Die nächsten Tage entscheiden
Die Entscheidung über die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA steht kurz bevor. Assange drohen 175 Jahre Haft, weil er Kriegsverbrechen des US-Militärs aufgedeckt hatte.
London, 27. Oktober 2021 | Am Mittwoch beginnt in London ein Gerichtsverfahren, das über das Schicksal von Wikileaks-Gründer Julian Assange entscheiden wird. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte Grausamkeiten und Kriegsverbrechen des US-Militärs in Afghanistan und dem Irak aufgedeckt. Unter anderem hatte die Plattform ein Video veröffentlicht, in dem US-Soldaten wehrlose Verwundete erschossen. In den USA drohen Assange wegen der Enthüllungen bis zu 175 Jahre Haft. Für die aufgedeckten Verbrechen wurde hingegen niemand zur Verantwortung gezogen.
USA machen Zusagen
Am 4. Jänner hatte ein Gericht im UK die Auslieferung Assanges an die USA mit der Begründung abgelehnt, dem Wikileaks-Gründer drohten in des USA unmenschliche Haftbedingungen. Bezirksrichterin Vanessa Baraitser lehnte die Auslieferung ab, weil laut Gerichtsgutachtern Assanges psychische Gesundheit durch eine Haft in den USA gefährdet sei. Es bestehe Selbstmordgefahr. Um dennoch Assanges Auslieferung zu erwirken, machten die US-Behörden Zugeständnisse. Sie versicherten, dass Assange nicht in Isolationhaft gehalten würde und wenigstens einen Teil seiner Haftstrafe in seinem Heimatland Australien absitzen könne. Der britische Rechtsexperte Nick Vamos sagte gegenüber dem “Guardian”, er rechne damit, dass Assanges Verteidiger versuchen würden, die Zusicherungen der USA als unglaubwürdig darzustellen.
CIA-Mordpläne gegen Assange
Im September veröffentlichten Investigativournalisten von “Yahoo News” Recherchen über eine Verschwörung in der CIA. Assange sollte entführt oder ermordet werden. Der spätere US-Außenminister Mike Pompeo, zum Zeitpunkt der Planungen CIA-Direktor, hatte Wikileaks als “feindlichen Geheimdienst” bezeichnet. Weder die CIA noch Pompeo selbst wollten zu den Recherchen Stellung nehmen. Die CIA-Pläne könnten Assanges Anwälten helfen, die Zusicherungen der USA in Zweifel zu ziehen. Für die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, stellen die Berichte über Entführungs- und Mordpläne einen weiteren Beweis dar, dass weder den Versprechen der USA, noch den Prozesszeugen zu trauen sei. Callamard forderte die britischen Behörden auf, Assange freizulassen.
Amnesty, Reporter ohne Grenzen, UNO: “politischer Prozess, gefälschte Beweise”
Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer sprach gegenüber dem Schweizer Online-Magazin “republik.ch” von “willkürlicher Prozessführung”. Er wirft den USA vor, Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange konstruiert und Beweise manipuliert zu haben. Journalistenverbände wie Reporter ohne Grenzen sehen in dem Vorgehen gegen Julian Assange und Wikileaks einen politischen Prozess und eine Bedrohung für die Pressefreiheit. Der Deutschland-Chef von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr sagte gegenüber der “Deutschen Welle”, dass der Prozess gegen Assange “endlich gestoppt” werden müsse.
Stattdessen geht das Auslieferungsverfahren gegen Assange am Mittwoch in die nächste, wohl entscheidende Runde. Die US-Behörden argumentierten, das Bezirksgericht habe in seiner Entscheidung, Assange nicht auszuliefern, außer Acht gelassen, dass dieser Vater von zwei Kindern ist. Das würde ihn vom Selbstmord abhalten. Ein britisches Gericht folgte dieser Argumentation und ließ eine Berufung gegen das Urteil zu. Die Entscheidung wird für Donnerstag erwartet.
(tw)
Titelbild: APA Picturedesk