Ein neuer Fund der Ermittler zeigt, wie tief Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter zu seiner Zeit als Verfassungsrichter in die Affären des „Investors“ Tojner verwickelt war.
Am 21. September 2018 stellte die Wiener MA 50 einen folgenschweren Bescheid aus. Mit ihm untersagte die Wiener Landesregierung einstimmig einen Deal, hinter dem sie den umstrittenen Immo-Spekulanten Michael Tojner ortete.
Es ging um die „Gesellschaft zur Förderung des Wohnbaus GmbH“. Wer sie kontrollierte, bekam Zugriff auf die „Wohnbauvereinigung GFW gemeinnützige GmbH“, besser bekannt als „WBV-GFW“, die als ehemalige Wohnbaugenossenschaft der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst GöD mit rund 3000 Wohnungen und einer Bilanzsumme von rund 400 Millionen Euro in Tojners Visier geraten war..
In kleinen Schritten war „WBF-GFW“ zuerst an die „Keystone Holding SA“ und dann an die „Christian Hosp Beteiligungs GmbH“ verkauft worden. Eine Genehmigung seitens der Wiener Landesregierung gemäß Gemeinnützigkeitsgesetz wurde nicht eingeholt.
Die Wiener Landesregierung untersuchte Firmenkonstruktionen und Verkäufe trotzdem und stieß bei ihrer „amtswegigen Prüfung“ über die Schweizer „Keystone Holding SA“ auf die Wiener „Wertinvest Immobilien Alpha GmbH“ – und dort auf Alleingeschäftsführer Michael Tojner.
Paragraph 9 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) verlangt die „Unabhängigkeit von Angehörigen des Baugewerbes“. Der „Kurier“ berichtete schon am 9. August 2018: „Tojner ist Geschäftspartner von Christian Hosp. Und dem wird wiederum vorgeworfen, nur der „Strohmann“ Tojners für den GFW-Immo-Deal gewesen zu sein.“
Für das Land Wien und seine MA 50 war klar, dass Tojner einer dieser „Angehörigen“ war. Damit hatte die MA 50 den Grund, den Übertragungen die Zustimmung zu verweigern. Kurz vor dem Ziel drohte den neuen Eigentümern die Annullierung ihrer Übernahme.
Doch eine einflussreiche Gruppe rund um Michael Tojner wollte nicht aufgeben und suchte einen neuen Weg.
Die Tojner-Strategie
Auf seiner Homepage stellt sich Christoph Schäffer vor: „Analyst. Optimierer. Umsetzer. Manager“. Am 11. Oktober 2018 lädt Schäffer per Mail eine illustre Runde zu einer Besprechung. Die Herren hatten nur ein Thema: „Strategie WBV 2018“. Zur Vorbereitung hängte Schäffer dem Mail zwei Beilagen an: den Bescheid der MA 50; und eine „Strategie WBV 2018“ in Form einer 17-seitigen Power Point-Präsentation mit dem Titel „Strategiebericht Oktober 2018“.
Die Runde ist hochkarätig besetzt:
- Michael Tojner, „Investor“
- Tojner-Anwalt Franz Guggenberger von der Anwaltsgesellschaft „Hasch & Partner“
- Tojner-Anwalt Nikolaus Arnold von „Arnold Rechtsanwälte“
- und Wolfgang Brandstetter, Verfassungsrichter, Ex-Justizminister und Rechtsvertreter von Tojner.
Schäffer beschreibt die „Ausgangsposition“. Der Bescheid der MA 50 hat den Aufkauf der WBV durch Tojner-nahe Unternehmen für ungültig erklärt. Auf Seite 3 beschreibt Schäffer das „Ziel“: „Privatstiftung mit Sitz in NÖ“. Die Stiftung soll offensichtlich getarnt werden und dazu „einem Gemeinwohlzweck wie z.B. Förderung der universitären Lehre oder sonstigen sozialen Zwecken dienen“.
Dann kommen die beiden entscheidenden Sätze:
- „Stifter ist Prof. Brandstetter“.
- Und: „MT darf maximal eine „Randfunktion“ innehaben (ansonsten Angehörigkeit zum Baugewerbe)“.
Der Verdacht lautet damit: Verfassungsrichter und Ex-Justizminister Brandstetter sollte in Niederösterreich mit einer Stiftung eine Fassade aufbauen, hinter der „MT“ – Michael Tojner – versteckt werden konnte.
Als zweite Variante bietet Schäffer sich selbst mit seiner „Carso GmbH“ an.
Der Runde liegen vier „Varianten“ zur Erreichung ihres Ziels vor. Die „Strategie WBV 2018“ weist allen Teilnehmern genauer Aufgaben zu. Wolfgang Brandstetter werden auf Seite 15 seine Aufgaben zugewiesen:
Dazu kommt als fünfte Aufgabe für den Höchstrichter: „Lobbying bei der Politik für Eigentümerwechsel“.
Im Strategiepapier soll Brandstetter auch offiziell eine Schlüsselrolle übernehmen. Auf Seite 13 hält das Papier „begleitende Maßnahmen“ fest: „Änderung des Aufsichtsrats: Neu: Brandstetter, Schicker“.
Auf elf Fragen vom „Strategiepapier“ bis zur Teilnahme an der Besprechung mit Tojner und den Anwälten antwortete Wolfgang Brandstetter nur mit einem Satz: „Die Antwort auf Ihre „Fragen“ ist: nein.“
Tojners Rechtsanwalt Karl Liebenwein antwortete ausführlicher: „Unser Mandant nimmt von einer inhaltlichen Stellungnahme mangels des Gebots der Objektivität entsprechender Fragestellung und aufgrund der den von Ihnen vorab vorgenommenen Wertungen Abstand. Ihre aufgestellten Vermutungen und Unterstellungen werden auf das Schärfste zurückgewiesen.
Ausdrücklich ist aber festzuhalten, dass im Zusammenhang mit ihren aufgestellten Behauptungen kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist und kein strafrechtlich relevantes Verhalten in irgendeiner Form vorliegt.“
Plan gescheitert
Teil 1 des Plans wurde umgesetzt. Tojner-Anwalt Franz Guggenberger von der Anwaltsgesellschaft „Hasch & Partner“ brachte Beschwerde gegen den Bescheid der MA 50 beim Wiener Verwaltungsgericht ein.
Aber dann ging nichts mehr. Tojner musste zur Kenntnis nehmen, dass er auch mit Brandstetters Hilfe diese gemeinnützige Wohnbau GmbH nicht knacken und später „verwerten“ konnte. Christoph Schäffer war seit 1. März 2018 Geschäftsführer der „WBF-GFW“. Am 29. März 2022 zog er sich wieder zurück. Tojner-Anwalt Franz Guggenberger und Christian Hosp verließen den Aufsichtsrat schon am 7. Juli 2020. Wolfgang Brandstetter tauchte nicht einmal im Aufsichtsrat auf.
Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com, Montage ZackZack