IPCC-Bericht
Der Weltklimarat hat in seinem jüngsten Bericht erneut eine drastische Reduktion von klimaschädlichen Treibhausgasen gefordert, ansonsten seien die Pariser Klimaziele nicht mehr zu erreichen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres ging mit Firmen und Regierungen hart ins Gericht, der Bericht sei ein “Dokument der Schande”.
Genf, 05. April 2022 | Mit seinem sechsten Sachstandsbericht hat der Weltklimarat (IPCC) Regierungen und Konzernen erneut eine Gebrauchsanweisung zur Eindämmung der Erderhitzung vorgelegt. Die Vorgaben der 278 Wissenschafter sind klar. Es brauche eine radikale und sofortige Reduktion der klimaschädlichen Treibhausgase. Größtes Potenzial liege dabei im Einsatz fossiler Brennstoffe, heißt: Weg von Kohle, Öl und Gas – hin zu umweltfreundlichen Alternativen wie Sonne, Wind und Wasserstoff.
Größtes Potenzial in Städten und Industrie
Laut Bericht entfällt ein Viertel der weltweiten Emissionen auf die Industrie. Um dort einen Umschwung zu schaffen, gelte es, das verwendete Material noch besser einzusetzen. Dabei helfe die Wiederverwendung und das Recycling von Produkten. Zudem sollten Abfälle reduziert werden. Produktionsweisen, die frei von Treibhausgasen sind, seien bei Grundstoffen wie Stahl, Baumaterialien und Chemikalien aktuell noch nicht serienreif. Einige Ideen seien noch in der Pilotphase, manche aber kurz vor der Marktreife.
Aber auch jeder Einzelne könne etwas beitragen. Die Änderungen unserer Lebensweise, die dem Klima guttun, würden auch die Gesundheit der Menschen verbessern. Weniger Fleischkonsum oder mehr Fahrradfahren habe so doppelt positive Effekte. Die Politik müsse mit den richtigen Maßnahmen in Infrastruktur und Technologie jedoch dafür sorgen, dass ein Wandel im Lebensstil der Menschen möglich wird, ist sich die Ko-Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe III, Priyadarshi Shukla, sicher.
Besonders viel Potenzial liege hier in Städten: Die Wege für Bewohner müssten so angelegt werden, dass viel zu Fuß gegangen werden kann, den öffentlichen Verkehr gelte es zu elektrifizieren und beim Bau neuer Häuser auf Energieeffizienz zu setzen. Positive Beispiele dafür gebe es in allen klimatischen Zonen der Welt. Der Zusammenschluss von Parks und offenen Flächen könne etwa das Risiko von Überschwemmungen reduzieren und gleichzeitig Hitzeinseln eindämmen.
“Jetzt oder nie”
Auch wenn man bereits gesetzte Maßnahmen für den Klimaschutz positiv erwähnt, die Zeit werde immer knapper. In den von den Wissenschaftern bewerteten Szenarien muss die globale Emission von Treibhausgasen bis spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Ansonsten sei die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad nicht realisierbar. Zudem sei es erforderlich, dass der Ausstoß der Treibhausgase bis 2030 um 43 Prozent gesenkt wird. Gleichzeitig müsse auch der Methanausstoß um etwa ein Drittel reduziert werden. Erreiche man diese Ziele nicht, hätte das tiefgreifende Konsequenzen für Menschen, Tiere und die Natur. “Es heißt jetzt oder nie”, sagte Ko-Vorsitzender des Berichts, Jim Skea.
Guterres: “Weichen klar in Richtung unbewohnbarer Erde”
Hart fiel das Urteil von UN-Generalsekretär Antonio Guterres aus. Die Welt sei auf dem schnellstem Wege zu einer Klima-Katastrophe. “Es ist ein Dokument der Schande, ein Katalog der leeren Versprechen, die die Weichen klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde stellen”, sagte er in einer Videobotschaft zum neuen Bericht. “Sie ersticken unseren Planeten”, sagte Guterres über Regierungen und Firmen, die für hohe Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Die wahren gefährlichen Radikalen seien nicht Klimaaktivisten, sondern jene Länder, die die Produktion von fossilen Brennstoffen ausbauen. Solch eine Strategie sei “moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn”.
The latest @IPCC_CH report is a litany of broken climate promises.
Some government & business leaders are saying one thing, but doing another.
They are lying.
It is time to stop burning our planet. https://t.co/xzccxqwvhE
— António Guterres (@antonioguterres) April 4, 2022
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat nach der Veröffentlichung vor falschem Optimismus gewarnt: “Wenn ihr den neuen IPCC-Bericht lest, behaltet im Hinterkopf, dass die Wissenschaft vorsichtig ist und dass das hier in den Verhandlungen von Ländern verwässert worden ist”, schrieb die 19-Jährige am Montag auf Twitter.
When reading the new #IPCC report, keep in mind that science is cautious and this has been watered down by nations in negotiations.
Many seem more focused on giving false hope to those causing the problem rather than telling the blunt truth that would give us a chance to act.— Greta Thunberg (@GretaThunberg) April 4, 2022
Gewessler: Ausstieg aus Öl und Gas “Gebot der Stunde”
Auch in Österreich hat der neue Klimabericht erneut den Ruf aus dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern laut werden lassen. “Mit dem raschen Ausstieg aus Öl und Gas machen wir uns unabhängig von russischen Machtspielen und betreiben konsequenten Klimaschutz. Das ist jetzt das Gebot der Stunde”, reagierte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne).
Gewessler zeigte sich aber überzeugt, mit “ambitioniertem Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen” die Klimakrise und ihre Auswirkungen wirksam eindämmen zu können. “Mit dem konsequenten und raschen Umstieg auf grüne Energien aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse. Dafür haben wir die Lösungen schon, und sie werden immer billiger. Seit 2010 sind die Kosten für Sonnenenergie um 85 Prozent und bei Windenergie um 55 Prozent gesunken. Und wir fördern den Ausbau der Erneuerbaren Energien jetzt nochmal zusätzlich mit 250 Millionen Euro”, so die Klimaschutzministerin.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace Österreich forderte ebenfalls, “das fossile Zeitalter so rasch wie möglich zu beenden”. Der Klimabericht zeige, dass der Temperaturanstieg mit den vorhandenen Technologien auf 1,5 Grad Celsius begrenzt und damit die Erderhitzung eingedämmt werden kann. Dafür brauche es jedoch ein “Ende von Kohle, Öl und Gas: Energieträger, die nicht nur die Klimakrise, sondern auch Kriege befeuern. Österreich und andere Länder müssen rasch handeln und ihre Klimaschutzpläne nachbessern”.
(mst)
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