Skylla & Charybdis
Es wird zu viel gerülpst und zu wenig geküsst in Österreich, findet Julya Rabinowich.
Julya Rabinowich
Wien, 21. Mai 2022 | Es wird viel gerülpst im Staate Österreich. Es gehört, auf eine Art, vermutlich zum kulturellen Kolorit. Vielleicht nehme die Autochthonen an, dass es zu den guten Sitten gehöre, ein sattes Rülpsen dann und wann durch den Äther zu schicken. Als Zeichen der Zugehörigkeit. Hatte erst die Freiheitliche Partei ein breites Spektrum an landestypischen Rülpsern über die Jahre abzudecken, so kann sie jetzt nach und nach aufatmen. Die schwere Last der Verantwortung ist nun von ihrer Luftröhre genommen, es weht geradezu ein frischer Wind: Auch die Volkspartei hat sich dem politischen Rülpser verschrieben und treibt diesen sogar durch sämtliche Instanzen der Emanzipation.
Laura Sachslehner ist jedenfalls am besten Wege dazu, der Welt zu beweisen, dass auch sie das Rülpshandwerk ebenso lautstark und rollend beherrscht wie ein echter langjährig tätiger Tiefblauer. Das tiefe, gekonnte Rülpsen ist ein traditionelles Gegenstück zum hohen Wert. Nein, nicht der vom Preis. Sondern jener der Staatsbürgerschaft. Frau Sachslehner, immerhin Generalsekretärin, hatte in ihrem letzten Interview in der ZIB ein geradezu Eschersches Konstrukt entwickelt, in dem auf jede Frage nur eine einzige Abfolge von Wortkombinationen im Versuch einer Antwort möglich schien, nämlich die bösartige Entwertung der hohen Staatsbürgerschaft durch deren Verleihung an Dahergelaufene. Österreich hat diesbezüglich zwar restriktivste Gesetze, aber man muss dafür sorgen, dass es auch so bleibt! Es kann eben nicht jeder einfach so Teil der geheiligten Familie sein und werden! Dazu gehört vieles, die Gnade der Geburt zuallererst, aber dann auch noch eine gewisse Gelenkigkeit, die in Lenkbarkeit mündet oder eine entsprechende Kaufkraft. Und dann kommen so freche Tschuschen, die völlig abgehoben behaupten, autochthon zu sein, nur weil sie hier geboren wurden und das ganzes Leben hier verbracht haben! Diese unendliche Anmaßung, wählen zu wollen und ein gleichberechtigtes Leben zu führen! Man fasst es kaum. Die Verve, mit der die Generalsekretärin gegen Zugewanderte und ihre Nachkommen austeilt, lässt es einer wie Schuppen von den Augen fallen: Laura Sachslehner ist der Udo Landbauer der ÖVP.
Natürlich ist klar, dass diese Diskussion nicht zufällig vom Zaun, der vor dem Watschenbaum steht, gebrochen wurde. Es gibt vieles, von dem man ablenken möchte, und nichts ist dafür besser geeignet als ein gekonnt gesetztes Aufstoßen politischer Natur, das hält die Medien und das Volk beschäftigt, währenddessen Korruptionsmomente sanft entschlafen. Was kümmert die Durchschnittsbewohner dieses Landes die Möglichkeit, von oben missbraucht worden zu sein, wo doch die Möglichkeit bestünde, einem anderen, den man unter sich wähnt, etwas abspenstig machen zu können, damit man sich zumindest hier noch privilegiert fühlen kann! Ein genuin blaues Prinzip jedenfalls. Wenn man bedenkt, dass die ÖVP einst eine Europapartei gewesen ist, eine Partei, die für ein gewisses Niveau stand, immerhin die Partei eines Franz Fischler und eines Erhard Busek…Ach, lassen wir das. Nachdem das „neu“ aus der Volkspartei bereits verschwunden ist, bleibt nur noch abzuwarten, wann sie sich in Bäuerchenpartei umbenennt. Generall ist anzuprangern, dass zu viel gerülpst und zu wenig geküsst wird. Tu felix austria oscula!
Titelbild: ZackZack