U-Ausschuss
Der durch die BMI-Chats selbst in den Mittelpunkt der Untersuchungen gerückte Nationalratspräsident will trotz Kritik der Opposition den Vorsitz im ÖVP-U-Ausschuss führen. Sollten aber ehemalige Mitarbeiter befragt werden, will der ehemaligen Innenminister die Leitung für diese Zeit abgeben.
Wien, 19. Februar 2022 | Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) will trotz sich mehrender kritischer Stimmen aus der Opposition auch den Vorsitz im parlamentarischen ÖVP-Untersuchungsausschuss führen und beruft sich dabei auf die Geschäftsordnung. Allerdings ist er bemüht, Zweifel an seiner Objektivität auszuräumen. Sollten etwa ehemalige Mitarbeiter befragt werden, will der ehemalige Innenminister den Vorsitz für diese Zeit abgeben. “Ich bin kein Richter”, betont er außerdem.
Bereits im abgeschlossenen Ibiza-Untersuchungsausschuss war Sobotka – vorrangig mit SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer – zusammengekracht. Die Opposition sah den Nationalratspräsidenten, der selbst zwei Mal Auskunftsperson war, befangen und warf ihm vor, Partei zu ergreifen. Vor allem die Präsidentschaft im der ÖVP nahestehenden Alois-Mock-Institut stieß manchen Abgeordneten auf, wurde die Institution doch illegaler Parteienfinanzierung verdächtigt. Sobotka bestritt sämtliche Vorwürfe.
Sobotka will “entemotionalisieren”
Zahlreiche Geschäftsordnungsdebatten im Ibiza-Untersuchungsausschuss waren die Folge – was Sobotka diesmal vermeiden will. Durch eine bewusste Zurücknahme bei gewissen Befragungen will er diese zudem “entemotionalisieren”, wie er sagt. “Ich habe kein Interesse, irgendetwas auf die Spitze zu treiben”, so der Nationalratspräsident. Ohnehin habe der Vorsitzende keine Möglichkeit, ein “Urteil” zu sprechen oder inhaltlich in irgendeiner Form einzugreifen, betont Sobotka vor Beginn der ersten Befragungen am 2. März.
Ein parlamentarischer U-Ausschuss kläre schlicht die politische Verantwortung, wiederholte Sobotka – daher sei er auch als politisches Stilmittel und natürlich auch Minderheitsrecht der Opposition zu verstehen. Die Parteien seien nicht zur Objektivierung verpflichtet, da dies auch in der Verfahrensordnung nicht vorgesehen sei. “Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen”, so der Nationalratspräsident und: “Ich achte lediglich auf die Einhaltung der Geschäftsordnung und halte mich, wie bisher immer, an die Empfehlungen des Verfahrensrichters.”
Nationalratspräsident hält an Änderung der Geschäftsordnung fest
Bedauerlich findet Sobotka die Tatsache, dass sein Vorschlag auf eine Änderung der Verfahrensordnung nicht aufgegriffen wurde. Im Juli des vergangenen Jahres hatte der Nationalratspräsident allen Klubobleuten einen entsprechenden Brief mit der “Bitte um Evaluierung und Weiterentwicklung des Instrumentes U-Ausschuss” geschrieben. Bis auf eine einzige, und diese auch eher vage gehaltene Antwort, verlief der Brief im Sand. Nun richtet der Nationalratspräsident erneut einen Appell an die Parteien: “Eine Änderung der Geschäftsordnung ist dringend nötig, das liegt aber allein in den Händen der Fraktionen. Meine Hand ist ausgestreckt.”
Krainer: “Sobotka kann nicht Vorsitzender sein”
Der Fraktionsführer der SPÖ im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, Jan Krainer, bekräftigte Samstag seine Forderung, dass Wolfgang Sobotka den Vorsitz im U-Ausschuss zurücklegen muss. „Tatsächlich liefert Sobotka mit jeder öffentlichen Äußerung zum Untersuchungsausschuss weitere Rücktrittsgründe“, sagt Krainer. „Sobotka kann wegen seiner tiefen Verstrickung in den Untersuchungsgegenstand nicht Vorsitzender sein. Dass Sobotka außerdem habituell Unwahrheiten verbreitet, wie wir das heute in den Medien lesen, disqualifiziert ihn nur umso mehr.“
Dass Sobotka behaupte, dass keine der Oppositionsfraktionen auf seine briefliche Einladung zu Gesprächen über die Verfahrensordnung geantwortet hätten, sei falsch. Der SPÖ-Parlamentsklub hätte das Schreiben von Sobotka beantwortet. Es hätte “in der Folge im September auch eine Gesprächsrunde der Parlamentsklubs auf Ebene der Referent*innen gegeben”. Die wäre schnell beendet gewesen, weil die ÖVP das gemeinsame Anliegen aller Fraktionen, nämlich die Befragungen von Politikern im U-Ausschuss live zu übertragen, mit einer Einschränkung der Aktenvorlagepflicht, einer von Sobotka so genannten „Wahrheitspflicht für Fragen“ und Aufhebung der Wahrheitspflicht für Auskunftspersonen junktimieren wollte, so Krainer.
Hafenecker: Sobotkas Wortmeldungen zeugen von “mangelnder Selbstreflexion”
Auch die FPÖ übte am Samstag Kritik an den Aussagen Sobotkas. “Die heutigen Wortmeldungen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zum Ablauf des künftigen ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses sind einmal mehr entbehrlich und zeugen weiterhin von mangelnder Selbstreflexion. Wenn er, Sobotka, nunmehr ankündigt, manchmal auf den Vorsitz verzichten zu wollen, so zeige dies, dass er noch immer nicht verstanden habe, dass er nicht Teil der Problemlösung sondern Teil des eigentlichen Problems sei”, so der Fraktionsvorsitzende der FPÖ, NAbg. Christian Hafenecker.
Der Artikel wurde um 13.06 Uhr durch die Statements der Abgeordneten Kai Jan Krainer (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ) ergänzt.
(apa/red)
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