Montag, Oktober 7, 2024

Pop up: Die Popkultur-Kolumne – The Erlkings machen Musik

Pop up: Die Popkultur-Kolumne

Die Erlkings spielen Schubert und neuerdings auch Beethoven. Deren Lieder haben 200 Jahre am Buckel und wirken in den Erlkings-Arrangements mindestens um 180 jünger.

Wien, 14. Mai 2022 | Beethoven- und Schubertlieder, frei auf Englisch übersetzt und in der, gelinde gesagt, seltsamen Besetzung Bariton, Schlagzeug, Gitarre, Mandoline, Cello und Tuba? “Das ist doch affig!”, fand ich. “Das ist ein bisschen dumm”, sagte Erlkings-Sänger Bryan Benner in seiner Moderation. “Das kann was werden!”, dachte ich. Wurde es auch: großartig nämlich. Das war schon klar, nachdem die Eröffnungsnummer, Beethovens “Adelaide”, noch nicht einmal halb vorbei war. Und speziell bei Schubert bin ich empfindlich. Der wurde aber sogar noch besser. Von den Erlkings hörte ich die bisher überzeugendste Interpretation von “Gretchen am Spinnrade”. Das beinhaltet auch die Sängerin Elly Ameling, womit eigentlich alles gesagt sein sollte.

Hirnschmalz und Liebe

Es stecken Hinrschmalz und Liebe in den Arrangements. Das ist nicht nur einfach alter Wein in neuer Besetzung, das ist Kunstlied, so jung, zeitgemäß, aber dem Original gerecht interpretiert, dass ich jetzt erst weiß, wie zeitlos diese Musik wirklich ist. “Es kam uns mehr auf die Menschen an als auf ihre Instrumente”, sagt Benner. Trotzdem, oder gerade deshalb, passen die Instrumente zu den Liedern wie die Faust aufs Aug’. Simon Teurezbacher an der Tuba übernimmt zart zurückhaltend die Basslinie und lässt Ivan Turkalj Raum zur Entfaltung. Der gibt mit seinem Cello oft so eine Art zweite Singstimme. (Nur einmal im Konzert zeigt Teurezbacher, was die Tuba als Solo-Instrument kann – schade, weil zu selten.) Nie wieder will ich ein neues Schubert-Arrangement ohne Schlagzeug hören. Thomas Toppler gibt den Liedern einen unwiderstehlichen Drive mit. Und wenn Bariton Benner gelegentlich seine Gitarre nicht nur als Rhythmus-Instrument verwendet, sondern nur von sich selbst begleitet singt, merkt man: Lieder waren auch schon vor 200 Jahren wie geschaffen für eine gute Vortragsstimme und eine Gitarre. Ach, und wenn er (ganz selten) zum gutturalen Gesang greift, glaubt man nicht nur, da stünde Jack Black auf der Bühne, das steht den Liedern auch.

Nur mit der Mandoline konnte ich persönlich nicht recht warm werden – von Marcello Smigliante Gentile virtuos gespielt, daran lag es nicht. Gezupft klang sie toll, ging aber unter, geschlagen wollte sie nicht recht zum Rest passen. “Warum nicht einfach eine Violine?”, dachte ich. Aber als dann im zweiten Teil des Konzerts Schubert ohne Mandoline gespielt wurde, ging mir ihr nerviges kleines Stimmchen plötzlich ab. Man weiß erst, was man an ihr hat, wenn sie nicht mehr da ist. Zum Glück kam Gentile zur Zugabe noch einmal mit auf die Bühne.

In Zukunft

Das TAG (Theater an der Gumpendorfer Straße) war ein passendes Ambiente, und vor allem: Noch nie habe ich so viele junge Leute bei einem Kunstlied-Abend gesehen, dass ich als Enddreißiger den Altersschnitt hob. Wenn so die Zukunft aussieht – mir soll es sehr recht sein. Übrigens sind die vier plus eins Erlkings nette Leute, die nicht nur mit Witz arrangieren, sondern auch unterhaltsam durch den Abend führen können.

Jetzt haut die Truppe erste einmal in den Norden ab, nach Deutschland und in die Niederlande, aber ab August sind sie wieder mit Konzerten in Niederösterreich und Wien. Ich lasse mir das nicht entgehen. Sollten Sie auch nicht, vor allem nicht im Wiener Konzerthaus, wo die Erlkings – so sagten Leute, die sie dort schon gehört hatten – ob der noch besseren Akustik auch noch besser klingen. In der Zwischenzeit kann man sich mit Aufnahmen trösten. Die werden übrigens sämtlich durch Crowdfunding finanziert.

(tw)

Titelbild: ZackZack

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