Freitag, April 26, 2024

»Mit eingezogenem Schwanz wieder aus Moskau abgefahren« – Internationale Presse zu Nehammer-Putin

Internationale Presse zu Nehammer-Putin

Die internationale Presse sah den Besuch Nehammers bei Wladimir Putin kritisch. Besonders italienische und deutsche Zeitungen gehen mit der Reise hart ins Gericht.

Wien, 12. April 2022 |

Deutschland

“Bild” (Berlin):

“Konkrete Ergebnisse? Von einem Erfolg kann nach Nehammers erster Schilderung keine Rede sein! Österreichs Kanzler musste am Montagabend selbst bekennen, er habe nach seinem Gespräch mit Putin über den Krieg ‘keinen optimistischen Eindruck’.”

“Süddeutsche Zeitung” (München):

“Die kleine Republik Österreich gefällt sich schon lange in dem vor allem von heimischen Politikern gepflegten Image, eine ‘Brückenbauerin’, eine diplomatische Größe im Konzert der Großen zu sein. Was immer Bundeskanzler Karl Nehammer beflügelt haben mag, sich auf eine mission impossible nach Moskau zu begeben, könnte mit diesem Selbstbild zu tun haben. Und doch wäre der ÖVP-Politiker besser beraten gewesen, es nicht zu tun.

(…) Moralisch sein, aufklären – beides ist sehr löblich und doch vor allem sehr naiv. Die Kriegsverbrechen sind gewollt. Die Realität ist bekannt. Wer immer noch glaubt, Putin sei nur schlecht informiert oder von seinen Hofschranzen in die Irre geführt, der leugnet bis heute, dass genau das die Strategie des Kreml ist: die Ukraine und die Ukrainer zu zerstören. Und danach alle, die sich Putin und seinen irren Ideologen in den Weg stellen. Moral ist eine Kategorie, die man im Kreml nicht akzeptiert.”

“Frankfurter Allgemeine Zeitung”:

“Der österreichische Bundeskanzler auf Friedensmission in Moskau: Da mögen bei manchen in Wien nostalgische Erinnerungen wach werden an Begegnungen wie einst zwischen (dem sowjetischen Staats- und Parteichef Nikita) Chruschtschow und (US-Präsident John F.) Kennedy. Das neutrale Österreich als ‘ehrlicher Makler’ und ‘Brückenbauer’, wenn auch keineswegs neutral gegenüber Völkerrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen: So hat Karl Nehammer vor der Reise seine Grundhaltung beschrieben. (…) Nach eigenen Angaben war es Nehammers Idee, danach auch nach Moskau zu reisen. Sie sei ihm gekommen, als er – ebenfalls spontan – beim Telefonieren mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Fahrt nach Kiew verabredet hatte. Das ist nicht unglaubwürdig. Nehammer neigt zu impulsiven Auftritten.”

“Die Welt” (Berlin):

“Ein österreichisches Sprichwort lautet: ‘Nutzt’s nix, schad’s nix.’ Als Österreichs Kanzler Karl Nehammer als erster europäischer Staatschef seit Beginn des Krieges an diesem Montag den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau traf, dürfte dies das Motto der Mission gewesen sein. Denn die Erwartungen waren niedrig. (…)

Vor seiner Abreise nannte der Kanzler seine Reise eine ‘Risikomission’. Risiken birgt dieser Besuch in der Tat, zum Beispiel, sich lächerlich zu machen und propagandistisch missbraucht zu werden.”

“Kölner Stadt-Anzeiger”:

“Auch wenn man nicht davon ausgehen kann, dass Putin sich vom militärisch neutralen Österreich mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern beeindrucken lässt, so reiht sich Nehammers Besuch dennoch ein in eine Reihe von Versuchen, den Kreml zum Einlenken zu bewegen. Diesen Kurs weiter zu verfolgen, kann – neben der allseitigen Hilfe für die Ukraine – nicht falsch sein.”

“Hamburger Abendblatt”:

“Das Ergebnis des Gesprächs ist praktisch ein Nichtresultat. Mehr war aber auch kaum zu erwarten. Denn Russland hatte in den vergangenen Wochen keinerlei Gesprächsbereitschaft erkennen lassen. Und Österreich pflegt zwar gute Beziehungen zu Moskau – Putin hat Wien seit 2014 zwei Mal offiziell besucht -, hat aber keinesfalls das politische und auch wirtschaftliche Gewicht, das nötig wäre, um Russland zu einem Einlenken zu bringen.

Die Sinnhaftigkeit der Reise stand demnach schon vorab infrage. Vor allem, weil kaum zu erahnen war, was es konkret zu besprechen gäbe. Alle bisher von Russland angebotenen Auswege enthalten eklatante Völkerrechtsbrüche. So blieb schließlich das heikle Thema Gas. Wie ein russischer Diplomat mutmaßte, wird es letztlich wohl vor allem um den fossilen Brennstoff gegangen sein.”

Schweiz

“Neue Zürcher Zeitung”:

“Es gibt derzeit keinerlei Signale eines russischen Entgegenkommens, im Gegenteil. Moskau bereitet gerade den Grossangriff auf den ukrainischen Osten vor, der noch brutaler werden dürfte als das bisher Geschehene. Vor diesem Hintergrund können Gespräche allenfalls dann aussichtsreich sein, wenn Putin ein ganz konkretes Angebot gemacht werden kann – sei es im Auftrag der Ukraine oder der Europäischen Union. Über ein solches Verhandlungsmandat verfügt Nehammer jedoch nicht, er handelte vielmehr aus eigenem Antrieb. (…)

Der Gefahr, dass Russland das Treffen propagandistisch ausschlachtet, beugte die österreichische Seite immerhin vor, indem sie Bilder, Filmaufnahmen und auch eine Pressekonferenz untersagte. Das ändert aber nichts an dem Signal, das Wien aussendet und das auch die russischen Medien verbreiten werden: Ein westlicher Regierungschef macht seine Aufwartung in Moskau, Putin ist nicht isoliert, die Einheit der EU könnte bröckeln.”

“St. Galler Tagblatt/CH Media”:

“Der Besuch von Österreichs Kanzler Karl Nehammer bei Wladimir Putin in Moskau war nicht nur sinnlos. Er ist auch ein absurdes Beispiel westlicher Fehleinschätzungen gegenüber dem Kriegstreiber im Kreml. Denn während für viele Konflikte gilt: Reden ist besser als Nichtreden, liegt der Fall bei Putin anders. Er will die Ukraine in die Knie zwingen, koste es, was es wolle. Der Westen sollte sich nichts vormachen: Der Herrscher im Kreml wird den Krieg gegen sein Nachbarland nicht durch gutes Zureden beenden. (…)

Nun zieht Putin seine Truppen in der Ostukraine zusammen. Sobald seine Armee bereit ist, dürfte ein Grossangriff folgen. Bis dahin braucht Putin Zeit. Vorstösse wie jener des österreichischen Kanzlers dürften ihm da gerade recht kommen.”

Italien

La Repubblica (Rom):

“Nehammer ist mit einer viel zu ehrgeizigen Liste von Zielen in Moskau eingetroffen: Eröffnung humanitärer Korridore, eine Waffenruhe und Ermittlungen über die Kriegsverbrechen russischer Truppen in der Ukraine. Der österreichische Bundeskanzler ist mit eingezogenem Schwanz wieder aus Moskau abgefahren.”

“Corriere della Sera” (Mailand):

Die Initiative des österreichischen Bundeskanzlers überrascht und löste einige Kritik aus. Sie muss vor dem Hintergrund der österreichischen Neutralität und der Rolle Österreichs als Brücke zwischen Osten und Westen verstanden werden. Wegen seiner starken Energieabhängigkeit von Russland zählt Österreich zu den EU-Ländern, die sich am meisten gegen ein Embargo gegen Russland wehren. Die guten Beziehungen zum Kreml haben die österreichische Regierung nicht daran gehindert, alle EU-Sanktionen gegen Russland mitzutragen.”

La Stampa (Turin):

“Die gescheiterte Mission Nehammers im Kreml: Sein Besuch hat zu keinen Resultaten geführt. Viele haben im Ausland und in der Heimat Nehammers Besuch kritisiert, die Ukrainer in erster Linie. Doch (der deutsche Kanzler Olaf) Scholz und andere europäische Regierungschefs loben den diplomatischen Versuch.”

“Dolomiten” (Bozen):

“Aber vielleicht kommt Nehammer ja gerade die Rolle des Underdogs zupass. Ein französischer Staatschef Emmanuel Macron kann mit Putin allenfalls telefonieren, aber dem Mann mit dem Blut an den Händen keinen Besuch abstatten, um Frieden oder was auch immer zu verhandeln. Der Kanzler Österreichs kann als Neutraler zumindest eine Dialogbasis aufrechterhalten – so möglicherweise die Überlegung auch der EU, die sehr zurückhaltend, aber nicht ablehnend der Reise gegenüber reagierte.”

“Il Messaggero” (Rom):

“Das erste Gespräch des Regierungschefs eines EU-Landes hilft nicht, eine einzige der Gewissheiten Putins gegenüber dem, was Moskau weiterhin als ‘Militäroperation’ bezeichnet, zu sprengen. Einziger positiver Faktor ist, dass Putin weiterhin die Istanbuler Friedensgespräche als mögliches Format für einen Dialog zwischen Russen und Ukrainern betrachtet.”

Großbritannien

“Guardian” (London):

“Nehammers Reise ist das erste persönliche Treffen zwischen Putin und einem europäischen Staatsoberhaupt seit dem Beginn der russischen Invasion vor sechs Wochen und birgt die Gefahr eines Bruchs mit der bisherigen Einheitsfront Europas, der USA und ihrer Verbündeten, die Moskau infolge seiner Aggression als diplomatisch isoliert darstellen.”

Russland

“Komsomolskaya Pravda” (Moskau):

“Nehammer war das erste EU-Staatsoberhaupt, das seit Beginn der Militäroperation nach Moskau reiste. Die Wahl eines “EU-Unterhändlers” ist an sich schon interessant. Einerseits entscheidet Österreich nicht so viel in Europa wie Frankreich oder Deutschland. Andererseits haben Macron und Scholz bereits so viel antirussisches Zeug gesagt, dass es für sie zumindest nicht sehr angebracht ist, nach Moskau zu reisen. Österreich hingegen hat sich mit seiner Neutralität als durchaus geeignete Option für Verhandlungen erwiesen.”

(bf/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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31 Kommentare

    • Seine Frau kann angesichts seiner politischen Selbstbeschädigung nicht einmal eine Klage wegen Rufschädigung gegen Putin einbringen!

      Darüber hinaus halte ich, die Aussage Putins für durchaus glaubwürdig. „Nehammer hat versucht Gas-Liefergarantien abzupressen!“ Das hätte die Propagandazentrale der ÖVP als politischen Erfolg verkaufen wollen!

  1. Eine Flucht vor seine Probleme um den Medien Futter zu geben…wie ertrinkende hauen sie in panik um sich…

    • Selensky hat Steinmeier ausgeladen, da er nicht auch noch ein Zweites Mal brüskiert werden möchte!
      Wir leben in einem Land, regiert von der korrupten Hawara Partie!

  2. Die Alternative:
    Nur nicht reden mit Putin und die Ukraine mit Applaus in ihr Verderben rennen lassen (aber unterstützt mit westlichen Waffen, die diese Russen nicht aufhalten können, denn der Luftraum gehört ihnen ganz allein). Die Ukrainer sind ohne jede Chance. Die einzige Frage ist nur, wie lange die totale Vernichtung dauert. Mariupol ist nur der Anfang dieser russischen Vernichtungstaktik.

  3. Wer nicht offen für die weitere Eskalation stimmt, wird medial niedergemacht. Vermutlich ist Steinmeier genau aus dem Grund vom Besuch in der Ukraine ausgeladen worden. Er hat sich wahrscheinlich für einen Frieden ausgesprochen.

    Wenn es wirklich kracht und wir etwas abbekommen sollten, werde ich mir ob der kriegstreibenden Deppen in der Bevölkerung eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen können.

  4. …mal sehen was nehammer nun die nächsten tagen so treibt! jetzt muss er die peinlichkeiten rund um kathi und die peinlichkeiten rund um putin aushalten/aussitzen/wegreden.

  5. ‘Was ist er denn
    Was hat er denn
    Was kann er denn
    Was red’t er denn
    Wer glaubt er, dass er is’

    Hot Putin gwusst mit wem er es da überhaupt zu tun hat …
    Jedenfalls ist Nehammer an Putin abgeperlt.

  6. Nein, von Erfolg kann keine Rede sein, wenn tags drauf Chemiewaffen zum Einsatz kommen in der Ukraine!

    Könntet ihr das netterweise auch mal bringen, oder ist euch das zu heikel das Wort in den Mund zunehmen, während die Leut in der Ukraine verrecken.

    Oh, apropos verrecken…. Ein Bericht über die zig Millionen Hungertote weltweit wär auch fein.

    Danke…

  7. Nutzen war der Besuch jedenfalls keiner. Ob er geschadet hat, da gehen die Meinungen auseinander. Ich persönlich finde es nicht sehr schlau, wenn man so abhängig ist von Russland wie Österreich, dann noch den Finger in die Wunde zu legen mit einem Besuch bei einem Diktator, der sich angesichts dieser Abhängigkeit wohl ohnehin täglich ins Fäustchen lacht.

  8. Wie dürfte dieses Gespräch abgelaufen sein???………Herr Putin ziehen sie ihre Truppen sofort aus der Ukraine ab, sonst sonst…….
    Putin , was sonst..???
    Nehammer , sonst geh ich wieder…….

    • wenn kurz statt nehammer gewesen wäre, hätte der gesagt “sonst ruf ich die mama an und die schick ich dir dann vorbei”

  9. Die größte Sanktion wäre eine Ausweisung aller russischen Staatsbürger aus Europa und der westlichen Welt, praktisch ein umgekehrter Eiserner Vorhang
    Wirds wegen der Wirtschaft nicht spielen, aber eine Überlegung ist es wert.

  10. Die Sinnhaftigkeit der  Mission impossible mögen Experten beurteilen, ich betrachte die persönliche Seite: Am “Tag danach” ist Ernüchterung eingekehrt, denn ab jetzt ist er völlig isoliert: Eigen-PR-Shows, da weder mit dem Koalitionspartner, noch mit der EU bis ins kleinste Detail GEPLANT, werden auch international als PR-Shows wahrgenommen. Der Besuch war depri, damit muss er nun allein klar kommen. Niemand hilft ihm aus dem Fiasko. Höflich aber reserviert, mehr wird er von der EU nicht hören. Wäre er als offiz. Vertreter der neutralen Staaten gefahren, hätte das Gewicht. Leider machte er die Reise als Karli, der 5 Monate Kanzler ist, davon 2 x auf Schiurlaub, politisch und privat ein Versager. P wird die Meldungen der österr. Propaganda-Zentrale peinlichst genau verfolgen. Den Besuch hier positiv zu verkaufen oder ein pessimistisches Stimmungsbild abzugeben, beides ein Fiasko. JEDE Äußerung MUSS unterbleiben. Seine Aussagen werden mAn geahndet werden, da kommt was Grobes retour…

    • So sehe ich das auch. Ohne Einbettung in eine diplomatische Strategie (Absprachen, Verhandlungspouvoir, Angebote etc.) war es eine weitere Urlaubsdestination, diesmal Moskau statt Katschberg. Auf unsere Kosten.

    • Ha super. Danke für die Zusammenfassung 🙂 Ja, so kanns gewesen sein. “Hartes, ehrliches Gespräch” halt.

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