Trump hat nach wie vor großen Rückhalt bei den Republikanern. Die versuchen indes, die Aufklärung rund um Kapitol-Umsturzversuche bis zu den Zwischenwahlen zu torpedieren. Doch immer mehr Details zu Trumps Rolle kommen ans Tageslicht.
Washington, 04. Jänner 2022 | Die Zeit für die Aufklärung des Kapitol-Sturms vom 6. Jänner 2021 drängt. Bereits im kommenden November stehen die Zwischenwahlen, die sogenannten „Midterms“, vor der Tür. Es wird ein gutes Ergebnis der Republikaner erwartet, was die Machtverhältnisse in den USA ändern würde – und damit auch die Aufklärung des gescheiterten Putschversuch der Trumpisten stoppen könnte. Zumindest die parlamentarische.
Trump immer noch einflussreich
Bis dato wurden Verfahren gegen rund 725 Beteiligte eröffnet. Juristisch droht also zumindest den rechtsextremen Umstürzlern Ungemach. Politisch sieht die Sache komplizierter aus. Amerikanische Medien berichten mit Blick auf die Untersuchungen des von den Demokraten dominierten Abgeordnetenhauses von Verzögerungstaktiken der Republikaner. Die befinden sich weiterhin in Geiselhaft ihres Ex-Präsidenten. Donald Trump hat auch deshalb viele Unterstützer in seiner Partei, weil sich kein Gegenkandidat des moderaten Flügels aufdrängt. Die Republikaner haben Angst, radikalisierte Trumpisten zu verlieren, sollte ihr Populistenidol aufs Abstellgleis gestellt werden. Damit hätten die Konservativen auf absehbare Zeit wohl keine Chance mehr aufs Präsidentenamt. So kommt es, dass viele Republikaner den Sturm auf das Kapitol als bedauerlichen Zwischenfall herunterspielen.
Die regierenden Demokraten sehen dagegen einen gefährlichen Umsturzversuch und wollen die Rolle Trumps herausarbeiten, um eine erneute Präsidentschaft zu verunmöglichen. Das parlamentarische Gremium legt deshalb einen Fokus auf die Frage, wie viel Trump von den Plänen gewusst hat. Hat er die Umstürze unterstützt und angeheizt? Zeugen sagen: Ja. Ein Trump-Insider, der Ex-Cop Bernard Kerik, spricht gar von einer „Smoking Gun“. Laut eines Dokuments aus dem Weißen Haus mit der Aufschrift „Draft POTUS (President oft the United States, Anm.) to seize evidence in the interest of national security for the 2020 elections“ soll Trump einen beispiellosen Machtmissbrauch geplant haben. Und zwar nur wenige Tage nach der Wahl Bidens zum Präsidenten, wie „The Philadelphia Inquirer“ berichtet. Das Dokument passt zu einer 38-seitigen Powerpoint-Präsentation, die im engsten Trump-Umfeldes zirkuliert sein soll. Darin geht es um das Szenario eines nationalen Notstandes, das Trump als Vorwand dienen sollte, um die Wahl Bidens für nichtig erklären zu können.
Tochter soll Trump um Eingreifen gebeten haben
Die Republikanerin Liz Cheney, Mitglied des Untersuchungsgremiums, betonte gegenüber „ABC News“, dass das Gremium aus erster Hand erfahren habe, wie Trumps Tochter Ivanka ihren Vater während des Kapitol-Sturms gebeten habe, einzugreifen: „Wir wissen, dass seine Tochter – wir haben Zeugenaussagen aus erster Hand, dass seine Tochter Ivanka ihn mindestens zweimal gebeten habe, „bitte beende diese Gewalt“, so Cheney. Sie gehört zu den wenigen Republikanern, die sich öffentlich gegen Trump stellen: „Er darf nie wieder in die Nähe des Oval Office kommen“. Die Zeugenaussagen bestätigte auch der Vorsitzende des Gremiums, der Demokrat Bennie Thompson. Ganz anders die Trump-Anhänger unter den Republikanern: Einige von ihnen fürchten, selbst in den Fokus der Aufklärung zu rücken und torpedieren die Untersuchungen. Es gab unter anderem mehrere fragwürdige Klagen, die eingebracht wurden.
Ob Trumps Verhalten auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte, ist derzeit noch unklar. Falls der Sonderausschuss Anhaltspunkte finden sollte, würde man entsprechende Informationen und Dokumente an das Justizministerium übermitteln, so Thompson. Hoffnungen ruhen derweil auch auf dem Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der USA. So hoffen die Aufklärer, an potenziell wichtige Dokumente der Exekutive zu kommen, deren Herausgabe Trump verweigert hatte. Jonathan Shaub, Ex-Rechtsberater im Justizministerium und Jus-Professor an der Uni Kentucky, hält es laut „Guardian“ für unwahrscheinlich, dass sich das Gericht auf die Seite von Trump stellen könnte. Das exekutive Privileg, mit dem Trump seine Verweigerungshaltung argumentiert hatte, könnte sich ins Gegenteil verkehren. Denn jetzt hat Joe Biden die Macht und der Supreme Court das letzte Wort.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk