Samstag, Juli 27, 2024

Randnotizen: Auf der Suche nach einem Problem

Joe Biden hat in seiner jüngsten Rede Mut bewiesen. Und die Bilanz seiner Präsidentschaft kann sich sehen lassen. Dennoch suchen die USA nach einem Problem.

Wenn man an diesem Wochenende die peinlichen „Kommunismus“-Kommentare, die angesichts der Salzburgwahl allerorten zu lesen sind, Prognosen zur Oscarvergabe, Berichte über die Landung des ersten Storchs in Rust und den zum Zehntausendsten Mal behaupteten Blödsinn, die Bierpartei sei eine linke Partei, überblättert hat, landet man bei erstaunlich nüchternen und sachlichen Berichten über Joe Bidens Rede, die den US-Wahlkampf nun in Gang gebracht hat.

Denn neben den Schlagzeilen Orbán lobt Trump, Trump lobt Putin und Putin lobt Orbán, die beweisen, dass auch das Lob bei den Demokratiefeinden auf der Welt in der Familie bleibt, ist hier etwas mehr Tiefe und Gehalt zu finden. Peter Burghardt berichtet aus Washington für die Süddeutsche Zeitung:

Mit kleiner Verspätung legt Biden gegen 21.15 Uhr Ostküstenzeit zur besten Sendezeit los. Und er startet so: Januar 1941, Franklin D. Roosevelt, Hitler, der Krieg. “Ich wende mich an Sie zu einem Zeitpunkt, der in der Geschichte der Union beispiellos ist”, habe Roosevelt damals gesagt, so formuliert Biden es jetzt auch. “Das Besondere an dieser Situation ist, dass Freiheit und Demokratie im In- und Ausland gleichzeitig angegriffen werden”, sagt er. Damit ist der Ton gesetzt.

Warum angesichts der Abwesenheit eines politischen Programms auf Seiten Trumps der Ausgang dieser Wahl eine Frage ist, muss erst beantwortet werden. Die Antwort Burghardts:

Biden wird immer wieder vorgeworfen, er sei zu weich, nicht stark genug und mit bald 82 einfach zu alt ist für den wichtigsten Job der Welt. Seine Umfragewerte sind deutlich schlechter als seine Bilanz.

Ja, die Umfragewerte! Jetzt ist nur noch die Frage, wer da gefragt wird und was sie oder er gefragt wird. Elisabeth Postl, die für Die Presse aus den USA berichtet, führt ebenfalls sehr genau aus:

Der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg unterstrich schon vor der Rede: Biden habe die US-Wirtschaft nach der Covid-Pandemie zu unvergleichbarer Stärke geführt. Rezessionsbefürchtungen stellten sich als unwahr heraus. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie zuletzt unter dem Republikaner Richard Nixon in den 1970er-Jahren. Die Inflation ist, im weltweiten Vergleich, so niedrig wie nirgendwo anders. Und doch: Die Amerikaner sind unzufrieden.

Ginge es um einen republikanischen Präsidenten, der vor seiner zweiten Amtsperiode stünde (Nixon beendete diese im Übrigen durch seinen Rücktritt, Ronald Reagan durch das Triften in eine Demenz, die seine gerichtliche Verurteilung verhinderte, und Georg Bush nach dem Beginn einer gigantischen Finanz- und Bankenkrise, die in den USA ihren Ausgang nahm), so würde man kommentieren: Da es keine weitere Wiederwahl mehr geben kann, könnte der Präsident große Reformen angehen.

Und so schreibt Eva Schweitzer aus New York für die Kleine Zeitung:

Er [Joe Biden, Anm. d. Verf.] kündigte entschlossenes Vorgehen gegen den Klimawandel und die Waffengewalt an und versprach eine Mindeststeuer von 25 Prozent für Millionäre in den USA.

Es scheint also kein Problem zu geben. Oder doch? Jedenfalls ist Biden bereit Stellung zu beziehen. Noch ein Zitat aus Elisabeth Postls Artikel in Die Presse:

In seiner Rede verschreibt sich Biden vor allem den Frauen der USA. Die Anti-Abtreibungsregelungen, die die konservative Mehrheit am Supreme Court durchgesetzt hat, wird ihm Stimmen einbringen. Er spielt darauf an, als er die Richter – ebenfalls anwesend – attackiert. Ein ungewöhnlicher Schritt, der im Applaus seiner Partei untergeht.

Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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