Samstag, Mai 4, 2024

Hahn-Kritik war ein »Versehen« – »Ich weiß nicht, was mit Schalli los ist«

»Ich weiß nicht, was mit Schalli los ist«

Alexander Schallenberg sorgte mit seinen Aussagen über einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine für Verstimmungen in Europa.  EU-Kommissars Johannes Hahn (ÖVP) kritisierte Schallenberg auf Twitter scharf, löschte jedoch seine Kritik wieder. Es habe sich um ein „Versehen“ gehandelt.

 

Wien, 25. April 2022 | Es war ungewöhnliche parteiinterne Kritik, die Alexander Schallenberg am Sonntag erntete. Der EU-Kommissar und ehemaliger Wissenschaftsminister der ÖVP, Johannes Hahn, kritisierte den amtierenden Außenminister Schallenberg scharf dafür, dass er einen EU-Beitritt der Ukraine quasi ausgeschlossen hatte. Hahns Twitter-Profil postete am Sonntag zusammen mit einem ORF-Artikel („Schallenberg-Aussagen zu Ukraine und EU sorgen für Irritationen“): „Ich weiß nicht, was mit Schalli in letzter Zeit los ist, sehr unglückliche Aussage auch zur Neutralität…“

Ein “Versehen”

Die deutliche Kritik Hahns sei, wie die ZiB 2 am Sonntag berichtete, nicht vom EU-Kommissar selbst gekommen. Laut Hahns Pressesprecherin sei es ein „Versehen“ gewesen. Die Kritik stamme von einem Mitarbeiter, nicht von Hahn selbst.

Schallenberg hatte am Samstag im Rahmen des sogenannten europäischen Mediengipfels in Lech am Arlberg mit Blick auf die Ukraine erklärt, dass das Signal “Ja, ihr gehört zu Europa, ja, ihr gehört zum Westen” nicht nur über eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union funktionieren könne.

In der Ukraine sorgten die Äußerungen für einen Aufschrei. „Wir erachten diese Äußerungen für strategisch kurzsichtig, und sie entsprechen nicht den Interessen eines vereinten Europas”, kommentierte am Sonntag der ukrainische Außenamtssprecher Oleh Nikolenko laut der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform. Schallenbergs Erklärung ignoriere zudem die Tatsache, dass eine “überwältigende Mehrheit” der Bevölkerung in den EU-Gründerstaaten die Mitgliedschaft der Ukraine unterstütze.

(bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

30 Kommentare

  1. Ein Land mit soviel Korruption, 80 paramilitärischen Organisationen,Verbot von Parteien, wo vor Kurzem noch der Präsident aus dem Land fliehen musste, …
    Da will man heute schon entscheiden, ob es aufgenommen werden soll?
    Beobachtungen und Anpassungsprozess gerne. Der Aufnahmeprozess der Türkei ist auch nach Jahren gescheitert.
    Die Aufnahme steht gar nicht zur Diskussion. Verhandlungen ja. reden kann man immer.
    Auch Russland wollte mal zur EU.

  2. Hahn weiß, dass der nächste österreichische EU Kommissar nicht mehr von der ÖVP nominiert werden wird. Insofern wird ihm seine Partei mittlerweile wohl einigermaßen egal sein. Als EU Kommissar hat er auch abseits der ÖVP ausreichende Möglichkeiten, für die eigene Zukunft vorzusorgen.

  3. Ich halte den EU-Beitritt für falsch. Zu viele offene Fragen, etwa zur Korruption. Die Ukraine wäre ein weiterer, chauvinistischer, von einer Kirche gegängelter Staat, der sich mit Polen und Ungarn auf ein Packerl haut und alles blockiert, was nicht dem mittelalterlichen Weltbild entspricht. Vielleicht ist das ein Vorurteil, aber zumindest die Frage der Korruption gehört anständig hinterfragt und geklärt. Irgendwann wird jede Menge Geld für den Aufbau fließen, und das sollte besser nicht in den Taschen irgendwelcher Günstlinge verschwinden, wie zB, aber nicht nur in Ungarn.

    • Wo gehört die Korruption nicht anständig hinterfragt? Heute habe ich mir gedacht, wovor hat Europa diese Angst oder Zurückhaltung den Menschen ein wirklich gutes Leben zu vergönnen. In meinen Hirn ist es eng. Ich denke aber, mit Selenskyi/Ukraine könnten wir endlich aus dieser Sklaverei raus. Die Erde hat für alle immer genug gehabt, hat genug, es kommt nur darauf an, wie die Menschen mit den Ressourcen umgehen.

      • “Die Erde hat für alle immer genug gehabt, hat genug, es kommt nur darauf an, wie die Menschen mit den Ressourcen umgehen.”
        Das ist richtig. Der Kapitalismus steht dem entgegen. Alle Ressourcen dienen der Gier weniger. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich skeptisch bin, was die Ukraine angeht.
        Hilfe und Beistand im Krieg – keine Frage. Hilfe und Beistand beim Wiederaufbau, so es ein souveräner Staat bleibt – ganz bestimmt. Unterstützung wo sie gebraucht wird. Aber man hat schon Fehler bei der “Osterweiterung” gemacht, die immer schwerer wiegen. Milliarden werden in die Taschen von Günstlingen umgeleitet, ohne den Ländern oder gar den Völkern zu helfen. Dafür blockieren Rechtspopulisten wo es nur geht alles Liberale und verstoßen nach Belieben gegen alle Regeln. Mit Ungarn und Polen gibt es diesbezüglich schon genug Probleme. Es ist nicht ausgeschlossen, dass faschistische Strömungen in der Ukraine in Folge des Krieges die Oberhand gewinnen. Deshalb: zunächst kein Beitritt, bis das geklärt ist. Ist ja auch nicht nötig um zu helfen und zu unterstützen, dazu gibt es genug andere Mittel, auch ohne einen Beitritt. Das wäre bloß Symbolpolitik, nicht mehr. Wichtiger wäre es, die Türkei aus dem Europarat zu entfernen um endlich mal klar zu machen, dass eine Autokratie mit gegängelter Justiz nichts in Europa verloren hat. Das hat das heutige Urteil gegen Kavala einmal mehr deutlich gezeigt.

        • Sollte die Ukraine den Krieg gewinnen sind sicherlich deine Bedenken, ich sag mal so “uo to date” und danke, du hast mir einen Gedankenanstoß verpasst. Die Türkei ist kein guter Player und es würde die Aufgabe sein von den übrig gebliebenen Demokratien endlich Klarheit zu schaffen, mit sich und folglich jenen Staaten die es noch immer nicht kapiert haben, das die Regierenden die “Diener des Volkes sind”.

          • Die Verhältnisse in Ungarn und auch der Türkei wären ohne europäisches Geld kaum möglich gewesen. Beide Autokraten haben das für ihre Günstlinge verwendet. In Ungarn wurden davon die Medien aufgekauft, in der Türkei die AKP-Hänger “unterstützt”, die ihrem Gönner dann natürlich die versiffte Stange halten.

          • … beeindruckend schlüssig kausal argumentierte Statements zu diesem Thema! 👌
            *shampoo* apreciado espanol🙌

    • Die Kopenhagener Kriterien sind die Eintrittsregeln. Da ist die Ukraine durch den Krieg jetzt weit entfernt. Die Ukraine war auf dem Weg, aber durch die Zerbombung weiter Teile ist die Ukraine wirtschaftlich nicht in der Lage in der EU wirtschaftlich mitzuhalten. Ein Beitritt würde de Ausverkauf der Ukraine bedeuten. Das wäre wirklich das Ender der ukrainischen Souverinät – von anderer Seite. Putin hätte sein Ziel erreicht.

      Die Kopenhagener Kriterien legen Antikorruptionsmechanismen fest. Man wird vielleicht mit der Aufnahme der Ukraine die Kopenhagener Kriterien neu formulieren müssen (ohne dass UA unter die ökonomischen Räder käme). Wenn man das tut, kann man sie gleich neu formulieren: Dass diese nach Aufnahme eingehalten werden müssen. Dazu braucht es einen Mechanismus, der dem EuGH alle 5 Jahre eine Begutachtung einräumt. Automatisch oder im Verdachtsfall (ist Verhandlungssache). Bestätigt sich ein Verdachtsfall oder werden die AUTOMATISCH die Stimmrechte entzogen, bis die Kriterien wieder erfüllt sind. Der EuGH sieht nach 5 Jahren turnusmäßig wieder nach und beurteilt die Einhaltung/Korrektur. Bei Nichterfüllung der Kriterien = automatischer Ausschluss und Exitverhandlungen. Ber Erfüllung gehen die Stimmrechte wieder zurück in das Land. Einem Land kann eingeräumt werden, früher eine Überprüfung beim EuGH einzureichen.

      Dieser Mechanismus würde einem Land, das abdriftet, sich weigert rechtsstaatlich vorzugehen, nach 10 Jahren ohne Diskussion der Austritt gewähren. Der Entzug der Stimmrechte garantiert, dass ein Land die EU nicht von innen blockieren/zerstören kann.

      Es wird neue Mechanismen brauchen. Ungarn, Polen, Slowenien und Österreich sind warnende Beispiele. Und Italien, Frankreich ebenso, wenn man die rechtspopulistischen Parteien ansieht. Besser wir sichern uns ab.

    • ihre darstellung ist noch sehr freundlich, in der realität ist diese herrschende partie sehr sehr weit weh vom demokratieverständnis der eu staaten, selbst von h und pl

  4. Der Dreher der Daumenschrauben dürfte sich beim Zügel straffen völlig übernommen haben. In diesen Zeiten einen respektablen ÖVPler zu finden, gleicht der Suche einer Nadel im Heuhaufen. Ich korrigiere, wann gabs da überhaupt jemals irgend jemand bei den Schwarzen?

  5. Es ist sicher sinnvoll, die EU mit Ländern, die den moralischen und demokratischen Prinzipien der EU entsprechen und auch von der wirtschaftlichen Leistung als auch von der Leistungsbereitschaft her mithalten können, zu verbinden.

    Alle diese Punkte kann die Ukraine aber derzeit (noch?) nicht erfüllen. Und dass wir uns ein hochkorruptes Armenhaus an den Sack hängen, sollte wohl auch nicht sein. Auch wenn das die USA aus geostrategischen Gründen so wollen. Hier sieht man wieder deutlich, dass die EU-Führungsriege den USA weit mehr verbunden ist. als der EU-Bevölkerung. Für mich ist das ganz offensichtlich Korruption.

    Und wer bis jetzt noch nicht genug Geld an den Club Med gespendet hat, möge jetzt wieder laut Welcome und Hurra rufen.

  6. Eigentlich widerstrebt es mir, aber in diesem Punkt muss ich dem Schallenberg teilweise recht geben. Wenn wir nur noch Nettoempfängerländer aufnehmen, die dann auch noch das volle Stimmrecht haben, überfordern wir uns selbst und die Union geht eher früher als später in die Brüche. Es besteht jetzt schon ein Ungleichgewicht zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern. Wie sich zeigt, war die Osterweiterung eine politische Entscheidung, die nicht zu Ende gedacht wurde. Es müsste doch möglich sein, sowohl die Balkanstaaten als auch die Ukraine nahe an die EU heranzuführen, ohne ihnen ein volles Stimmrecht zu geben. Ein Nettoempfängerland sollte kein Vetorecht ausüben dürfen und auch nicht mitbestimmen dürfen, wenn gegen ein anderes Land Sanktionen beschlossen werden.
    Mit dem Vetorecht können, wie sich zeigt, Ungarn und Polen gemeinsam die EU lahmlegen.
    Daher sollten die EU Verträge mit einfacher Mehrheit neu geschrieben werden, weil es jetzt schon hinten und vorne nicht funktioniert.

    • Ich denke so etwas wie einen EU Beitritt light ohne volles Stimmrecht kann nicht funktionieren. Man darf nicht vergessen, die EU ist auch so etwas wie eine Wertegemeinschaft. Wenn sie einige Staaten auf den Status von “Almosenempfängern” ohne vollwertige Mitgliedsrechte stellen, wird der Nationalismus in diesen Ländern bald fröhliche Urstände feiern und der radikale Islam hat noch leichteres Spiel was den Balkan betrifft. Und genau das ist auch einer der Gründe für eine EU Mitgliedschaft des Balkans.

    • Die EU hat ein enormes Potenzial – so gross, dass es sogar den USA (wirtschaftlich) gefährlich werden könnte. Die USA tun derzeit alles, um diese Gefahr abzuwenden. Die Belastung mit der Ukraine würde uns dauerhaft schwächen.

  7. Schalli scheint vor lauter Gartenschlauchdiplomatie den Überblick verloren zu haben. Vielleicht hilft ihm ja einer den Knoten wieder aufzumachen.

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Weiss in Dubai

Denn: ZackZack bist auch DU!