Bisher war Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine vor einer drohenden Invasion Russlands zurückhaltend. Seit Donnerstag ist jedoch die Rede von einem umfassenden Sanktionspaket gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2.
Wien, 28. Jänner 2022 | Deutschlands energiepolitische Zusammenarbeit mit Russlands bei der Energieversorgung wurde bereits vor der aktuellen Situation an der ukrainischen Grenze vielfach kritisiert. In den laufenden Verhandlungsgesprächen könnte sich Nord Stream 2 jedoch als ein Ass im Ärmel erweisen, um Druck auf Russland auszuüben und so eine Invasion zu verhindern.
Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich arbeiten mit Unterstützung der Vereinigten Staaten an einem umfangreichen Sanktionspaket gegen das neue russische Gasprojekt in Europa im Falle einer Eskalation der Lage in der Ukraine, berichtet die “Financial Times”. Auch Österreich hat umgeschwenkt und befürwortet nun Sanktionen gegen die Nord Stream 2 Pipeline.
Energie- und wirtschaftspolitische Sanktionen
Laut der Zeitung würden die Sanktionen sowohl den finanziellen Sektor als auch den Energiesektor betreffen. Das Ziel wäre es der russischen Schlüsselindustrie „einen Schlag zu versetzen“. Russland zählt nämlich als einer der größten Öl- und Gasproduzenten weltweit. Außerdem sollen Sanktionen diskutiert werden, die die Fähigkeit russischer Banken in Dollar zu operieren einschränken würden. Den Quellen der Zeitung zufolge wäre das ein Teil umfassenderer Wirtschaftssanktionen, die je nach Eskalation der Lage in der Ukraine angepasst werden würden. Diese könnten sich aber auch auf mehrere ausländische Unternehmen auswirken, die in russische Gasprojekte investiert haben wie BP, Total und Shell und im Weiteren auch auf die jeweiligen Länder, die die Sanktionen umsetzen. Der französischer Außenminister, Jean-Yves Le Drian, bestätigte das Sanktionspaket in einem Interview mit RTL-Radio am Freitag: „Die Verbündeten haben beschlossen, abschreckende Sanktionen vorzubereiten, um Russland dazu zu bringen, sich seiner Verantwortung und den Risiken, die es eingeht, zu stellen. Das bedeutet zum Beispiel auch, die Nord Stream Pipeline zu blockieren.“
Am Donnerstag wurde berichtet, dass die Europäische Zentralbank, die in Russland vertretenen europäischen Finanzinstitute vor möglichen Auswirkungen der Sanktionen und den daraus resultierenden Risiken im Falle einer Invasion gewarnt. Die Banken wurden um Informationen über mögliche Reaktionen auf antirussische Sanktionen gebeten.
Spott für Helmlieferungen
Indes erntete Deutschland Spott für eine Lieferung von 5.000 Helmen als militärische Unterstützung für die Ukraine. Die Ukrainer hatten jedoch nach 100.000 Helmen und Schutzwesten gebeten und zusätzlich an der ursprünglichen Forderung nach Waffen festgehalten. Der Bürgermeister von Kiew und ehemalige Boxweltmeister Vitali Klitschko wies dieses Angebot als “Witz” zurück, der ihn “sprachlos” mache. Gegenüber der „Bild“ fragte er spöttisch: „Welche Unterstützung wird Deutschland als nächstes schicken? Kissen?“ Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht lehnt Waffenlieferungen im Vergleich zu anderen Ländern ab. „Die deutsche Regierung ist sich einig, dass wir keine tödlichen Waffen in Krisengebiete schicken, weil wir die Situation nicht anheizen wollen, sondern auf andere Weise einen Beitrag leisten wollen.”, sagte Lambrecht auf einer Pressekonferenz. Sie fügte außerdem hinzu, dass Deutschland ein Feldlazarett in die Ukraine liefere und weiterhin eine friedliche Lösung anstrebe.
(nb)
Titelbild: APA Picturedesk