Das Leben spielt mit uns
„Gegen all euer Leiden verschreibe ich euch Lachen“, sagte der französische Arzt und Humanist François Rabelais. Die wöchentliche Dosis Medizin verabreicht Fritz Rabensteiner.
Wien, 30. Oktober 2021 | Ich liebe Sebastian Kurz. Er ist nach wie vor mein Bundeskanzler und wird es auch immer bleiben. Egal, was da noch kommen mag. Er ist der Kanzler meines Herzens. Sebastian und ich haben viel gemeinsam. Wir stehen uns, wenngleich auch nicht geografisch, so doch im Geiste sehr nahe. Zwei verwandte Seelen auf stürmischer See. Wir haben in unserem bisherigen Leben zu viel getrickst und deshalb ist bis heute nichts Gescheites aus uns geworden. Aber noch ist nicht alles verloren. Die Hoffnung lebt.
Ich war schon in der Hauptschule verhaltensauffällig. Ich habe die Unterschrift meiner Mutter gefälscht und bin bereits beim ersten Versuch gnadenlos gescheitert. Eine grandiose Niederlage. Danach habe ich geübt und geübt und geübt und als ich die Unterschrift endlich perfekt draufhatte, war das Schuljahr zu Ende. Ein Paradebeispiel für leere Kilometer. In Religion mussten wir eine Weihnachtskrippe basteln. Ich habe aus dem Nachtboten meines Großvaters eine Nackte ausgeschnitten und in den Stall gelegt. Das war meine erste künstlerische Phase. Meine Version der Jungfrau Maria. Die Ohrfeige des Kaplans spüre ich immer noch. So etwas wäre heute gar nicht mehr möglich. Der Nachtbote ist längst eingestellt. Elternsprechtage waren für meine Mutter immer Spießrutenläufe. Ich habe ihr immer wieder gesagt: „Geh da nicht hin. Wenn du etwas wissen willst, frag mich.“ Aber sie hat das System nicht verstanden. Mit schöner Regelmäßigkeit ging sie hoch erhobenen Hauptes in die Schule, um danach gramgebeugt wieder herauszukommen.
Im Halbjahreszeugnis der 2. Klasse Handelsakademie hatte ich zwei Einser, einen Zweier, acht Vierer und vier Fünfer. Das war meine zweite künstlerische Phase. Die blaue Phase. Ich hatte Klassenkameraden, die hatten keinen einzigen Einser. Für mich waren das Loser. Allerdings hatten sie auch keine Fünfer, aber das gehört nicht hier her. Ich habe vormittags an Billardtischen mehr über Geometrie gelernt als während meiner gesamten Schulzeit. Ich bin, und das kann ich ohne Übertreibung behaupten, der Erfinder des Distanzunterrichts. Eines Tages wird man mir dafür dankbar sein. Dennoch beschrieb mich meine Französischprofessorin mit den Worten: „Er ist innerlich hässlich, ein Gefäß voller Bosheit.“ Das Kollegium soll nur stumm genickt haben. Lediglich mein Klassenvorstand hielt eisern an mir fest und verstieg sich zu der These: „Aus ihm könnte etwas werden. Er hat Talent.“ Präziser wurde er leider nicht, weshalb ich seine These widerlegen musste. Ich könnte jetzt, nachdem er noch lebt, den mittlerweile bald 80-Jährigen um Mitternacht aus dem Bett läuten und ihm entgegenbrüllen: „Sie her, du gutgläubiger Narr. Nichts ist aus mir geworden. Und jetzt geh wieder schlafen.“ Aber das mache ich nicht. In meinem Alter gehe ich um Mitternacht nicht mehr aus dem Haus.
Die Rolling Stones singen ‚You Can’t Always Get What You Want‘. Ich glaube, Sebastian Kurz wird nach seiner Zeit als Politiker ein großartiger Vater und Hausmann sein. Schon als Baby wird die Frucht seiner Lenden wissen, wie man SMS schreibt und diese wieder löscht. Sebastian wird seine Aufgaben neu definieren, mit Leben erfüllen und dabei glücklich werden. Warum ich das glaube? Ich habe kürzlich im ORF die Sendung ‚Liebesg’schichten und Heiratssachen‘ gesehen. Im Wesentlichen ging es dabei um glückliche Paare, die dank der Sendung zusammengefunden hatten. Nur eine Kandidatin, eine 38-jährige Wienerin, war nach wie vor solo. Nach ihrem ursprünglichen Berufswunsch gefragt, gab die Feinkostverkäuferin Susanna eine bemerkenswerte Antwort. Sie sagte: „Mein Traumberuf war früher als Kind Leichenbestatterin. Das hat sich leider so nicht ergeben, weil ich dann in frühen Jahren in die Wurstabteilung gekommen bin.“ Und dort ist sie heute glücklich. Also wenn das kein gutes Zeichen für Sebastian Kurz ist, dann weiß ich es auch nicht.
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Titelbild: ZackZack/ow