Montag, April 29, 2024

ÖGB-Katzian zu Regierungs-Energiepaket: »Reicht absolut nicht aus«

»Reicht absolut nicht aus«

Das von der Regierung am Wochenende präsentierte zweite Energiekosten-Entlastungspaket ist ÖGB-Chef Wolfgang Katzian zu wenig angesichts der breitflächigen Teuerungen.

 

Wien, 21. März 2022 | Am Sonntag präsentierte die Regierung das zweite Energiekosten-Entlastungspaket. Das Energiepaket sieht eine 50-prozentige Erhöhung des Pendlerpauschale und eine Vervierfachung des Pendlereuros bis 30. Juni 2023 vor. Für Negativsteuerbezieherinnen ist ein einmaliger negativsteuerfähiger Betrag von 100 Euro geplant. Das soll laut Regierung in Summe eine Entlastung über 400 Mio. Euro bringen.

Weiters sollen die Öffentlichen Verkehrsmittel billiger werden. Die Regierung stelle noch heuer 150 Mio. Euro für Preissenkungen und eine Angebotserweiterung zur Verfügung. Dadurch soll ein Anreiz geschaffen werden, wenn möglich, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen.

Katzian: Einkommensabhängiger Absetzbetrag statt Pendlerpauschale

Gewerkschaftsbund-Chef Wolfgang Katzian geht das Paket nicht weit genug. Nur über die Energie zu reden und hier etwas zu tun, sei unzureichend, meinte der ÖGB-Chef am Montag im Ö1-“Morgenjournal”.

Dringend nötig sei ein Preismonitoring, eine Preiskommission zur Regulierung der Preise, wie das bei der Einführung des Euro gemacht worden sei – mit Regierung, Wifo, Nationalbank und Sozialpartnern. Aus der Steuerreform sei noch immer etwas offen, Stichwort Kalte Progression, obwohl die Preise für Arbeitnehmer und Pensionisten seit der letzten Lohnrunde explodiert seien.

“Die größten Schmerzen bei der Teuerung” gebe es bei Menschen mit niedrigen Einkommen, bei Familien mit niedrigen Einkommen, daher brauche man dort Verbesserungen. Deshalb wäre aus ÖGB-Sicht die Umwandlung des Pendlerpauschale in einen einkommensunabhängigen Absetzbetrag viel besser gewesen, denn das jetzige Pauschale und die nun präsentierten Maßnahmen würden jene mit ganz besonders hohen Einkommen begünstigen.

Die Senkung der Erdgasabgabe und der Elektrizitätsabgabe reiche nicht aus – eine wesentlich höhere Entlastung hätte eine Halbierung der Umsatzsteuer gebracht, was man auch vorgeschlagen habe, sagte Katzian. Bei der Gasabgabe erspare sich künftig ein 100-m2-Haushalt mit 14.000 kWh Gas-Jahresverbrauch zwar 88 Euro, bei der Mehrwertsteuerhalbierung wären es jedoch 132 Euro gewesen. Ähnliche Rechenbeispiele gebe es auch für die Stromabgabe.

Entlastungen reichen bei Inflationsrate von 5,9 Prozent nicht aus

“Ja, das sind Entlastungen, aber die reichen absolut nicht aus bei einer Inflationsrate von 5,9 Prozent”, so der ÖGB-Chef. Insgesamt sei am Sonntag zwar ein großes Paket präsentiert worden, es reiche aber nicht aus, nur auf dem Energiesektor etwas zu tun. Zwar gebe es natürlich die Preissteigerungen auf dem Energiesektor “insbesondere getrieben durch den Angriffskrieg in der Ukraine”, aber auch Post-Corona und natürlich die Lebensmittelpreise und die Lieferketten-Situation.

Was fehle sei ein Preisstopp, eine Absicherung des Sozialstaates – und es gebe auch “nix zum Arbeitslosengeld, das auf 70 Prozent angehoben werden müsste”, kritisierte der Gewerkschaftsboss. Es fehle auch eine Abschöpfung der Windfall Profits, denn es gebe “ganz ganz viele, die richtig richtig Kohle machen jetzt – und die werden außen vor gelassen”. Und die Energieversorger könnten zumindest einen Teil der zusätzlichen Einnahmen, die sie haben, an die Konsumenten zurückgeben. All das fehle, wie auch etwas gegen die Spekulation getan werden müsse. Wie der Auftrag an die Wettbewerbsbehörde sein werde, sehe man sich noch ganz genau an, bis jetzt kenne man nur die mündlichen Aussagen.

Wenn der Ölpreis sinkt, wäre es aus Sicht von Katzian “das Mindeste, dass sich das auch gleich an der Tankstelle niederschlägt und nicht erst 14 Tage später”. Wenn der Ölpreis steige, gehe das ruck-zuck: Am nächsten Tag oder noch am selben Tag seien die Spritpreise höher. “Wenn er runtergeht, dann warten wir mehrere Tage oder Wochen, das geht nicht.”

(bf/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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5 Kommentare

  1. Die Sozialdemokraten haben die Arbeiterklasse zur Seite geschoben, den Grünen war sie von Anfang an zu minder. Aber wenn sie nach rechts abdriftet, dann schreien beide empört auf, dass ihnen die Stimmbänder zu reißen drohen.

  2. Helfen kann nur ein rückwirkender Inflationsausgleich. Löhne, Pensionen, Arbeitslosengelder und Sozialhilfe müssen rückwirkend in Höhe der Inflation angehoben werden. Zur Erinnerung: Die letzte Pensionserhöhung war 1.8 %. Es geht auch nicht nur ums Tanken, sondern bei vielen auch ums Heizen und mit Gas kochen oder duschen. Schliesslich werden die Energiepreise sich auf die Lebensmittel und andere lebensnotwendige Ausgaben auswirken. Das alles ist finanzierbar. Vermögenssteuer, Transaktionssteuer und Einsparungen.

  3. Das Problem ist wohl, dass sowohl die SPÖ als auch die Grünen – wenn ich diese beiden als “Vertreter der Ärmeren” betrachte – so derartig weit weg von der Zielgruppe stehen, dass sie schlicht nicht wissen, wie man sie wirksam begünstigen kann. Wer nicht gerade GIS-befreit ist oder AMS-Leistungen bezieht, wird von nichts erfasst. Sie können ihre Zielgruppe nicht einmal mehr orten, geschweige denn legistisch definieren.

    Für diese Parteien wäre es so wichtig, ihren Nachwuchs dort zu “fischen”, wo tatsählich Leid beheimatet ist und nicht Bobo-Gender-Scheißdreck als einziges Problem erachtet wird.

  4. Eine vorübergehende Aussetzung des Ökoförderbetrags bzw. der Ökostrompauschale – beide Beträge bringen keine echte Ersparnis, denn wenn die beiden Beträge wieder eingehoben werden, darf man sie freilich wieder voll (zurück)bezahlen …
    Sehr sinnvoll.
    Genauso wie man beispielsweise Erwerbsarbeitssuchenden bei der Bewältigung der steigenden Kosten einmalige Zuschüsse zunächst bezahlen will (Wien sogar zusätzliche €200) und dann später das ALG reduziert (siehe COCKers Pläne zu einem degressiven ALG).
    Sehr sinnvoll.

  5. Einkommensabhängiger Absetzbetrag statt Pendlerpauschale?
    Das mit dem einkommensabhängig artet immer in die Richtung aus, dass Besserverdiener überproportional partizipieren.
    Das andere oder das eine: Der Dumme ist “immer der Kleine”!

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