56 Tage war er Außenminister, jetzt soll Linhart eigenen Angaben zufolge Botschafter in Berlin werden. Woher weiß er von einer Entscheidung, die erst am Mittwoch gefällt werden soll? Und: Hat er sich bereits während seiner Zeit als Minister beworben?
Wien, 11. Dezember 2021 | Im Außenministerium (BMEIA) wird bald rochiert. Frei werden unter anderem die Botschafterposten Berlin, Paris und Jakarta (Indonesien). Kurzzeit-Außenminister Michael Linhart, der bereits nach 56 Tagen von Ex-Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) beerbt wurde, soll nach Berlin wechseln. Das kündigte er in einem Gespräch mit der APA selbst an. Problem: Er darf davon eigentlich gar nicht wissen.
Ausschreibung endete bereits im Oktober
Die vakanten Botschafterposten werden am kommenden Mittwoch im Rahmen des Ministerrats endgültig entschieden. Bis zur Verkündung ein vertraulicher Prozess, wie es aus Diplomatenkreisen heißt. Dass mit Gepflogenheiten in der Vergangenheit gebrochen wurde, sei gar nicht das größte Problem. Vielmehr sei irritierend, dass „er davor schon an die Presse geht“, heißt es aus dem eigenen Haus. Linhart war vor seiner Tätigkeit als Minister Österreichs Botschafter in Paris. Dorthin zurück könne er laut „Presse“ allerdings nicht mehr. Das würde vor Ort den Eindruck eines Regierungschaos in Wien verschärfen, mutmaßt die Zeitung.
Heikel ist auch ein Blick auf die Ausschreibung. Die Bewerbungsfrist für den begehrten Berliner Posten endete ZackZack-Informationen zufolge am 25. Oktober. Linhart war ab 11. Oktober Außenminister. Er muss sich also entweder bereits innerhalb seiner ersten zwei Wochen als Regierungsmitglied für den Posten beworben haben – oder gar nicht. Ersterer Fall wäre ein weiteres Indiz für die These, die Regierung Schallenberg sei von Anfang an reiner Lückenfüller gewesen. Option zwei wäre nicht minder brisant: Wenn Linhart den Posten tatsächlich bekommt, ohne sich vorher beworben zu haben, könnte es sich um einen Verstoß gegen das Ausschreibungsgesetz handeln. Botschafterposten können nämlich nur an jene vergeben werden, die zuvor formal (per Mail) eine Bewerbung abgeschickt haben.
Ausschreibungsgesetz als zahnloser Tiger
Ein derartiger Verstoß hätte wohl keine rechtlichen Folgen. Wie Transparency International Österreich (TI) in einem Empfehlungspapier festhält, sieht das Ausschreibungsgesetz (AusG) keine Sanktionen vor. TI fordert deshalb nicht nur verbesserte Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei Postenbesetzungen, sondern auch abschreckende Strafen bei Postenschacher.
Im Gegensatz zum Stellenbesetzungsgesetz (StellBG), das Posten in öffentlichen Unternehmen umfasst, sind laut TI „im AusG die Ausschreibung, die Bewerbung und das Verfahren viel ausführlicher und den unterschiedlichen Dienstverhältnissen entsprechend differenzierter geregelt.“ Insbesondere normiere das AusG die Tätigkeit verschiedener Kommissionen, wie der Begutachtungskommissionen, der Weiterbestellungskommission und der Aufnahmekommissionen, heißt es in dem Papier weiter.
Wie und ob derartige Vorschriften eingehalten wurden, ist im Falle Linharts nicht bekannt. Laut Insidern ist das allerdings kaum vorstellbar. Das Außenministerium wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Auffällig ist auch, dass im Zuge der Regierungsrochade der Botschafterposten für Paris neu ausgeschrieben wurde – der für Berlin aber nicht.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk