Dienstag, Oktober 8, 2024

Das Grauen ist ein Bürokrat – Pop up: Die Popkultur-Kolumne

Pop up: Die Popkultur-Kolumne

Wie bringt man eine Sitzung über den Mord an Millionen auf den Fernsehbildschirm? Philipp Hochmair, Simon Schwarz und Co. schlüpfen dafür in die Rollen von hochrangigen Nazis.

Stefanie Marek

Der Film „Die Wannseekonferenz“ zeigt viel durch ziemlich wenig: Eine Villa, ein Raum, 15 Männer für eineinhalb Stunden rund um einen Tisch. Was sie besprechen, wird von einer Sekretärin protokolliert. Wie schon bei der 20 Jahre alten BBC/HBO-Verfilmung der Ereignisse basiert das Drehbuch auf diesem knappen Protokoll. Denn die Wannseekonferenz fand am 20. Jänner 1942 am Berliner Wannsee wirklich statt. Hier wurden hochrangige Nazis über die sogenannte „Endlösung“ informiert.

Das ZDF hat anlässlich des 80. Jahrestags einen Film mit prominenter Besetzung gemacht: Burgschauspieler Philipp Hochmair etwa schlüpft in die Rolle von Sicherheitspolizeichef Reinhard Heydrich, der bestens gelaunt die „Endlösung“ verkündet. Was der Film zeigt: Wie Juden im Nazi-Regime willkürlich zum „Anderen“ erklärt und dabei entmenschlicht wurden. Und wie das Töten danach nur als der nächste logische Schritt erschien.

Sprache als Waffe

Es ist ein stiller Film, der da am Montag im ORF lief, ganz ohne Filmmusik und Knalleffekte. Die Lichtgestaltung entspricht einem düsteren grauen Morgen im Jänner. Die Kameraführung lebt von den vielen Close-ups auf die Gesichter der Charaktere. Die verhaltenen Regungen darin sind exzellent gespielt.

Im Film benennt lange keiner, worum es bei dieser Konferenz wirklich geht: um das Töten von Millionen Menschen. Die Dialoge sind in klinischem Beamtendeutsch gehalten. Die Juden werden nicht getötet, sie werden „sonderbehandelt“. Alles Jüdische wird als Problem bezeichnet, das es zu lösen gilt. Es ist kein Massenmord, es ist die „Endlösung“. Das Grauen ist ein Bürokrat.

Wir und die anderen

Eine Diskussion, wer als jüdisch oder deutsch klassifiziert werden kann, zeigt die Willkür der Einteilung in „wir“ und „die anderen“. Die einzigen Bedenken beim Massenmord: Wie kann er möglichst geordnet und effizient ablaufen? Die Gaskammern sollen das Problem schließlich lösen: kein Kontakt mehr zwischen denen, die töten und denen, die sterben.

Protagonist Reinhard Heydrich glaubt an das „Wir“, ihm ist die Macht der Sprache durchaus klar. Am Ende sagt er über das Protokoll: „Kleiden Sie alles in dienstliche Worte, wir wollen niemanden erschrecken. Aber später soll niemand sagen, er hätte von nichts gewusst.“

Der Film ist noch bis 31. Jänner in der TV-Thek des ORF abrufbar. Klare Anschau-Empfehlung!

Titelbild: ZackZack/ORF Julia Terjung

Autor

  • Stefanie Marek

    Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.

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