Das Außenministerium sieht sich mit inakzeptablen Übergriffen konfrontiert – und zieht erste Konsequenzen. In einem Rundmail wird „aus gegebenem Anlass“ die Null-Toleranz-Politik betreffend Autoritätsmissbrauch, Diskriminierung und sexuelle Belästigung angemahnt. Ein hochrangiger Diplomat wurde versetzt.
Benjamin Weiser
Wien, 30. September 2022 | Im Außenministerium (BMEIA) rumort es. ZackZack liegt ein brisantes Mail an die gesamte Belegschaft vor, wonach es jüngst Probleme mit „unangemessenem bzw. verbotenem Verhalten“ gegeben haben soll. „Aus gegebenem Anlass“ wolle man auf die Null-Toleranz-Politik im Haus aufmerksam machen. Es sei wichtig, dass Regeln nicht nur eingehalten, „sondern auch aktiv von uns allen gelebt werden“.
Außerdem werde sichergestellt, dass „geeignete Maßnahmen ergriffen werden“, um Mitarbeitende vor Belästigung zu schützen. Was ist los am Minoritenplatz?
Kein Einzelfall
Das Mail stammt vom 5. August und wurde von der „Offenen Liste“ verfasst, einer als linksliberal geltenden Strömung im Schallenberg-Ministerium. Angehängt sind ein Anti-Mobbing/Anti-Diskriminierungs-Papier sowie ein Verhaltenskodex. Die für diplomatisches Parkett deutliche Sprache der Aussendung zeigt: Es ist ernst. Und kein Einzelfall, wie weitere ZackZack vorliegende Informationen belegen.
Im Zuge der Botschafterkonferenz Mitte September soll die Personalsektionsleitung die Thematik in einer Ansprache aufgegriffen haben. Vor etlichen Botschaftern der Republik, die sich in Wien versammelten, soll dabei noch einmal eindringlich vor entsprechenden Verhaltensweisen gewarnt worden sein.
Gegenüber ZackZack zeichnet ein Insider ein erschreckendes Bild. Er spricht von einem strukturellen „Machismus-Problem“, dass mit den türkisen Postenbesetzungen seit Sebastian Kurz‘ Zeit als Außenminister Einzug ins BMEIA erhalten habe.
Das BMEIA ist übrigens jenes Ministerium, das die türkise Truppe um Kurz laut Chats für parteipolitische Zwecke zu instrumentalisieren versucht hat, etwa um „fremdenrechtliche Knaller“ vorzubereiten – ZackZack berichtete. Jetzt also muss sich das prestigeträchtige BMEIA mit neuen Problemen herumschlagen.
Dienstrechtliche Schritte gegen hochrangigen Mitarbeiter
Jedenfalls zeigt man sich im Ministerium ganz und gar nicht erfreut über aktuelle Vorgänge – und greift durch. In einer, wie es anonym hieß, „Nacht- und Nebelaktion“ wurde ein hochrangiger Diplomat versetzt. Bis vor kurzem arbeitete dieser noch in der Wiener Zentrale als mächtiger Mitarbeiter in Leitungsfunktion, nicht weit unterhalb des Ministers.
Aufgrund einer einschlägigen Beschwerde soll er innerhalb kürzester Zeit degradiert worden sein und jetzt an einer Botschaft in einem kleinen europäischen Land arbeiten.
Eine Sprecherin des BMEIA bestätigte auf Nachfrage, „dass dienstrechtliche Schritte gegen einen Mitarbeiter gesetzt wurden und dieser nicht mehr in seiner früheren Funktion tätig ist“. Weiter hieß es: „Sexuelle Belästigung in Form von verbalen oder physischen Übergriffen, Mobbing, Diskriminierung oder Autoritätsmissbrauch sind vollkommen inakzeptabel.“
Dabei wurde auf die Einrichtung einer Anlaufstelle zu sexueller Belästigung in der Personalabteilung verwiesen. Eine solche gibt es übrigens auch ohne „gegebenem Anlass“, von dem im erwähnten Mail der „Offenen Liste“ die Rede ist.
Die BMEIA-Sprecherin verwies gegenüber ZackZack auf Maßnahmen und Anlaufstellen wie die Arbeitspsychologin, die Gleichbehandlungsbeauftragte oder regelmäßige Informationen in Form von Dienstzetteln, Leitfäden, Vorträgen und Ansprachen. Offenbar sollen spezielle Seminare angeregt worden sein.
Auf die Frage, ob weitere derartige Vorfälle bekannt sind, die hochrangiges Personal betreffen, gab es keine Antwort. Sicher ist: Gegen Belästigung und Autoritätsmissbrauch am Minoritenplatz regt sich Widerstand.
Titelbild: ZackZack/Christopher Glanzl