Wie Österreich abstimmte
Nach der Einstufung Ungarns zur »Wahlautokratie« droht die EU-Kommission der Regierung in Budapest mit dem Einfrieren von Geldern. Bei einigen österreichischen EU-Parlamentariern kann Orbán unterdessen auf Rückhalt bauen.
Brüssel, 19. September 2022 | Auf Vorschlag der EU-Kommission sollen 7,5 Milliarden Euro an vorgesehenen Förderungen für Ungarn aus dem EU-Topf zurückgehalten werden. Denn bei Unzulänglichkeiten, die gegen EU-Recht verstoßen, kann die Union riesige Geldsummen zurückhalten oder einfrieren.
Hahn präsentierte Sanktion
Der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn kündigte als zuständiger Haushaltskommissar den kräftigen Einschnitt in den ungarischen Haushalt an. Mehr als sieben Milliarden Euro für Ungarn sollen eingefroren werden. Es wäre eine Premiere in der Geschichte der Europäischen Union. Die Antikorruptionsbehörde der EU hätte über Jahre Veruntreuung und Korruption in Ungarn dokumentiert. „Wir müssen davon ausgehen, dass EU-Gelder in Ungarn nicht ausreichend geschützt sind“, sagte Hahn deshalb vergangene Woche auf einer Pressekonferenz in Brüssel. Es gehe immerhin um einen Beitrag der EU-Steuerzahler, der in Ungarns Machtapparat versickere.
Keine Demokratie mehr
Das EU-Parlament stimmte vergangenen Donnerstag dafür, Ungarn den Status einer Demokratie abzusprechen. Wegen der zahlreichen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit und der grassierenden Vetternwirtschaft sei das fest im Griff von Viktor Orbán befindliche Nachbarland nicht länger als Demokratie zu bezeichnen. Von einer „Wahlautokratie“ sei die Rede. Zwar könne man in Ungarn wählen, aber die Wahlen seien nicht fair, urteilten die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE). Das hat auch mit der Medienlandschaft Ungarns zu tun, die die Opposition kaum einer Berichterstattung würdigt. Bei der vergangenen Parlamentswahl bekam die Opposition im öffentlichen ungarischen Fernsehen etwa nur fünf Minuten Sendezeit, wie zahlreiche Medien berichteten.
Abstimmungsverhalten der österreichischen EU-Abgeordneten
Interessant war das Abstimmungsverhalten einiger österreichischer ÖVP-EU-Parlamentarier. Der burgenländische ÖVP-Politiker Christian Sagartz enthielt sich beim Ungarn-Votum der Stimme, die steirische EU-Abgeordnete Simone Schmidtbauer war gleich gar nicht mehr zugegen. Bei den Abstimmungen davor nahm sie jedoch noch teil. Als ZackZack versuchte, eine Stellungnahme einzuholen, beendete Christian Sagartz ohne ein Wort das Telefongespräch. Der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas war für eine Stellungnahme noch nicht zu erreichen.
Die FPÖ unter Delegationsleiter Harald Vilimsky stärkte hingegen Viktor Orbán den Rücken. Alle drei Abgeordneten stimmten gegen den Entwurf, der einen „Zerfall der Demokratie“ in Ungarn feststellte. Die FPÖ stimmte im Übrigen gegen alle anderen Planpunkte im EU-Parlament, unter anderem gegen einen EU-Mindestlohn und die stärkere Nutzung erneuerbarer Energie.
Sorge in Budapest
Die Ankündigung, Ungarn die finanziellen Daumenschrauben anzuziehen, löste umgehend Reaktionen in Ungarn aus. Etwas kleinlaut verlautbarte man, eine eigene Antikorruptionsbehörde einzurichten. Grund genug für Johannes Hahn, von einer „bedeutenden Bewegung“ in Ungarn zu sprechen. Fraglich ist, ob sich Hahn und die Kommission von dieser ungarischen Scheinreformen blenden lassen werden. Ungarn hat bis 19. November Zeit, um auf die Sanktion der EU zu reagieren.
(dp)
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