Samstag, September 14, 2024

Polnisches Abtreibungsgesetz wird zum Problem für Ukrainerinnen

Polen beherbergt derzeit die größte Anzahl an ukrainischen Flüchtlingen. Polen gilt auch als eines der Länder in Europa mit den strengsten Auflagen zur Abtreibung. Für viele ukrainische Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, stellt das ein großes Problem dar.

Wien, 21. April 2022 | Der Krieg in der Ukraine rückt die Debatte um das umstrittene Abtreibungsgesetz in Polen in ein neues Licht. Unter den über 2.5 Millionen Ukrainern, die nach Polen flüchten, befinden sich zahlreiche Frauen, die Opfer sexueller Gewalt durch russische Soldaten wurden. Unter der gegenwärtigen polnischen Rechtsausübung ist es unklar ob diese Frauen auch einen legalen und sichereren Zugang zu Abtreibungsmitteln bekommen können.

Drakonisches Gesetz erschwert Schwangerschaftsabbruch

Nach der aktuellen Rechtsprechung sind im konservativen Polen Abtreibungen nur unter drei Bedingungen erlaubt: Inzest, Lebensgefährdung der Mutter und Opfer sexueller Gewalt. Letzteres zählt zwar dazu, aber laut Berichten von NGOs wird das praktisch nicht so gehandhabt. Eine verfassungswidrige Gesetzesnovellierung, die 2021 in Kraft getreten ist und eine massive Protestwelle in Polen ausgelöst hatte, verbietet eine der ohnehin wenigen Ausnahmen: Abtreibungen ungeborener Kinder mit schweren Fehlbildungen. Zuletzt erregte der Fall einer Aktivistin, der drei Jahre Haft drohen, aufgrund von Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch durch Besorgung von Abtreibungspillen große Aufmerksamkeit. Eine Schwangere hätte sich an die Aktivistin gewandt, weil ihr Ehemann gewalttätig war. Hilfsorganisationen und Aktivisten befürchten, dass es sich dabei um eine Machtdemonstration handelt.

NGOs bieten Hilfedienste für Ukrainerinnen an

Nun haben ukrainische Flüchtlingsfrauen, die abgesehen von der traumatischen Erfahrung, dass ihre Häuser und Städte bombardiert wurden, sie ihre männlichen Familienmitglieder zurücklassen mussten und sexuell von russischen Soldaten missbraucht wurden, auch noch zu bangen ein Kind ihres Peinigers austragen zu müssen. In einer Aussendung spricht die Frauensprecherin der Grünen Meri Disoski davon, dass ukrainische Frauen die Flucht nach Polen aus eben diesem Grund fürchten würden: „Nun fürchten ungewollt schwangere Ukrainerinnen die Flucht nach Polen, weil ihnen dort höchstwahrscheinlich eine Abtreibung verwehrt wird.“

Zahlreiche Organisationen, die sich für ungewollt Schwangere in Polen einsetzen, haben begonnen ihre Hilfedienste auch auf Russisch und Ukrainisch anzubieten und versuchen an der Grenze nach diesen Frauen Ausschau zu halten, um ihnen die notwendige Hilfeleistung anbieten zu können. Dazu gehört die Organisation „Aborcyjny Dream Team“, die auf ihrer Seite Informationen zum Zugang von Abtreibungspillen und der richtigen Einnahme anbieten, sowie „Federa“, die vor Kurzem eine Hotline für ukrainische Frauen auf der Flucht erstellt hat, um ihnen ein Beratungsgespräch mit Gynäkologen zu ermöglichen. Die Organisation “Ciocia Wienia” bietet Eingriffe zum Schwangerschaftsabbruch in Wien an. Sie organisieren die Anreise, die Unterbringung und den Termin in einer Klinik für den Eingriff. Auf der Seite von „Abortions without borders“ sind alle Hilfsorganisationen aufgelistet.

Brutaler Umgang mit Zivilbevölkerung

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind über 2.5 Millionen Flüchtlinge in das Nachbarland Polen geflohen. Zumeist handelt es sich dabei um Frauen und Kinder, da die Männer an der Front ihre Heimat verteidigen. Nach dem Rückzug der russischen Soldaten aus den Vororten Kiews ist bekannt geworden, wie die Zivilbevölkerung in Gefangenschaft zur Zielscheibe barbarischer Verbrechen russischer Soldaten wurde. Zahlreiche Berichte über Frauen, Jugendliche und selbst Kinder, die von russische Soldaten auf brutalste Art vergewaltigt wurden, erschütterten die ganze Welt. Angekommen in Polen haben die ukrainischen Flüchtlinge zwar Sicherheit, aber die Opfer sexuellen Missbrauchs haben keinen leichten bis gar keinen Zugang zu Abtreibungen, laut Berichten von NGOs vor Ort.

(nb)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Nura Wagner

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