ZiB2
Außenminister Alexander Schallenberg sorgte mit seinem ZiB2-Interview am Sonntag für Irritationen. Nach seinem Vergleich zwischen dem Russland-Ukraine-Konflikt und dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland folgte Kritik. Die SPÖ fordert eine Klarstellung von Kanzler und Vizekanzler.
Wien, 21. Februar 2022 | “Wir haben doch 1938 am eigenen Leib erlebt, wie es ist, wenn man alleingelassen wird.” Der Vergleich des Außenministers Alexander Schallenberg (ÖVP), zwischen dem Anschluss Österreichs im Jahr 1938 und der Lage in der Ukraine im Konflikt mit Russland im ZiB2-Interview am Sonntagabend sorgt derzeit für Wirbel. Schallenberg nahm bei seinem Vergleich Bezug darauf, dass die rote Linie, die nicht überschritten werden darf, das Völkerrecht sei.
Zudem ergänzte er, dass die Sicherheit der Ukraine auch Österreichs Sicherheit sei. Schließlich ist die ukrainische Grenze näher an Wien, als Vorarlberg. “Das ist nicht irgendwo weit weg von uns”, so der Außenminister. Zur Lage in der Ukraine und ob nun eine Krieg drohe führte Schallenberg weiter aus, dass die Zeichen auf Sturm stehen. Man müsse auf diplomatischer Ebene weiterhin alles unternehmen, um eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden. Bezüglich angedrohter Sanktionen gegen Russland betonte er, dass “Abschreckung und Dialog” das richtige Mittel sei. Wenn es aber zu militärischen Aktionen Russlands komme, “wird es massive Sanktionen geben, die wir nicht wünschen, aber wir werden sie machen müssen”.
Opposition wirft “Geschichtsrevisionismus” vor
Nach dem Interview wurden in den sozialen Netzwerken Stimmen laut, dass Ex-Kanzler Schallenberg „Geschichtsrevision“ betreibe. Unter anderem warf die NEOS-Abgeordnete Henrike Brandstötter Schallenberg dies vor.
"Wir haben 1938 selbst erlebt, wie es ist alleingelassen zu werden", sagt @a_schallenberg in der #zib2 zur Ukraine-Krise und betreibt Geschichtsrevisionismus.
— Henrike Brandstötter 🇪🇺🇺🇦 (@brand_rede) February 20, 2022
#Opferrolle 🇦🇹 #Schallenberg #zib2 pic.twitter.com/V4oeOGRyHK
— Gebrüder Moped (@GebMoped) February 20, 2022
In eine ähnliche Kerbe schoss der SPÖ-Niederösterreich-Chef Franz Schnabl: “Dass Schallenberg den Opfermythos aufleben lässt ist inakzeptabel”.
Dass Schallenberg den Opfermythos aufleben lässt ist inakzeptabel. #zib2
— Franz Schnabl (@SchnablFranz) February 21, 2022
#zib2 #schallenberg „wir haben 1938 am eigenen Leib erlebt, wie es ist, alleine gelassen zu werden“ ??? IMHO hat „Österreich“ 1938 Hitler u den Einmarsch der Nazis frenetisch begrüßt. #kopfschüttel
— Wolfram Proksch (@wolfsadler) February 20, 2022
Hat #schallenberg zur Ukraine gerade in der Zib gerade gesagt:“ … wir in Österreich wissen doch seit 1938 wie es sich anfühlt, wenn man im Stich gelassen wird.“ Was für ein politisches Personal haben wir in Ö?
— Katharina Stemberger (@KatharinaStemb1) February 20, 2022
SPÖ fordert Klarstellung von Kanzler und Vizekanzler
Scharfe Kritik kam auch von SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried und der SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz in einer Aussendung. „Schallenbergs Vergleich der Situation in der Ukraine mit Österreich 1938 ist ein inakzeptabler Geschichtsrevisionismus, eine Verharmlosung des Schuschnigg-Regimes und ein Rückfall in den falschen Mythos von Österreich als erstem Opfer Hitlers“, so Leichtfried. Zudem fordern die Sozialdemokraten eine Klarstellung von Kanzler und Vizekanzler: „Die ÖVP zeigt immer wieder ein schwer bedenkliches Geschichtsbild – angefangen vom Dollfuß-Portrait im ÖVP-Klub über das Dollfuß-Museum unter der Ägide von Innenminister Karner bis zur aktuellen Geschichtsklitterung des österreichischen Außenministers. Hier ist endlich eine unzweideutige Klarstellung von Bundeskanzler Nehammer und Vizekanzler Kogler notwendig.“
2019 kritisierte Schallenberg noch gegenüber der APA die langjährige Opferrolle Österreichs. Damals meinte Schallenberg bei einem Gedenkakt im Jüdischen Museum Wien, dass sich Österreich “zu lange selbst ausschließlich als Opfer des Nationalsozialismus betrachtet” habe. “Zu viele standen im März 1938 am Heldenplatz und haben mitgejubelt”. Der Opfermythos wurde erst 1991 abgelegt. Der damalige österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) bat als erster offizieller Vertreter der Republik um Entschuldigung für Österreichs Beteiligung an den NS-Verbrechen.
Das gesamte Schallenberg-Interview gibt es hier zum Nachsehen.
(bf)
Titelbild: screenshot/zib2