„Kammer machen, muss man aber nicht“, die Wirtschaftskammer Niederösterreich feierte mit Mitgliedsbeiträgen eine Party um 54.000 Euro. Für gerade einmal 90 Gäste.
St. Pölten, 03. Juni 2022 | Rund um die im August 2020 erfolgte Abschiedsfeier für die Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ), Sonja Zwazl, ist Aufregung entstanden. Laut Recherchen von “Standard” und “Kronen Zeitung” wurden für das Event bei etwa 90 eingeladenen Personen 58.000 Euro ausgegeben. Hochgerechnet sind das 644 Euro pro Gast. Auch aufgrund der Verwendung von Mitgliedsbeiträgen sei eine Rüge des Kontrollamts der Wirtschaftskammer erfolgt. Die WKNÖ verwies etwa auf Stornokosten. Kritik kam von NEOS und FPÖ.
“In dieser Größenordnung hinkünftig zu vermeiden”
Zwazl, seit 2003 auch für die ÖVP im Bundesrat, hatte das Amt der Präsidentin der WKNÖ von 1999 bis Mai 2020 bekleidet. Für ihren Abschied bei der Wirtschaftskammer wurden laut einem Prüfungsbericht des Kontrollamts 58.000 Euro ausgegeben. Mit dem Geld seien zusätzlich ein Buch und ein Abschiedsvideo produziert worden. Weil es sich “bei den verwendeten Mitteln um gesetzliche Mitgliedsbeiträge handelt”, sei “ein strenger Maßstab hinsichtlich des Grundsatzes der Sparsamkeit” anzulegen, zitierten “Krone” und “Standard” in ihren Freitagsausgaben aus dem Prüfbericht. “Aufwendungen für Verabschiedungen in dieser Größenordnung sind hinkünftig jedenfalls zu vermeiden”, sei die Conclusio. Die WKNÖ beziffert die entstandenen Gesamtkosten mit rund 54.000 Euro. Die Rechnung des Kontrollamts sei “verkürzt dargestellt”, wurde betont, dies sei auch bereits mitgeteilt worden. “Schon länger geplant war eine Veranstaltung mit über 300 Personen aus der niederösterreichischen Wirtschaft, um wirtschaftspolitische Perspektiven aufzuzeigen und diese zu diskutieren. In Zuge dieser Veranstaltung war auch die Verabschiedung der langjährigen WKNÖ-Präsidentin Sonja Zwazl geplant”, hieß es auf APA-Anfrage in einer schriftlichen Stellungnahme. Aufgrund der Corona-Pandemie habe das Event “lediglich in einem kleineren Rahmen mit 90 Personen samt Verabschiedung” stattgefunden. Die Absage der größeren Veranstaltung habe sich mit 13.200 Euro für Stornokosten et cetera niedergeschlagen. “Das wird in Zukunft bei Einschätzung von pandemischen Auswirkungen nicht mehr passieren”, hieß es.
Festschrift für 18.600 Euro
Angeführt wurden von der WKNÖ Kosten von 18.000 Euro für Technik und Drucksorten sowie 4.500 Euro für das Catering. Unabhängig von der Veranstaltung habe es die Entscheidung gegeben, Zwazls Wirken bei der Kammer “auch in einer kleinen Festschrift aufzuarbeiten”. Für Konzept, Grafik und Druck seien 18.600 Euro – 37 Euro pro Stück – aufgewandt worden. Niederösterreichs NEOS kritisierten die Kosten für den Abschied in einer Aussendung. Auch die 54.000 Euro seien “deutlich mehr als das durchschnittliche Jahresgehalt der Angestellten in Österreich”, konstatierte Landessprecherin Indra Collini. Die Betriebe seien “keine Melkkuh für Kammerpartys”, hätten sich viel mehr “einen sparsamen und zweckmäßigen Umgang mit ihren Beiträgen” verdient. Gefordert wurde von der Landessprecherin der Pinken weiters die Abschaffung der Kammerumlage 2. FPNÖ-Wirtschaftssprecher Landtagsabgeordneter Reinhard Teufel forderte “volle Aufklärung”. Im Sommer 2020 hätten viele Unternehmen “vor der zweiten Corona-Welle gezittert und um ihre Existenz gebangt”, hieß es in einer Aussendung. “Somit ist die Party nicht nur sachlich ungerechtfertigt, sondern auch moralisch verwerflich”, meinte Teufel.
Von der Grünen Wirtschaft NÖ kommt ebenfalls Kritik. Nicht die Wirtschaftskammer sei es, die solche Partys plant, sondern der ÖVP Wirtschaftsbund. August Lechner Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft NÖ dazu: “Als langjähriger Funktionär kenne ich die Mitarbeiter:innen der Kammer und bin mir absolut sicher, dass niemand aus eigenem Antrieb eine derartige Feier mitten in der Pandemie geplant und umgesetzt hätte. Auch die Tatsache, dass ich als Fraktionssprecher der Grünen Wirtschaft nicht eingeladen wurde, mutet eigenartig parteipolitisch an. Dieser Fall ist ein Paradebeispiel dafür, was uneingeschränkte Macht einer einzigen Fraktion innerhalb einer Kammer verursacht. Die Zwangsmitglieder werden sich nach derartigen Zeitungsberichten verstört von der Kammer abwenden. Im schlimmsten Fall werden sie, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, den Aufruf zur nächsten Wahl ignorieren. Und das ist ganz im Interesse des ÖVP-Wirtschaftsbunds.”
(apa/bf)
Update 13:32: Statement der Grünen Wirtschaft hinzugefügt
Titelbild: APA Picturedesk