Die Kritik an Alexander Schallenberg ist groß nach seinem ZiB2-Interview. Der Außenminister meinte am Montag, dass seine Aussagen zu 1938 missverstanden worden seien.
Wien, 21. Februar 2022 | Wegen einer Aussage zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg steht Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in der Kritik. “Wir haben doch 1938 am eigenen Leib erlebt, wie es ist, wenn man allein gelassen wird”, sagte er während eines Gesprächs zur Ukraine-Krise in der ZIB 2 am Sonntag. Schallenberg sprach nun von einem Missverständnis – er habe damit keineswegs die These gemeint, Österreich sei beim Anschluss Opfer der Nationalsozialisten gewesen.
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— Gebrüder Moped (@GebMoped) February 20, 2022
Breite Kritik von Opposition
Nicht in Ordnung ist die Aussage jedenfalls für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. “Schallenbergs Vergleich der Situation in der Ukraine mit Österreich 1938 ist ein inakzeptabler Geschichtsrevisionismus, eine Verharmlosung des Schuschnigg-Regimes und ein Rückfall in den falschen Mythos von Österreich als erstem Opfer Hitlers”, stellte er in einer Aussendung fest. Die ÖVP zeige immer wieder ein bedenkliches Geschichtsbild, so Leichtfried, der unter anderem auf das Dollfuß-Museum in Texingtal – wo Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Bürgermeister war – Bezug nahm.
Die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz verurteilte das Statement und forderte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in einer Aussendung auf, Stellung dagegen zu beziehen. Auch in den sozialen Netzwerken kam die Aussage nicht gut an. Auf Twitter warf NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter Schallenberg Geschichtsrevisionismus vor, der Grüne Wiener Gemeinderat Martin Margulies nahm auf die Neuausschreibung des Botschafterpostens in Berlin Bezug und meinte, auch der Job des Außenministers müsse neu ausgeschrieben werden. Der Wiener FPÖ-Gemeinderat Leo Kohlbauer twitterte, Schallenberg dürfe “keine Minute länger Außenminister eines neutralen Landes sein.”
Schallenberg hat nicht den “Opfermythos Österreichs” gemeint
“Was ich gemeint habe, ist natürlich überhaupt nicht der Opfermythos Österreichs”, sagte Schallenberg am Montag in Brüssel vor Journalisten. “Was ich gemeint habe, sind die massiven Anstrengungen, die es gab, Ende 37 und in den ersten drei Monaten 1938. Ich denke etwa von der Präsidentschaftskanzlei oder damals von Hornbostel, Generalsekretär des Außenministeriums, um eine internationale Reaktion, internationale Solidarität zu erreichen – und wir wissen alle, letzten Endes war es nur Mexiko als einziges Land, das schriftlich im Völkerbund damals gegen den Anschluss Österreichs protestiert hat.”
Die Ukraine sei jedenfalls nicht allein und könne “mit unserer Solidarität rechnen”, so Schallenberg weiter. “Aber gerade wir Österreicher müssen doch mit unserer Geschichte ein gewisses Verständnis haben, wie es sich anfühlt, wenn ein Land einem potenziellen Aggressor gegenüber steht und in Wirklichkeit nur noch das Völkerrecht auf seiner Seite hat.”
Das gesamte Interview gibt es hier.
(apa/bf)
Titelbild: APA Picturedesk