Was steckt hinter der Korruptionsanklage der WKStA gegen Ex-Grünen Chorherr und Immobilienmagnaten wie Benko und Tojner?
Wien, 11. November 2021 | Am Mittwoch erhielten Ex-Grün-Politiker Christoph Chorherr und eine Reihe bekannter Immobilieninvestoren, darunter René Benko, Michale Tojner, Erwin Soravia und Günter Kerbler sowie Investmentberater Wilhelm Hemetsberger Post von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Es handelt sich um Anklagen wegen Amtsmissbrauch, Bestechung und Bestechlichkeit.
Die Anklagen haben, das ist Fällen von öffentlichem Interesse üblich, einen langen Weg hinter sich. Die Oberstaatsanwaltschaft hat sie genehemigt, der Weisungsrat sie empfohlen.
Die WKStA hatte in einer Aussendung am Mittwoch zunächst den Namen Chorherrs nicht genannt. Der ehemalige Planungssprecher der Wiener Grünen bestätigte aber, dass es sich beim Angeklagten Amtsträger um ihn handelt. Laut Staatsanwaltschaft soll Chorherr Immomagnaten geholfen haben, ihre Projekte durch den Wiener Gemeinderat zu bringen. Im Gegenzug spendeten sie Millionenbeträge an einen Verein Chorherrs, “S2Arch”. Der Verein war ein Spendenvehikel, über das Chorherr Geld für gemeinnützige Projekte in Südafrika sammelte. Unter dem Projektnamen “Ithuba” (“Chance” auf Zulu) wurden unter anderem zwei Schulen errichtet. Auch die Stadt Wien spendete 550.000 Euro an das Projekt, Chorherr stimmte als Gemeinderat selbst dafür. Der Stadtrechnungshof kritisierte 2017 die intransparente Vergabe dieser Mittel und ungenügende Nachweise über die Verwendung durch den Verein.
Grüne kommen in Regierung – Spenden steigen “massiv”
Seit die Grünen 2010 Teil der Stadtregierung waren, nahm S2Arch plötzlich “massiv” mehr Spenden ein. Chorherr hatte stets jedweden Zusammenhang zwischen seiner politischen Tätigkeit und der Spendenbereitschaft von Immobilieninvestoren ausgeschlossen. Die WKStA sieht das anders. Von Chorherr als einflussreichem Planungssprecher konnten sich Spender demnach “gewogene Amtstätigkeit” erwarten. Chorherr habe “für die Einflussnahme auf das Zustandekommen von diversen Immobilienprojekten in Wien und für das Herbeiführen der jeweiligen Beschlussfassung über diese Projekte im Gemeinderat Spenden an den Verein S2Arch gefordert, angenommen oder sich versprechen lassen.” Die Staatsanwaltschaft geht sogar so weit, zu vermuten, dass Immobilieninvestoren in Wien klar war: Wer eine Genehmigung braucht, muss an Chorherrs Verein spenden; denn die “Entgegennahme von Schmiergeldern” erwecke “nicht bloß den Anschein, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist, sondern vielmehr, dass eine unparteiische Entscheidung unmöglich ist.“
Den befragten Beamten der MA 21 war keine Einflussnahme Chorherrs aufgefallen. Das müsse noch nichts bedeuten, sagen die Ermittler. Chorherr sei “subtil” vorgegangen. Im umfangreichen Ermittlungsakt finden sich zahlreiche Spenden von Immobilieninvestoren an Chorherrs Verein.
Chorherr wollte, um einer Anklage zu entgehen, Diversion erwirken – offenbar erfolglos. Er und alle weiteren Beschuldigten – es sind insgesamt zehn Personen und 21 Firmen und Vereine – weisen jede Schuld von sich. Schon 2017 sagte Chorherr, er habe “niemals jemandem einen Vorteil verschafft”; auch nicht Michael Tojner, der vom Wiener Gemeinderat trotz heftigen Widerstands den Zuschlag für die Errichtung eines Hochhauses am Heumarkt erhielt. Die UNESCO hatte angekündigt, Wien bei Errichtung des Turms den Weltkulturerbestatus zu entziehen. Die Mitglieder der Wiener Grünen sprachen sich in einer Urabstimmung über das Projekt mit knapper Mehrheit gegen die eigene Parteiführung aus und lehnten den Bau ab.
Doch die Grünen Abgeordneten übergingen ihre Basis. Insbesondere Christoph Chorherr legte sich für den Turm ins Zeug. So sehr, dass ihm Tojner Minuten nach der Abstimmung im Gemeinderat am 1. Juli 2017 schrieb: “Danke Sie sind grossartig!” Chorherr habe sich “brav” verhalten, schrieb eine Mitarbeiterin Tojners an ihren Chef. Und als das Projekt endgültig in trockenen Tüchern war, vermeldete Chorherr an Tojner “Erleichterung”. Am Tag nach der Gemeinderatssitzung – einem Sonntag – trafen sich Tojner und Chorherr in dessen Büro. Die Mitarbeiterin Tojners erinnerte ihren Chef: “Außerdem wolltest Du bei Widmung ITHUBA 5000 Euro spenden.”
Von den Grünen in die Immobilienwirtschaft.
Über Ermittlungen gegen Michael Tojner stolperten zuletzt auch der nunmehr suspendierte Justiz-Sektionschef Christin Pilnacek und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter. Pilnacek soll Brandstetter eine Hausdurchsuchung bei dessen Klienten Tojner verraten haben.
Nach dem Ende seiner politischen Karriere 2019 heuerte Christoph Chorherr beim Immobilienmagnaten Erwin Soravia als Berater an. Dessen Unternehmen baue besonders umwelt- und klimafreundlich, lobte Chorherr. Auch Soravia spendete und ist nun angeklagt. Heute betreibt Chorherr eine Szene-Biobäckerei.
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
(tw)
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