Mittwoch, März 19, 2025

Kritisierte Rechtsschutzbeauftragte Aicher fühlt sich »diffamiert«

Bemerkenswerter Auftritt der scheidenden Rechtsschutzbeauftragten Gabriele Aicher im U-Ausschuss. Diese beschwerte sich darüber, „der Unmensch der Nation“ geworden zu sein, während Menschen in „I Love WKStA-Shirts“ herumliefen.

Wien, 27. Mai 2022 | Noch-Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher sieht sich als Opfer „medialer Diffamierungen“. Es sei ihr unzumutbar, weiter als Rechtsschutzbeauftragte tätig zu sein, sagte sie vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss. Während es in Österreich eine Fangruppe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gebe, die mit „I love WKStA“-T-Shirts umherlaufe, sei sie „der Unmensch der Nation“, monierte Aicher. Sie habe sich einmal im Scherz auch „I Love Rechtsschutz“-Shirts gewünscht.

Aicher tritt mit 30. Juni als Justiz-Rechtsschutzbeauftragte zurück. Grund der öffentlichen Aufregung um Aicher war einerseits, dass ihre Kritik an der WKStA über ihren Kontrollbereich als Rechtsschutzbeauftragte hinausgegangen war. Das wurde nicht nur medial und von Antikorruptions-Experten kritisiert, sondern auch vom Oberlandesgericht.

Andererseits sorgte die Tatsache für Aufregung, dass sie sich als Rechtsvertretung und für die Beratung bei einer Presseaussendung offensichtlich jene Anwaltskanzlei ausgesucht hatte, die auch etliche Beschuldigte aus dem ÖVP-Umfeld vertritt, gegen die die WKStA ermittelt: die Kanzlei Ainedter & Ainedter.

“Muss alles selbst machen”

Die Kanzlei bestritt allerdings, inhaltlich etwas zur Presseaussendung beigetragen zu haben. Fakt ist jedenfalls: In der Datei ihrer Presseaussendung fanden sich Metadaten der Kanzlei. Aicher sagte vor dem U-Ausschuss, aufgrund ihrer beruflichen und wissenschaftlichen Erfahrung sei es absurd zu behaupten, sie würde für eine Beschwerde anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Die Presseaussendung habe sie in der Kanzlei selbst geschrieben, weil sie keinen USB-Stick gehabt habe, mit dem sie „durch die Gegend gelaufen“ sei, sagte Aicher. Sie sehe nicht, wo da das große Problem sein solle. „Sie müssen sich vorstellen, ich bin ein eigenständiges Organ mit Minimalausstattung“, so die Noch-Rechtsschutzbeauftragte Aicher. “Ich muss ohnehin alles selbst machen.”

Aicher mit schweren Geschützen

Die Wahl ihres Rechtsanwalts dürfe ihr weder vorgeworfen noch vorgegeben werden, das ergebe sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, echauffierte sich Aicher. Von NEOS-Abgeordneter Stephanie Krisper kam der Hinweis, die Rechtskanzlei Ainedter & Ainedter sei nicht die einzige Österreichs. Aicher hielt daran fest, einen etwaigen Interessenkonflikt festzustellen, sei nicht ihre Aufgabe gewesen, sondern jene der Kanzlei.

Sie selbst habe nichts darüber gewusst, dass die Kanzlei Beschuldigte aus dem ÖVP-Umfeld in der CASAG-Affäre vertrat und sich im Vorfeld auch nicht informiert. Ihr Anwalt Ainedter senior habe, „glaube ich da selbst nicht so daran gedacht“. Aicher sei „dieser komische CASAG-Akt noch immer unbekannt.“

„Daschlogn“-Sager von Pilnacek „harmlos“

Aicher verteidigte auch Christian Pilnacek und Johann Fuchs. Es sei „unerträglich zu sehen, wie der Fuchs abgeschossen wird, es ist unerträglich zu sehen, wie der Pilnacek behandelt wird.“ Sie sei entsetzt gewesen über die heimliche Aufnahme der Dienstbesprechung in der WKStA und darüber, was aus einer für sie harmlosen Aussage Pilnaceks gemacht worden sei. Zur Erinnerung: Die „harmlose Aussage“ des damaligen Strafrechts-Sektionschefs war seine Forderung gewesen, dass Eurofighter-Verfahren zu „daschlogn“.

Sie sei auch entsetzt über die Untätigkeit der Justizminister Josef Moser (ÖVP), Clemens Jabloner (parteilos) und Alma Zadic (Grüne). „Ich verlasse die Justiz, weil ich die Situation für aussichtslos halte“, so Aicher zu ihrer Entscheidung, ihr Amt zurückzulegen.

„Hearsay“ und persönliche Wahrnehmungen

Krisper sprach das „Presse“-Interview an, in dem Aicher beklagt hatte, alle Ressourcen würden in die WKStA gesteckt, während andere Staatsanwaltschaften auf der Strecke blieben. Parlamentarische Anfragen hätten ergeben, dass sich die Anzahl der Staatsanwälte bei der WKStA verringert hätten, so Krisper. Sie wollte wissen, worauf Aicher ihre Aussage gestützt habe. „Persönliche Wahrnehmung“, entgegnete diese. Aicher meinte außerdem „normale Staatsanwaltschaften“ arbeiteten in Bereichen, „die uns alle wesentlich mehr bedrohen“. Sinngemäß meinte sie weiter: Terrorismus und Cyberkriminalität seien wichtigere Themen als der Kampf gegen Korruption.

Aicher echauffierte sich vor dem U-Ausschuss indes über das angebliche Verhalten von Korruptionsermittlern. Beim Freispruch Christian Pilnaceks im Prozess wegen falscher Zeugenaussage hätten die verfahrensführenden Staatsanwälte vor Ärger die Talare auf den Tisch geworfen. Später gab Aicher zu: Sie war nicht dabei, die Talar-Geschichte sei „Hearsay“, also Hörensagen.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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