Hessenthaler-Prozess
Tag fünf im Drogenprozess rund um „Ibiza-Detektiv“ Julian Hessenthaler. Immer noch kein Urteil, weil keine Videoschaltung mit einer Zeugin möglich war. Dafür Fragen zum Ibiza-Video, obwohl es darum im Prozess nicht geht.
St. Pölten, 16. Februar 2022 | Kameraleute belagern den Gang, im Zuschauerraum des Schwurgerichtssaals drängen sich beinahe mehr Journalisten als am ersten Prozesstag in der Causa rund um „Ibiza-Detektiv“ Julian Hessenthaler am Landesgericht St. Pölten. Es ist mittlerweile Tag fünf vor Gericht. Hessenthaler, dem Drogenhandel vorgeworfen wird, sitzt seit über einem Jahr in Untersuchungshaft. Es gilt die Unschuldsvermutung. Jetzt sitzt er wieder einmal in Sakko und weißem Hemd auf der Anklagebank und die vielen Medienvertreter sind „umsonst“ gekommen. Denn auch heute gibt es kein Urteil.
Eigentlich wollte das Gericht an diesem Tag die Mutter eines Hauptbelastungszeugen einvernehmen. Sie wohnt in Serbien und obwohl bereits seit Mitte Dezember laut Richter „alle Wege begangen wurden, um das zu beschleunigen“, konnte eine Videoschaltung mit der Frau über die serbischen Behörden „nicht bewerkstelligt werden.“
Verteidiger wollen Zeugin persönlich befragen
Bestehen Hessenthalers Verteidiger Wolfgang Auer und Oliver Scherbaum trotzdem darauf, die Frau persönlich zu befragen, anstatt einfach ihre bisherigen Aussagen in der Verhandlung verlesen zu lassen und damit den Prozess zu beschleunigen, fragt der Richter. Ja, das tun sie, so die Verteidiger. Deshalb muss es einen weiteren Prozesstag geben. Keine serbische Zeugin, kein Urteil. Der Richter schlägt einen Termin im März vor.
Aber warum ist die Mutter des Hauptbelastungszeugen Slaven K. überhaupt relevant für das Verfahren und damit eine Verzögerung wert? Slaven K. hatte in der Vergangenheit bereits mehrere Aussagen bei der Polizei gemacht, in denen er behauptete, die Drogen, um die es im Verfahren geht, von jemand anderem bekommen zu haben. Erst nach dem x-ten Mal fiel ihm dann ein, dass er die Drogen doch von Julian Hessenthaler hätte. Vor Gericht sagte er an vorangegangenen Prozesstagen dazu, er habe zuerst Angst gehabt, gegen Hessenthaler auszusagen, weil seine Mutter in Serbien von Unbekannten bedroht worden sei und er vermutete diese seien von Hessenthaler geschickt worden.
Die Verteidiger sagen gegenüber ZackZack, dass sie deshalb darauf beharren, die Frau persönlich zu vernehmen, weil sie bisher nie Gelegenheit hatten, mit ihr zu sprechen. Sie sehen die Ladung dieser Zeugin als Zeichen, dass das Gericht ihren Mandanten wohl nicht freisprechen wird, sonst hätte es das längst getan. „Man hätte ihn schon am ersten Tag freisprechen müssen, die bisherigen Prozesstage verstärken das nur noch“, so Oliver Scherbaum zu ZackZack.
Fragen zum Ibiza Video
Weil die Zeugin nicht dran kommt, kann der Dolmetscher gehen. Julian Hessenthaler muss bleiben, der vorsitzende Richter des Schwurgerichts hat noch einige Fragen an ihn. Von Beginn an wurde vom Staatsanwalt betont, dass es in dem Verfahren nicht um das Ibiza-Video gehe, für das Julian Hessenthaler verantwortlich ist. An den bisherigen Prozesstagen klammerte zumindest der Richter das Thema weitgehend aus, jetzt stellt er Fragen.
„Warum haben Sie nicht einfach aufgehört, als das Ibiza-Video gedreht war? Warum haben Sie das Video nicht gleich an Behörden oder Medien gegeben?“, sind einige davon. Andere drehen sich darum, von wem er Geld für das Video bekommen hat und was er damit gemacht hätte. Und wie viel ihn diese Unternehmung überhaupt gekostet und ob er das privat bezahlt habe. Bei diesem Teil der Fragen wird auch Staatsanwalt Bernd Schneider zum ersten Mal an diesem Tag offensichtlich hellhörig.
Hessenthaler: „Weder Spiegel noch SZ haben für das Video bezahlt“
Der Richter begründet seine Fragen damit, herausfinden zu wollen, ob Julian Hessenthaler 2018, zum Zeitpunkt der Drogenhandels-Vorwürfe, in Geldnot war und möglicherweise deshalb Drogen verkauft haben könnte. Eine Geldnot vermutet nämlich das Oberlandesgericht, bei dem Hessenthaler mit einem Antrag auf Haftentlassung abgeblitzt war. Hessenthaler hatte bisher bestritten, in Geldnot gewesen zu sein, auch den Drogenhandel habe er nie getätigt. Sachbeweise gibt es keine, die ganze Anklage basiert auf zwei Zeugen, die bisher extrem widersprüchlich aussagten.
Auf die Fragen des Richters antwortet Hessenthaler recht stoisch: Er habe den Behörden nicht vertraut (er verweist auf die BVT-Causa), er habe lange mit sich gerungen das Material weiterzugeben und „weder Spiegel noch SZ (Anm. große deutsche Zeitungen) haben für das Video bezahlt, Sie halten mir irgendwelche ausgedruckten Dinge vor. Es scheint mir als ob Sie hier versuchen, Informationen übers Ibiza-Video abzuleiten!“ Der Richter bestreitet das mit Bezugnahme auf seine bisherige Prozessführung und fragt weiter.
Fortsetzung folgt – wieder einmal
Warum hat Hessenthaler denn Anteile seiner Firma rund um diese Zeit verkauft, ist eine weitere Frage. „Ich war nicht in Geldnot, aber ich wollte ein neues Projekt starten für das ich Geld brauchte, das war der einzige Grund für den Verkauf“, antwortet Hessenthaler. Seine Motivation für das Ibiza-Video sei gewesen, dass er schockiert war, als er mitbekam, dass es bestimmten Leuten darum ging, mithilfe osteuropäischer Kreise Wahlen zu manipulieren.
Um die Mittagszeit verliest der Richter schon seit mehr als einer Stunde Beweisanträge der Verteidigung. Das Publikum wird müder, der hohe Aktenstapel neben einer Schöffin kleiner, die Anzahl der Leute im Zuschauerraum auch. Im März geht es weiter, Hessenthaler muss bis dahin weiterhin in der Justizanstalt St. Pölten auf den Ausgang seines Verfahrens warten.
(sm)
Titelbild: ZackZack/Stefanie Marek