Skylla & Charybdis
Julya Rabinowich in der heutigen Kolumne über Entschuldigungen als Wald-Schwammerl und “rotes Gsindl”.
Wien, 12. Februar 2022 | Mit den Entschuldigungen ist das so eine Sache. Es gibt sie in unzähligen Variationen, zwar nicht wie Sand am Meer aber doch ein wenig wie Schwammerl im Wald. Und genau wie diese gibt es unter den genießbaren, ja erfreulichen Varianten auch die eher unbekömmlichen, sogar die vollends toxischen.
Wer sich entschuldigt, weil das zu Entschuldigende aufrichtig leid und weh tut, ermöglicht ein Ausheilen und eine bessere Wiederbegegnung. Eine Entschuldigung kann so vieles bedeuten: eine echte Aufarbeitung ebenso wie ein höfliches „Geh zum Teufel“ in blumige Worte gefasst. Von „Ich übernehme die Verantwortung und sorge dafür, dass in Zukunft Solches unterbunden wird“ bis „Blöd gelaufen. Geben wir dem Pöbel, was der Pöbel will. Hoffentlich vergisst die Öffentlichkeit schneller als das Licht durch die Galaxis braucht“.
Die Wintersaison war ein guter Jahrgang der letzteren Erscheinungsform. Die Chats legen neben Korruption schonungslos auch eine Denkweise offen, die man vielleicht zuvor hat durchaus spüren können aber nicht wirklich glauben wollen. Theoretisch wäre da noch Platz für viele, viele Entschuldigungen. Noch schweigt der Türkise Wald stille. Nur eine macht: Haiders Erbe wird derzeit von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner weitergetragen, selbstlos wie Prometheus das Feuer an den Pöbel- Entschuldigung, an das Volk überbrachte. Ein Gsindl sei der damalige Koalitionspartner gewesen. Ein rotes.
Gsindl gemahnt an Gesinde, an Untergebene, Wertlose, Kriminelle. Die Synonyme zur Gesindel sind: Lumpenpack, Abschaum, Mob, und der schon den werten Lesenden vermutlich wohlbekannte Pöbel. Diese Enthüllung ist im Kern eine Fokussierung, ja eine Festlegung, die Schmid später offenbar scheute: handelte es sich beim Gesindel um ein rotes, also noch spezifischeres als der eher breitgestreute Schmidsche Begriff des Pöbels, der immerhin alle ungeachtet der Parteizugehörigkeit umriss. Das hatte gleich mehrere Folgen.
Einerseits eine unerwartete Bestärkung des Gsindls, das sich durch diese Definition eher in street credibility bestärkt und berufen sah, rot zu sein und zu bleiben. Ein Hauch des Rebellischen machte sich plötzlich in den Social Media breit. Je suis Gsindl. Andererseits geriet Mikl-Leitner in Zugzwang, die chats waren alles andere als schmeichelhaft, genaugenommen weckten sie Erinnerungen an eine richtige Sau. Sie musste also handeln.
Es hätte ein großer Moment sein können: ein Brückenschlag zum Exkoalitionspartner. Eine Anerkennung. Ein Bedauern. Was es geworden ist: leider etwas anderes. Eine Entschuldigung, die mit der Verteilung der eigenen Verantwortlichkeit auf alle beginnt, endet selten gelungen. Es sei nicht gut, wenn alle sich so ausdrücken würden. Jo eh wäre das nicht gut. Hat aber außer ihr niemand getan. Das Gsindl war alleine ihren Fingerspitzen entsprungen, ohne Not.
Damit hatte es sich leider noch nicht fertigentkulpiert. Noch ein wenig weiter entschuldigt landet die Landeshauptfrau ein wenig überraschend beim FPÖ-Klassiker des externen Sündenbocks, denn the times, they are a-changing. Für ungute Sager seien verantwortlich: die Flüchtlinge. Diese hätten das Koalitionsklima erheblich belastet. „Euer Ehren, sie hat mich einfach so provoziert, bis mir die Hand ausrutschte“ ist übrigens ein immer schon zurecht und glücklicherweise mehr und mehr verpöntes Manöver.
Mikl-Leitner steht aber in Sachen unpassender Entschuldigung sowieso auf den Schultern von Riesen: Jörg Haider spielte offenbar eine wichtige Rolle bei ihrer Wortfindung. Aber auch Expapst Ratzinger legt eine ordentliche Latte hoch, was entgleiste Entschuldigungen anbelangt.
Titelbild: ZackZack