Dienstag, September 10, 2024

»Inventing Anna«: Vom Luxushotel ins Gefängnis

Pop up: Die Popkultur-Kolumne

Eine weitere Geschichte über den Aufstieg und Fall einer Hochstaplerin führt momentan die Spitze der Top 10 auf Netflix an. Mit „Inventing Anna“ wird gezeigt, wie Menschen durch Oberflächlichkeiten und der richtigen Selbstvermarktung zu täuschen sind.

Wien, 19. Februar 2022 | „Diese Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten. Bis auf die Teile, die frei erfunden sind.“ Mit diesem Satz beginnt jede der insgesamt neun Folgen der Miniserie „Inventing Anna“ auf Netflix. Fast zeitgleich zum „Tinder Schwindler“ erschien am 11. Februar eine weitere Produktion über einen Fall von Hochstapelei und Betrug auf dem Streamingdienst.

Lug und Trug

Die Serie der „Greys Anatomy“-Produzentin Shonda Rhimes handelt von der Russin Anna Delvey/Sorokina (Julia Garner) aus Deutschland, die es schafft, sich in die New Yorker High Society Kreise einzuschleusen, indem sie sich als ihresgleichen ausgibt. Auf gewiefte Art und durch glamouröse Selbstdarstellung auf Instagram gewinnt sie das Vertrauen und infolgedessen auch das Geld von Menschen in ihrem Umkreis, die sie für eine reiche deutsche Erbin halten. Am Ende fliegt ihr Betrug auf und sie wird zu einer Freiheitsstrafe von vier bis zwölf Jahren verurteilt. Die Serie thematisiert den Prozess von Anna und die Popularität, die sie gewonnen hat durch die Berichterstattung der Journalistin Vivian (Anna Chlumsky).

Einseitige Darstellung

In sozialen Medien spalten sich die Meinungen zur Serie. Während die einen sie in den Himmel loben, finden sie andere viel zu langatmig und nicht spannend umgesetzt. In der Umsetzung wurde bedauerlicherweise auf Kosten der Qualität mehr Fokus darauf gelegt, zu zeigen wie die Journalistin die Geschichte geschrieben hat als um die Geschichte selbst. Dadurch entstehen viele Verständnislücken und offene Fragen. Der Zuschauer bekommt so viele widersprüchliche Informationen über Anna, aber eine nachvollziehbare Auflösung bleibt bis zum Schluss vorenthalten, wodurch die Geschichte unglaubwürdig wirkt. Die Protagonistin ist in dem Fall ein Antiheld, aber die Darstellung von Betrug und Schwindel wird hier im Gegensatz zu „Tinder Schwindler“ beinahe glorifizierend geframet.

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Man darf aber nicht vergessen: So geschickt sie in ihrem Talent, andere zu täuschen, auch gewesen sein mag, ist sie eine Person, die Menschen zu ihrem Nutzen belogen und betrogen hat. Dabei handelt es sich nicht um Kavaliersdelikte. Durch ihre Taten sind Menschen und Unternehmen in eine finanzielle und berufliche Bredouille geraten. Fairerweise muss jedoch angemerkt werden, dass „Inventing Anna“ ein jüngeres Publikum anspricht und in das Genre Drama fällt, während es sich beim „Tinder Schwindler“ um einen Dokumentarfilm handelt.

Als besonders verwirrend wird der Akzent von Anna empfunden. Laut der Schauspielerin soll es sich dabei um einen russischen Akzent handeln, der aber auch einen deutschen und britischen Einfluss hat. Dennoch soll man raushören können, dass sie eine gewisse Zeit in den USA gelebt hat. Diese Kombination, so realitätsgetreu sie auch sein soll, hat auf den Zuschauer eine ablenkende Wirkung.

Unschlüssige Handlung

Eine fragwürdige Rolle nimmt auch die Journalistin Vivian, die über Anna berichtet, ein. Die Handlung wird aus ihrer Sicht gezeigt, aber viele Fragen zu ihr bleiben unbeantwortet und erzeugen Verwirrung. Schon in den ersten Folgen der Serie erfährt man von einem beruflichen Skandal, in den sie verwickelt war und der ihr zum Verhängnis wurde. Es wird der Eindruck vermittelt, dass die Journalistin diesen „Fehltritt“ nicht verarbeitet hat und aus der Motivation ihren Namen reinzuwaschen sich dafür einsetzt, über Anna Sorokinas Prozess zu berichten. Aber die genauen Hintergründe bleiben bis zum Schluss unschlüssig. Zudem ist die übertriebene schauspielerische Leistung nicht überzeugend.

Fazit: So interessant die reale Geschichte über Anna Sorokina ist, widerspiegelt sich das in der Umsetzung nicht.

(nb)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Nura Wagner

    Greift der Redaktion unter die Arme so gut sie kann, sei es mit ihren E-Mail-Beantwortungsskills oder mit ihren Russisch-Kenntnissen.

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