Ministerium rät von Einnahme ab
Berichte über erhöhte Strahlungswerte rund um das von Russen eroberte ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl haben hierzulande für einen Run auf Kaliumjodid-Tabletten gesorgt. Ministerium und Apothekerkammer raten von Hamsterkäufen ab.
Wien, 01. März 2022 | Die Aufregung war vergangenen Donnerstag groß, als Nachrichtenagenturen die Eroberung Tschernobyls durch russische Streitkräfte vermeldeten. Danach wurden im Gebiet rund um das ehemalige Atomkraftwerk, in dem es im April 1986 zur nuklearen Katastrophe kam, erhöhte Strahlungswerte gemessen. Laut der ukrainischen Atombehörde lag dies an den Bewegungen schwerer Militärfahrzeuge, durch die radioaktiver Staub aufgewirbelt worden sei.
Das Gebiet in Tschernobyl wurde vom russischen Militär am Weg nach Kiew eingenommen (Bild: AFP)
Das russische Verteidigungsministerium dementierte daraufhin die erhöhte Gefahr, die Situation sei unter Kontrolle, die Strahlungswerte lägen im „normalen“ Bereich. Auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEO gab Entwarnung. Die Organisation mit Sitz in Wien warnte allerdings am Sonntag vor möglichen Atomunfällen, da mehrere nukleare Einrichtungen in der Ukraine von den Kämpfen betroffen sind. Außerdem setzte Russlands Präsident Wladimir Putin am Sonntag die Atomstreitkräfte des Landes in Alarmbereitschaft.
Run auf Kaliumjodid
Der russische Angriff auf die Ukraine hat in Österreich nun zu einer erhöhten Nachfrage nach Kaliumjodid-Tabletten geführt, wie die Apothekerkammer am Montag bestätigte. Diese bieten nach einem Atom-Unfall Schutz vor Einlagerung von radioaktivem Jod in die Schilddrüse und verringern so das Krebsrisiko. Eingenommen werden darf das Medikament aber nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Gesundheitsbehörden und nur in der direkten Folge eines GAUs in einem Kernkraftwerk. Eine vorsorgliche Einnahme sei “sinnlos und eventuell sogar schädlich”.
Auch das Gesundheitsministerium rät derzeit von einer Einnahme des Medikaments ab und wies per Aussendung darauf hin, dass selbst bei einem schweren grenznahen Reaktorunfall kaum Notwendigkeit zur Jod-Einnahme für alle Personen und Regionen bestünde. Der Krieg in der Ukraine erfordere jedenfalls “keine Bevorratung von Kaliumiodid-Tabletten für Privatpersonen”. Im Notfall stünden “ausreichend Tabletten zur unmittelbaren Verfügung”.
Personen über 40 Jahre sollten Kaliumjodid-Tabletten nicht einnehmen, da ihr Risiko an strahlenbedingtem Schilddrüsenkrebs zu erkranken sehr gering, jenes von schweren Nebenwirkungen durch die Jodzufuhr aber hoch ist, informiert das Gesundheitsministerium auf seiner Internetseite.
(mst)
Titelbild: APA Picturedesk