Samstag, Juli 27, 2024

Im Regen stehen gelassen

Regelmäßig retten die Steuerzahlenden Banken, die in Not sind, mit Milliarden. Wenn es um die Versorgung von Regionen mit Filialen und Bankomaten geht, bekommen sie dafür etwas zurück: die Banken zeigen ihnen den Stinkefinger und lassen sie im Regen stehen.

Wahlen werden nicht in den Großstädten entschieden, sondern mehrheitlich im ländlichen Raum. Dort könnte jede Partei punkten, wenn sie endlich anfinge, sich um die Infrastruktur zu kümmern. In vielen kleinen Dörfern und Gemeinden Österreichs gibt es massive Versorgungsprobleme und für Menschen, die kein Auto haben oder lenken können, ein Mobilitätsproblem.

Hat man einmal ein Mobilitätsproblem, so ist es auch kaum möglich, auszuweichen, wenn keine Angebote zur Verfügung stehen: Die Dienste von Ärzten, Nahversorgung, Gastronomie, Bank und Post stehen einem dann nicht zur Verfügung. Es wird ein immer größeres Problem in Österreich – und kaum jemand kümmert sich darum.

Banken zeigen den Steuerzahlenden den Stinkefinger

Sven Hergovich, Landesparteiobmann der SPÖ-Niederösterreich, hat das Problem erkannt. Er hat schon in den gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit Mikl-Leitners ÖVP mit Forderungen zur Regionalförderung aufhorchen lassen. Nun hat er abermals nachgelegt und Bankomaten in 100 niederösterreichischen Gemeinden gefordert, in denen Bargeldbehebung nicht möglich ist. Erreicht hat er nichts.

Die Banken, die vom Staat Hilfen fordern und bekommen, wenn sie behaupten in Bedrängnis zu sein, geben den Steuerzahlenden, wenn sie Hilfe brauchen, nur eines zurück: Sie zeigen ihnen den Stinkefinger.

Kein Interesse

Bankomat-Betreiber fordern durchschnittliche Mindestbehebungen – angeblich um rentabel zu sein. Nun müsste es sowohl im Interesse der Politik wie auch der Wirtschaft sein, dass in den betroffenen Regionen Bargeld für die Menschen zur Verfügung steht. Doch die Politik schläft und die niederösterreichische Landesregierung, die für allerlei Unfug Geld verteilt, hat keine Interesse, hier einzuschreiten.

Auch bei Missmanagement fein raus

Unverständlich ist, wozu es immer noch Landesbanken gibt, die vom Steuergeld gut leben. Für die Menschen sind sie nicht da. Unverständlich ist auch, warum sich auch der Raiffeisen-Konzern, der sich von je her als für ländliche Regionen zuständig sieht und mit der regierenden ÖVP bestens vernetzt, wenn nicht identisch ist, hier abputzt.

Drei Mal in den letzten zwei Jahrzehnten haben die Steuerzahlenden Milliarden für die Rettung von Raiffeisen bezahlt: bei der Hypo-Alpe-Adria-Pleite, beim Euromaidan, vor dem selbst die eigenen Analysten Raiffeisen vergeblich geraten haben, Papiere schnell abzustoßen, und bei der griechischen Staatsschuldenkrise. Raiffeisen ist stets sicher, dass es auch bei großem Missmanagement fein raus ist: ÖVP-Finanzminister garantieren dafür.

Verscherbelt

Die Steuerzahlenden bekommen dafür nichts. Die Menschen in ländlichen Regionen werden im Regen stehen gelassen. Nun rächt sich die Politik der SPÖ, auf die Vranitzky 1986 umgeschwenkt ist: die breite Privatisierung und damit den Verkauf von Banken in kommunalem Besitz oder Staatsbesitz.

Hätte man noch die Postsparkasse, die an die BAWAG verscherbelt wurde, deren Rettung nach dem REFCO-Skandal ein Sechzehntel dessen gekostet hätte, was die Steuerzahlenden für die Hypo-Alpe-Adria hingelegt haben! Doch BAWAG PSK gehört nun schon seit Jahren einem amerikanischen Private Equity Fund, der hauptsächlich mit der Verwaltung der Konten der NRA und der weltweiten Waffenlobby zuständig ist. Quasi nebenher verwaltet sie auch alle Bundeskonten der Republik Österreich.

Missmanagement

Aber die Republik und die in Niederösterreich regierenden Parteien ÖVP und FPÖ, die über ein ähnliches Missmanagement wie Raiffeisen verfügen und sich auf das Geld des Bundes verlassen, kümmern die Probleme ländlicher Regionen nicht. Doch schon die letzte Wahl war ein Warnschuss für die ÖVP. Und ich sage voraus, dass die Probleme in Versorgung, Infrastruktur, Gesundheit und Pflege für sie einmal zum existenziellen Problem werden. Dazu ist es freilich nötig, dass es linke Parteien gibt, die sich um diese Belange kümmern und auch gesetzliche Pflichten der Banken einfordern. Die SPÖ darf nicht zurück zu jenem Kurs der 1980er- und 1990er-Jahre, bei dem durch Privatisierungen gewinnbringende Geschäftszweige staatlicher Unternehmungen verscherbelt und sozial und infrastrukturell wichtige Dienstleistungen aufgelassen werden.

Es wäre auch an der Zeit, dass es wieder eine staatliche Bank gibt. Ich würde dort sofort ein Konto eröffnen und alles über diese Bank abwickeln. Zur Erinnerung: Die P.S.K. hatte vor ihrem Verkauf ein Konto, das bei einem bestimmten positiven Durchschnittssaldo pro Quartal völlig spesenfrei geführt wurde. Das war sozial. Und das war einzigartig.

Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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