Der Rechnungshof der europäischen Union beklagt schwammige Vorschriften für Lobbyisten in der EU. Denn die Transparenzregeln für den Austausch zwischen EU-Organen und Lobbyorganisationen sind zu lückenhaft.
„Das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission sind in ihrem regelmäßigen Dialog mit Interessenvertretern und der Zivilgesellschaft offen und transparent.“ So steht es auf der Website des Transparenzregisters der europäischen Union. Nach Einschätzung des europäischen Rechnungshofes ist das jedoch nicht der Fall. Noch immer gibt es große Lücken in punkto Transparenz.
Kein Zwang zur Transparenz
In kaum einer anderen Stadt tummeln sich so viele Lobbyisten wie in Brüssel. Kein Wunder: Ist doch der Einfluss der europäischen Institutionen auf die Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten der EU enorm.
Immer wieder wird auf den starken Einfluss von Lobbyorganisationen auf Gesetzgebungsprozesse der EU hingewiesen, zuletzt bei den Verhandlungen rund um das EU-Lieferkettengesetz. Der deutsche Handelskonzern “REWE” etwa, versuchte das EU-Lieferkettengesetz mit dem Vorschlag, dieses an unpassende Gesetze wie die Regulierung gegen illegale Fischerei (IUU) anzupassen, abzuschwächen. Der französische Ölriese “Total” unternahm bei bestimmten EU-Organgen Anstrengungen, die Sorgfaltspflichten des Lieferkettengesetzes abzuschwächen.
Grundsätzlich ist das ein normaler Vorgang. Durch die Lobby verschiedenster Unternehmen und Organisationen wird politischen Entscheidungsträgern die Möglichkeit gegeben, informierte Entschlüsse zu fassen. Problematisch wird es dann, wenn die Öffentlichkeit nicht nachvollziehen kann, welche Lobbyisten bestimmte Entscheidungsprozesse mutmaßlich beeinflussten. Dafür gibt es das Transparenzregister der EU. Es soll öffentlich machen, was sonst im Verborgenen bleiben würde.
Die Crux: Das Register ist von vollständiger Transparenz noch weit entfernt. Zu diesem Schluss kommt der europäische Rechnungshof, der vor allem die unterschiedlichen Regelungen bei den drei wichtigsten Institutionen – dem Parlament, der Kommission und dem Rat der Europäischen Union – und die auf Freiwilligkeit basierende Einmeldung in das Register kritisiert.
Zwar müssen europäische Parlamentarierinnen beispielsweise alle Termine offenlegen – für ihre Mitarbeiter gilt das jedoch nicht. Ähnlich ist die Situation für Mitglieder der Kommission. Auch dort werden nur Termine der ranghöchsten Beamten im Transparenzregister offengelegt.
Besonders im Rat der Europäischen Union und in der Kommission wird die fehlende Transparenz schon bei der Definition des Wortes „Treffen“ offenkundig. So gilt im Rat ein „privates Treffen“ nicht als meldepflichtig. „Zufällige Treffen“ sind im Gegensatz zu „geplanten Treffen“ bei keiner der Institutionen zu melden.
Mangelhaft sind laut EU-Rechnungshof auch die Sanktionen bei Verstößen. Beschwerden werde oft nicht ausreichend nachgegangen und die Strafen seien zu mild.
Johannes Hahns Jagdausflug
Ein prominentes Beispiel für die Lücken im Transparenzregister betrifft ausgerechnet den österreichischen EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP). Ende 2021 wurde publik, dass Hahn sich 2015 von der Lobby der Landbesitzer (ELO) zu einem Jagdausflug habe einladen lassen. Ins Transparenzregister wollte Hahn dieses Treffen nicht eintragen. Sein Argument: Es sei „rein privat“ gewesen. Konsequenzen gab es für den EU-Kommissar keine.
Lobbying mit Plastikföten: Die Reaktionen der österreichischen Delegationen
ZackZack wollte von allen österreichischen Delegationen im EU-Parlament wissen, wie sie das Thema Lobbying in der EU bewerten.
Ein Sprecher der ÖVP ließ auf ZackZack-Anfrage wissen: „Mitglieder der ÖVP-Delegation treffen sich wie alle Europaabgeordneten, die aktiv an der EU-Gesetzgebung teilnehmen, zur Meinungsbildung mit unterschiedlichen Interessensvertretern, sofern diese im EU-Transparenzregister eingetragen sind. Wir dokumentieren diese Treffen entsprechend den geltenden Vorschriften öffentlich einsehbar. Es ist uns ein Anliegen, dass die EU-Gesetzgebung nachvollziehbar und transparent ist. Die Notwendigkeit zur Verschärfung von Transparenzregeln sehen wir zum Beispiel für NGOs, deren Geldgeber und tatsächliche Absichten immer wieder nicht ganz nachvollziehbar sind, wie der EU-Rechnungshof zurecht kritisiert.“
Andreas Schieder, Leiter der SPÖ-Delegation im EU-Parlament, sah Aufholbedarf in Sachen Transparenz vor allem bei den einzelnen Mitgliedstaaten, der Kommission und beim Rat der Europäischen Union: „Grundsätzlich ist anzumerken, dass in Brüssel mit dem Thema Lobbying viel transparenter umgegangen wird als in den meisten Mitgliedstaaten. Das EU-Parlament hat dabei die weitreichendsten Lobbying Regeln. Das verpflichtende Transparenzregister ist gut gefüllt und einsehbar für alle. Denn es muss nachvollziehbar sein, wer sich mit wem zu welcher Gesetzgebung austauscht. Hier müssen die nationalen Gesetzgeber:innen, aber auch der Rat der EU dringend noch aufholen.“
Ein Problem in Sachen Lobbying verortete er insbesondere bei konservativen und rechten Parteien: „Zum Lobbying gehören immer zwei. Also auch die, die sich beeinflussen lassen. Wenn der Lobbyismus von Wirtschaftsverbänden und Großkonzernen auf offene Ohren bei Konservativen, und Rechten trifft, dann ändern auch strengere Regeln leider vermutlich am Ende wenig.“
Zu den skurrilsten Einflussversuchen von Lobbyisten gehörte ein verstörendes Geschenk. Abtreibungsgegner schickten der SPÖ-Delegation Föten aus Plastik.
Claudia Gamon, einzige Vertreterin der NEOS im EU-Parlament sprach sich auf Anfrage für stärkere Transparenz und schärfere Kontrollen aus: „Wir setzen uns dafür ein, dass die Abgeordneten jedes Treffen offenlegen sollen. Volle Transparenz ist das beste Mittel gegen Korruption. Transparenz schafft Vertrauen! Außerdem brauchen wir eine Institution, die in problematischen Fällen verlässlich und lückenlos ermitteln kann.“
Auch Gamon erwähnt die Plastikföten: „Das eigentlich Skurrile passiert auf dem Postweg – man glaubt kaum, was da alles ankommt. Ein kurioses Beispiel war, als ich im Zuge einer Abstimmung über Abtreibungsrechte einen Plastikfötus erhalten habe. Ein anderes Mal fand jede und jeder Abgeordnete einen geräucherten Lachs in seinem Postfach – eine Geste der Fischindustrie-Lobby. Es ist faszinierend und manchmal erschreckend zugleich, welche Mittel und Ressourcen dafür aufgewendet werden.“
Die Grünen und die FPÖ beantworteten die ZackZack-Anfrage nicht.
Titelbild: Hannah Sattlecker/ZackZack, pixabay, Montage ZackZack