, 20. Oktober 2021 | Gab es eine Zusammenarbeit des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) und Ex-ÖVP-Leuten aus dem Wirecard-Umfeld? Das will das Berliner Innenministerium (BMI) nicht sagen. Aus „Staatswohlgründen“, wie es in einer Antwort an Fragesteller Axel Troost (Die Linke) heißt.
Es geht um Ex-Spindelegger-Mann K. und die ehemaligen Vertrauten von Ernst Strasser, U. und G. Interne Dokumente geben Aufschluss über deren Verbindungen zur Milliarden-Luftblase Wirecard. „Diese Personen unterhielten Verbindungen zu Herrn Marsalek und tauchen immer wieder im Rahmen nachrichtendienstlicher Bezüge auf“, so Fabio de Masi, der für die Linken im Wirecard-U-Ausschuss so einiges aufdeckte.
De Masi sicher: „Bundestag wurde angelogen“
Eine mögliche BND-Zusammenarbeit mit den drei Beratern wird jetzt de facto zum Staatsgeheimnis erklärt. So hält das Berliner BMI fest, dass eine Kooperation mit Unternehmen und Personen „im Hinblick auf die künftige Erfüllung des (…) gesetzlichen Auftrages“ besonders schützenswert sei. Eine Offenlegung würde „das Ansehen von und das Vertrauen in den BND erheblich schädigen“. Würde die Regierung die Informationen freigeben, „so wäre zu befürchten, dass Kooperationspartner ihrerseits die Vertraulichkeit nicht oder nur noch eingeschränkt wahren würden.“ Aus all dem leite sich aber nicht ab, dass eine „Kooperation mit den angefragten Personen, Unternehmen bzw. deren Vertretern bestand oder besteht“, heißt es vonseiten des Innenministeriums in Berlin.
Auffällig: Für alle anderen Sicherheitsbehörden, etwa dem Verfassungsschutz, schloss das BMI eine Kooperation ausdrücklich aus. Warum nicht auch für den BND? „Die Antwort lässt tief blicken“, so De Masi. „Hätte der BND damit nichts zu tun, hätte die Bundesregierung dies schlichtweg verneint“, sagt er zu ZackZack. Die Bundesregierung habe gegenüber dem Wirecard-U-Ausschuss in der Vergangenheit immer wieder behauptet, „der BND habe keine Erkenntnisse zu Marsalek und seinem Umfeld gehabt. Offenbar will die Bundesregierung diese Floskel nicht aufrechterhalten, wenn es konkret wird.“
Der künftige Bundestag könnte ihm zufolge gezwungen sein, einen weiteren U-Ausschuss zum Komplex aus Geheimdiensten und Wirecard einzusetzen. Die Mauer des Schweigens will er nicht akzeptieren: „Ich bin mir mittlerweile sicher, das Parlament wurde angelogen. Die Nachrichtendienste stehen aber nicht über dem Gesetz. Ich bin kein Bittsteller gegenüber dem BND. Abgeordnete sind im Zweifel der Dienstherr!“
Wirecard, das ÖVP-Umfeld und lukrative Aufträge
Wer sind die drei Ex-ÖVPler, die im Fokus des Bundestags stehen und zuletzt mehrfach Aufträge von österreichischen Ministerien bekommen haben? U. war als Vertrauter von Ex-Innenminister Strasser einer der Gründungsarchitekten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gewesen. Seine Firma war für Wirecard aktiv: 25.000 Euro gab es für „Social-Media-Beratung“, wie aus internen Dokumenten hervorgeht. Den Vertrag schloss U. direkt mit dem mittlerweile inhaftierten Wirecard-Boss Markus Braun und seinem flüchtigen Vorstandskollegen Jan Marsalek.
Neben U. kommt auch G. aus dem Stall Strassers. Im Wirecard-U-Ausschuss führte Marsaleks Assistentin aus, G. habe für seine Firma „Rechnungen namentlich an meinen Chef (Marsalek, Anm.), die auch über mich gingen, zur Freigabe“ ausgestellt. G. soll auch ein Treffen mit Marsalek, Bundesheer-Brigadier Gustav Gustenau und dem deutschen Migrationsexperten Kilian Kleinschmidt 2018 in München organisiert haben. Es ging um ein „Aufbauprojekt in Libyen“ – ein Marsalek-Tarnprojekt für eine Terrormiliz, wie Experten unisono vermuten. Die türkisblaue Regierung, mit der Marsalek bestens vernetzt war, brachte G.s Firma indes eine mindestens sechsstellige Summe an Steuergeldern. Dabei ging es etwa um ein Konzept für ein „Trainingszentrum für Terroreinsatzlagen“. Ein Zusammenhang mit der Libyen-Causa? Laut Auftraggeber Verkehrsministerium angeblich nicht.
Auch K. ist Teil der Linken-Anfrage ans Berliner BMI. Der Ex-Mitarbeiter von Kurz-Ziehvater Michael Spindelegger ist auch heute noch mit dem Ex-Vizekanzler verbunden. Im Auftrag der Personalberaterfirma Spencer Stuart betrieb K. Headhunting für Wirecard. Welche Aufträge hat K. noch ausgeführt? Sein Ex-Chef von Spencer Stuart gab sich gegenüber ZackZack äußerst wortkarg. Er wolle keine Informationen über K. weitergeben – und legte sofort auf. K. selbst war etwas transparenter: Eine Zusammenarbeit mit deutschen Sicherheitsbehörden und dem BND könne er „mit Sicherheit“ ausschließen.
NEOS-Anfrageserie im Anmarsch
Derweil waren weder U. noch G. für eine Stellungnahme erreichbar. Es meldete sich allerdings ein bekannter Anwalt, der praktischerweise gleich beide vertritt. Es bestehe an seinen Mandanten kein öffentliches Interesse, im Übrigen könne man sowohl für U. als auch für G. „eine Zusammenarbeit mit dem BND in dem von Ihnen angefragten Zeitraum ausschließen.“
Die deutsche Geheimsache ist mittlerweile auch in Österreich angekommen, was dem Anwalt G.s und U.s missfallen dürfte. Denn die NEOS planen eine Anfrageserie – „betreffend Ministeriumsaufträge für ehemalige Mitarbeiter von Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser mit fragwürdigen Verbindungen zu Wirecard und BVT“, wie es wörtlich heißt. Stephanie Krisper und Co. wollen wissen, welche und wie viele Aufträge an Ex-Strasser-Leute gingen. Wie gingen die jeweiligen Entscheidungsprozesse im Detail vonstatten? Wer traf die Entscheidungen? Bestanden in der Vergangenheit Geschäftsbeziehungen zwischen dem jeweiligen Ressort und der Wirecard AG? All das werden jetzt mehreren Ministerien beantworten müssen. Eines ist aber jetzt schon sicher: der Fall ist durch die erneute parlamentarische Behandlung weiterhin von öffentlichem Interesse.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk