Gerichtsprozess läuft weiter
Ein Justizwachebeamter erschoss einen Dalmatiner auf einem Feldweg im niederösterreichischen Pöchlarn. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen schnell ein, jetzt ist der Fall doch vor Gericht – und er zieht sich.
St. Pölten, 31. Jänner 2022 | Die Zeugin kennt weder den Angeklagten, noch war sie bei dem Vorfall dabei, der derzeit am Landesgericht St. Pölten verhandelt wird. Aber sie kennt den Hund, um den es geht. Und sie kennt die Hundebesitzerin, die den Dalmatiner nach Ansicht der Zeugin nicht im Griff hatte: “Er war nicht abgerichtet, ungestüm und voller Energie. Es war ein lieber Hund, aber er hat nicht auf sie gehört. Etliche andere Hundebesitzer hatten schon Probleme mit ihm.”
Das ist deswegen relevant, weil Angeklagter und Hundebesitzerin zwei völlig verschiedene Versionen von dem erzählen, was an jenem Tag im November 2020 geschah. Weil am Vortag der Terroranschlag von Wien gewesen war, hatte der angeklagte Justizwachebeamte seine private Waffe – die er legal besitzt – beim Spazierengehen mitgehabt. Sein Hund sei schon alt und in der Vergangenheit schon öfter von anderen Hunden attackiert worden, sagt er vor Gericht.
“Er war sofort tot.”
Als er den Dalmatiner auf ihn zukommen sah, habe er Angst um den Hund gehabt, denn der andere Hund sei in der Gegend berüchtigt. Den beiden Frauen, zu denen der Dalmatiner gehörte, soll er gesagt haben: “Leint den Hund an! Wenn er meinen angreift, erschieß ich ihn.” Der Dalmatiner habe seinen Hund plötzlich am Genick gepackt, da habe er abgedrückt. Der Hund war sofort tot, er habe ihn aber nicht töten wollen.
Hundebesitzerin sagt es gab keinen Angriff
Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren zuerst eingestellt, weil sie den Schuss als gerechtfertigte Handlung in so einer Situation einstufte. Dann kam der Fall aber doch vor Gericht. Denn die Version der Hundebesitzerin lautet so:
Sie und ihre Mutter spazierten mit dem Hund auf dem Feldweg, als der Angeklagte schon von weitem gerufen haben soll, sie sollen ihren “Köter” anleinen, oder er werde ihn erschießen. Dabei soll er mit der Pistole herumgefuchtelt und auf sie, die Mutter und den Hund gezielt haben. Sie hätten den Hund zu sich geholt und angeleint und trotzdem habe er ihn erschossen. Einen Angriff des Hundes gab es laut ihr nicht.
Die Ehefrau des Angeklagten bestätigt seine Version. Die Mutter der Hundebesitzerin soll ebenfalls als Zeugin aussagen, sie ist jedoch in Quarantäne und kann nicht zum Gerichtstermin erscheinen.
Verteidiger lehnt Diversionsangebot ab
Weil der Angeklagte keine Vorstrafen hat, zugegeben hat, den Hund erschossen zu haben und ihm das Leid tut, kann sich die Richterin eine Diversion vorstellen. Also in diesem Fall eine Geldbuße ohne Verurteilung. “Auf keinen Fall!”, so der Anwalt des Mannes. Die Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft sei für ihn schlüssig und nach den Aussagen der letzten Zeugin stehe für ihn umso mehr fest, dass sein Mandant nicht schuldig ist. Der Prozess muss also weitergehen, doch dafür braucht das Gericht die restlichen Zeugen. Die Richterin vertagt also wieder auf einen neuen Termin. Mitte Februar soll es dann ein Urteil geben.
(sm)
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